Berlin gibt, Rom nimmt



Die Wimpel der beiden Partner-Landkreise.


Eine Delegation von Bürgermeistern der Partnerregion Reggio Emilia begann heute ihren Besuch im Enzkreis. Unter Leitung von Landrätin Sonia Masini, die ein Mitte-Links-Bündnis im Provinzparlament anführt, sowie ihres Kollegen Karl Röckinger gab es zum Auftakt einen Informationsaustausch mit Vertretern der Kreistagsfraktionen sowie Bürgermeistern im Pforzheimer Landratsamt. Das Schwerpunkt-Thema: Wie kamen die Kommunen in beiden Ländern über die Wirtschaftskrise 2009? Und siehe da: Die deutschen Städte und Gemeinden waren besser dran als die italienischen. Während bei uns der Bund ein Zukunftsinvestitionsprogramm auflegte und mehrere Milliarden Euro für Bildung sowie Infrastruktur - darunter zehn Euro pro Einwohner - an die Kommunen ausschüttete (auch Mühlacker und der Enzkreis haben davon kräftig profitiert), mussten die Städte und Gemeinden in Italien ihre Hilfen selbst schultern. Nicht nur das: Im Rahmen der Sparbemühungen lädt die Zentralregierung in Rom die Last in den Rathäusern ab. 30 Euro je Einwohner haben die Kommunen als Folge weniger.


Landrätin Sonia Masini schilderte, wie in ihrer Provinz für die Menschen in den 45 Kommunen ein Krisenpaket geschnürt worden war. Unter dem Motto "sozialer Stoßdämpfer" wurden die Mindestlöhne für Arbeiter, die wegen mangelnder Aufträge ihrer Firmen zuhause bleiben mussten, von der Gemeinde aufgestockt, die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds vor allem für Ausbildung und Umschulung sind "optimal" genutzt worden, zudem legte die Provinz zusammen mit der Handelskammer ein Programm für zinsgünstige Darlehen zugunsten kleiner und mittlerer Betriebe auf. Schließlich gab es Bemühungen, Frauen zu unterstützen, die sich selbstständig machen wollten. "Wir waren damit allein auf uns gestellt", sagte die Landrätin, die es paradox fand, dass ein zentralistisch ausgerichteter Staat wie Italien den Kommunen in der Wirtschaftskrise keine zusätzlichen Gelder gab - im Gegensatz zu einem förderalen Staat wie Deutschland. Derzeit versucht die Provinz in einem Pilotprojekt Schlupflöcher im Steuersystem zu stopfen und zu sichern, dass die Hilfen auch wirklich diejenigen erhalten, für die sie gedacht sind.


Von großer Besorgnis fürs Jahr 2012 sprachen die Bürgermeister. Denn im Rahmen der Euro-Krise muss auch Italien sparen, doch die Regierung setzte den Rotstift bei den Kommunen an. Die Städte und Gemeinden verfügen über drei Einnahmequellen: Grundsteuer, Infrastrukturbeiträge (Erschließungsbeiträge) und Zuweisungen des Staates über die Regionen. Rom kürzte nun diese Zuweisungen und verpflichtet zudem die Kommunen, Rücklagen zu bilden, damit der nationale Saldo wieder stimmt. Unterm Strich fehlen je Einwohner 30 Euro, so dass auch die Investitionen leiden.

Ein solcher Informations- und Gedankenaustausch bringt einen wieder zurück auf den Boden. Die Schilderungen der Vertreter unserer Partnerregion zeigen, dass manche Kommunen in Deutschland auf einem hohen Niveau jammern. Und dass wir froh sein sollten über unsere förderale Struktur. Inzwischen sprudeln die Steuerquellen unserer Städte und Gemeinden wieder stärker - der Aufschwung kommt nun auch in den Rathäusern an. Die kommunalen Aufträge halfen mit, dass die Wirtschaft besser über die Krise kam. Italiens Kommunen werden dagegen nun von der Euro-Krise eingeholt, ausgelöst auch durch die schlechteren Ratingbewertungen der Staatsanleihen ihres Landes. Allerdings wissen auch die deutschen Städte und Gemeinden, dass es sie auch wieder ereilen kann, was Bürgermeister Jürgen Kurz (Niefern-Öschelbronn) heute die Achterbahnfahrt der Finanzen nannte. 

