Berlin gibt, Rom nimmt



Die Wimpel der beiden Partner-Landkreise.


Eine Delegation von Bürgermeistern der Partnerregion Reggio Emilia begann heute ihren Besuch im Enzkreis. Unter Leitung von Landrätin Sonia Masini, die ein Mitte-Links-Bündnis im Provinzparlament anführt, sowie ihres Kollegen Karl Röckinger gab es zum Auftakt einen Informationsaustausch mit Vertretern der Kreistagsfraktionen sowie Bürgermeistern im Pforzheimer Landratsamt. Das Schwerpunkt-Thema: Wie kamen die Kommunen in beiden Ländern über die Wirtschaftskrise 2009? Und siehe da: Die deutschen Städte und Gemeinden waren besser dran als die italienischen. Während bei uns der Bund ein Zukunftsinvestitionsprogramm auflegte und mehrere Milliarden Euro für Bildung sowie Infrastruktur - darunter zehn Euro pro Einwohner - an die Kommunen ausschüttete (auch Mühlacker und der Enzkreis haben davon kräftig profitiert), mussten die Städte und Gemeinden in Italien ihre Hilfen selbst schultern. Nicht nur das: Im Rahmen der Sparbemühungen lädt die Zentralregierung in Rom die Last in den Rathäusern ab. 30 Euro je Einwohner haben die Kommunen als Folge weniger.


Landrätin Sonia Masini schilderte, wie in ihrer Provinz für die Menschen in den 45 Kommunen ein Krisenpaket geschnürt worden war. Unter dem Motto "sozialer Stoßdämpfer" wurden die Mindestlöhne für Arbeiter, die wegen mangelnder Aufträge ihrer Firmen zuhause bleiben mussten, von der Gemeinde aufgestockt, die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds vor allem für Ausbildung und Umschulung sind "optimal" genutzt worden, zudem legte die Provinz zusammen mit der Handelskammer ein Programm für zinsgünstige Darlehen zugunsten kleiner und mittlerer Betriebe auf. Schließlich gab es Bemühungen, Frauen zu unterstützen, die sich selbstständig machen wollten. "Wir waren damit allein auf uns gestellt", sagte die Landrätin, die es paradox fand, dass ein zentralistisch ausgerichteter Staat wie Italien den Kommunen in der Wirtschaftskrise keine zusätzlichen Gelder gab - im Gegensatz zu einem förderalen Staat wie Deutschland. Derzeit versucht die Provinz in einem Pilotprojekt Schlupflöcher im Steuersystem zu stopfen und zu sichern, dass die Hilfen auch wirklich diejenigen erhalten, für die sie gedacht sind.


Von großer Besorgnis fürs Jahr 2012 sprachen die Bürgermeister. Denn im Rahmen der Euro-Krise muss auch Italien sparen, doch die Regierung setzte den Rotstift bei den Kommunen an. Die Städte und Gemeinden verfügen über drei Einnahmequellen: Grundsteuer, Infrastrukturbeiträge (Erschließungsbeiträge) und Zuweisungen des Staates über die Regionen. Rom kürzte nun diese Zuweisungen und verpflichtet zudem die Kommunen, Rücklagen zu bilden, damit der nationale Saldo wieder stimmt. Unterm Strich fehlen je Einwohner 30 Euro, so dass auch die Investitionen leiden.

Ein solcher Informations- und Gedankenaustausch bringt einen wieder zurück auf den Boden. Die Schilderungen der Vertreter unserer Partnerregion zeigen, dass manche Kommunen in Deutschland auf einem hohen Niveau jammern. Und dass wir froh sein sollten über unsere förderale Struktur. Inzwischen sprudeln die Steuerquellen unserer Städte und Gemeinden wieder stärker - der Aufschwung kommt nun auch in den Rathäusern an. Die kommunalen Aufträge halfen mit, dass die Wirtschaft besser über die Krise kam. Italiens Kommunen werden dagegen nun von der Euro-Krise eingeholt, ausgelöst auch durch die schlechteren Ratingbewertungen der Staatsanleihen ihres Landes. Allerdings wissen auch die deutschen Städte und Gemeinden, dass es sie auch wieder ereilen kann, was Bürgermeister Jürgen Kurz (Niefern-Öschelbronn) heute die Achterbahnfahrt der Finanzen nannte.