Freie Sicht auf die Kelter – das wäre doch etwas



Zaisersweiherstraße 3 (links) und die Kelter

Ein Glücksfall für die Abteilung Lienzingen der Freiwilligen Feuerwehr Mühlacker: Die Stadt konnte im Gewerbegebiet an der Schelmenwaldstraße einen Teil eines Betriebsgebäudes anmieten, das passend ist für die Zwecke der Feuerwehr, einen vertretbaren Mietpreis hat und die Stadt nur einmalige 5000 Euro für bauliche Anpassungen kostet. Bei der Ortsbesichtigung durch den Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik heute Abend zeigten sich die Aktiven ausgesprochen zufrieden mit dieser Lösung, nachdem die jetzige Unterbringung im Gebäude Zaisersweiherstraße 3 seit Jahren unzureichend ist und wir seit langem nach einer anderen Lösung suchen. Allerdings verzichtet die Abteilung nicht auf ihren Wunsch nach einem Neubau – der Druck ist jedoch mit der neuen Unterkunft etwas gewichen.


Aber was geschieht mit dem städtischen Gebäude Zaisersweiherstraße 3? Das bildet natürlich mit der Kelter optisch eine Einheit. Das gehört einfach dazu, so sind wir dieses Bild gewohnt. Doch es müsste gründlich saniert werden. Nach Angaben der Stadtverwaltung wären etwa 400.000 Euro notwendig. Der bauliche Zustand sei insgesamt als schlecht zu bezeichnen: „Es wäre eine umfassende und kostenaufwändige Sanierung des Gebäudes erforderlich.“ Der gesamte Technikbereich, Elektroheizung, Sanitär sowie Fassade, Dach, Fenster, Böden und Treppen seien stark erneuerungsbedürftig. Die Wände seien gegen aufsteigende Feuchtigkeit nicht geschützt. Unter Umständen wäre gegebenenfalls erforderlich, das Gebäude zu unterfangen. Insofern sei fraglich, ob das Gebäude mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand zu halten sei. Der in der Fassade aufgetretene Riss – Grund für meine Anfrage an die Verwaltung, die die neue Entwicklung ausgelöst hatte - ist der Verwaltung bekannt.


In dem Haus sind zwei Wohnungen, die derzeit teilweise auch von der Feuerwehr genutzt werden. Es wohnt niemand mehr darin.
Der Ratsausschuss hat sich heute Abend darauf verständigt, das Gebäude abbrechen zu lassen. Der Sanierungsaufwand steht in keinem Verhältnis zu eventuellen Mieteinnahmen aus zwei Wohnungen. Ich habe aber darauf gedrängt, vorher zu klären, wie die städtische Fläche genutzt werden kann, damit sie nicht zur Dauerbrachfläche wird. Bis vor wenigen Jahren stand im rückwärtigen die Milchsammelstelle, die auch der Spitzhacke zum Opfer gefallen war. Es ist also eine Fläche vorhanden, die entweder für ein neues Gebäude verwendet werden könnte und deshalb an einen Investor verkauft wird. Oder wir schaffen dort einen kleinen Ortsplatz und dies in Verbindung mit dem Keltervorplatz, zum Beispiel auch für Dorffeste. Bei der Bürgerbeteiligung über den Rahmenplan Ortskern Lienzingen im Jahr 1997 war ein solcher Ortsplatz im Bereich Bäckerei Schmid/Friedenstraße vorgeschlagen worden, doch dort steht keine Fläche zur Verfügung. Jetzt hätten wir die Chance, das Gelände bei der Kelter dafür zu nutzen.


Der Abbruch von Zaisersweiherstraße 3 und der Verzicht auf eine Neubebauung könnte die Kelter stärker betonen und ins Blickfeld rücken. Im Gegensatz zu dem Wohnhaus ist die Kelter historisch wertvoll und ein Denkmal. Die Kelter mit ihrem charakteristischen Walmdach stammt aus dem Jahr 1789, stand einst südwestlich des Ortes mitten in den Weinbergen und wurde bereits 1897 an ihre heutige Stelle versetzt. „Sie kündet gemeinsam mit zahlreichen, großen Gewölbekellern unter den Hausbauten von dem ehemals ertragreichen Weinbau in Lienzingen“ (Tilmann Marstaller). Freie Sicht auf die Kelter – das wäre doch etwas. "Freie Sicht auf die Kelter – das wäre doch etwas" vollständig lesen

Lokale Beteiligungskultur stärken

OB Frank Schneider hat dieser Tage im Interview mit dem Mühlacker Tagblatt gesagt, er persönlich wolle eine Entscheidung über die Zukunft des Mühlehofs noch in diesem Jahr. Damit liegt er auf einer Linie mit der Meinung der CDU Mühlacker. Die Gemeinderatsfraktion strebt an, dass Klarheit noch im Oktober geschaffen wird, aber spätestens vor Weihnachten 2011. Im Vorfeld hat die Stadt eine breite Bürgerinformation und -beteiligung ermöglicht. Das Bürgerforum im Internet ist inzwischen geschlossen, die Ergebnisse und Bewertungen sollen noch im September dem Gemeinderat vorgelegt werden. Da bin ich beim Stichpunkt Bürgerbeteiligung. In einem Beitrag für die Berichte des Deutschen Instituts für Urbanistik hat Professor Dr.-Ing. Klaus J. Beckmann unter der Überschrift "Die Straße gegen die Räte?" über die Kommunikation zwischen den Bürgern und den politisch Verantwortlichen geschrieben. Dabei zeigt, dass wir in Mühlacker einen Weg gegangen sind, der richtig ist: Breite Informationen und öffentliche Debatte. Und wie fällt die Reaktion nach einer Entscheidung des Gemeinderats aus?  Werden auch diejenigen, die auf einen anderen Beschluss hoffen, das Resultat akzeptieren? Dazu Beckmann:

 "Dennoch wird mangelnde Beteiligung be­hauptet, fehlerhafte Abwägung vermutet oder auch Abhängigkeit unterstellt. Dies ist zwar bei genauer Betrachtung oft nicht tatsächlich gegeben, aber angesichts der Komplexität der Projekte, langer Planungslaufzeiten, verän­derter Rahmenbedingungen verständlich."

Lokale Beteiligungskultur zu stärken, ist das Ziel. Wer macht mit? Die Zahl derjenigen, die das Bürgerforum nutzten, hätte sicherlich größerr sein können. Und die 300 bis 400 Besucher der Bürgerversammlung zum Mühlehof waren mehr, als manche vorher meinten. Trotzdem: Was ist mit denjenigen, die sich nicht äußern? Beckmann schreibt zu den aktiven und nichtaktiven Bürgern: 

"Dabei ist darauf zu achten, dass das Beteili­gungsinteresse, die Beteiligungsfähigkeit und die faktischen Beteiligungsmöglichkeiten unter Umständen stark sozial segmentiert sind: Beteiligung der 2/3-Gesellschaft der „Wohlhabenden“, der „Zeit-Reichen“, der „Beteiligungserfahrenen“, der „Bildungsbür­ger“ und Nicht-Beteiligung der ethnisch, sozial, ökonomisch und altersstrukturell Benachteiligten. 

Die Aufgaben der lokalen Politik und Verwaltung liegen aber gerade im Bereich der Daseinsvorsorge, der Fürsorge, des Schutzes und der Befähigung der Schwächeren. Dies darf bei verstärkter Anwendung von plebiszi­tären Elementen nicht verloren gehen, denn dies macht gerade auch Stadt aus: Gegenseitigkeit, Unterstützung, Fürsorge und Vor­sorge, Solidarität und Integration."

Hier gibt es den gesamten Text zum Herunterladen:  difu_2-11_Standpunkt.pdf

Wo die meisten Fahrzeuge rollen - Zählstellen in Mühlacker und ihre Ergebnisse



In den Füßen einzelner Leitpfosten sitzen die Zählgeräte.


Immer wieder ein Thema auch in der Stadtpolitik: Die starke Verkehrsbelastung vor allem auf Ortsdurchfahrten. Wie viel Fahrzeuge rollen eigentlich auf einzelnen Straßenabschnitten? Zahlen dazu lieferte jetzt das Verkehrsmonotoring der Straßenverkehrszentrale Baden-Württemberg (SVZ) für die Landes- und Kreisstraßen unter anderem für den Enzkreis und somit auch für Mühlacker. Die Zahlen stehen im Internet und können für jede  automatischer Zählstelle im Land abgerufen werden. Ein transparentes Datenwerk. 
Erstmals sind es die Ergebnisse der automatischen Verkehrszählung: Die Zählgeräte sitzen quasi im Fuß von Leitpfosten an den Straßenrändern. Baden-Württemberg ist Vorreiter im Bundesgebiet. In den Jahren 2000 und 2005 ließ das Land noch manuell zählen - neueste Daten gab es erstmals nach jeweils fünf Jahren. Mit dem neuen Verfahren lassen sich die Ergebnisse jedes Jahr aktualisieren, so dass sie auch für Debatten um Verkehrsbelastungen weitaus brauchbarer sind als bisher. Einwände wie "das sind ja alte Zahlen" entfallen. Die automatische Zählung erfolgt bei Landesstraßen zweimal in einer Woche, bei Kreisstraßen einmal, jeweils rund um die Uhr. Im Enzkreis stehens 102 Zählstellen an Landes- und 63 an Kreisstraßen, wenn auch meist außerorts.


Jetzt sind die Daten für 2010 vorgelegt worden. Auf den Landesstraßen im Enzkreis rollen täglich durchschnittlich 4925 Fahrzeuge, auf den Kreisstraßen 4009. Das sind mehr als im Landesdurchschnitt. Das Landratsamt Enzkreis legte eine Liste der Top 10 vor. Danach ist die Enzstraße in Mühlacker mit durchschnittlich täglich 16.850 Fahrzeugen die am stärksten belastete Landesstraße im Enzkeis, gefolgt von der Ortsdurchfahrt Niefern mit 14.500 Fahrzeugen in 24 Stunden. Bei den Kreisstraßen ist eine Verbindung in Mühlacker auf dem zehnten Rang der Hitliste: Für den Abschnitt zwischen Dürrmenz und Lomersheim werden 4754 Fahrzeuge angegeben (leichter Rückgang).  Die Belastung der Enzstraße ist unverändert hoch: 2000: 16.038, 2005: 16.591. Mit jedem Baugebiet in Dürrmenz wird er zunehmen. Den aktuellen Anteil des Schwerlastverkehrs gibt die SVZ mit 2,8 Prozent an.
 


Und sonst?
 


Von der Enzbrücke in Dürrmenz bis Pinache - die Landesstraße 1134 - rollen 3191 Fahrzeuge, davon sind 3,4 Prozent Schwerlastverkehr (2000: 4197, 2005: 4340).
Von Enzberg West (Einmündung der Straße nach Dürrn) bis Ötisheim Süd - die Landesstraße 1173 - waren es 2681 Fahrzeuge, davon 4,1 Prozent Schwerlaster. Die Verkehrsbelastung nahm nach Angaben der Straßenverkehrszentrale ab: 2000 waren es 4227 Fahrzeuge, fünf Jahre später 3581.
Ein eigener Abschnitt reicht von der Einmündung der Osttangente in die B 10 oberhalb von Mühlacker über die Osttangente bis zur B 35 nach Lienzingen (Landesstraße 1134). Hier werden 5166 Fahrzeuge angegeben, eine glatte Halbierung seit 2000. Der Schwerlastverkehr beträgt aktuell 4,3 Prozent. Indessen: Hier lohnt sich nachzuschauen, wo das Zählgerät steht, nämlich entlang der Osttangente. Der Verkehr zwischen Lienzingen und Kernstadt über die Lienzinger Straße in Mühlacker wird somit nicht erfasst. Eine eindeutige Schwachstelle. Der Enzkreis will ein zusätzliches Gerät zwischen B 35 und Kreisverkehr auf Höhe Heidenwäldle aufstellen, um ein aussagekräftigeres Bild zu erhalten.


Ein Zählgerät steht auch am Ortseingang von Lienzingen (Landesstraße 1134) und weist für die Friedenstraße 5995 Fahrzeuge (davon drei Prozent Schwerlastverkehr) aus. Vergleichszahlen zu 2000 und 2005 fehlen. Kein Wunder, dass es bei solchen Zahlen immer wieder Beschwerden von Anwohnern gibt - genauso wie in Enzberg an der Kieselbronnerstraße und an der Enzstraße. Die Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen, sind eingeschränkt, weil nicht überall Umgehungsstraßen gebaut werden können. Wir müssen aber nach anderen Maßnahmen suchen.


Daten liegen auch für Großglattbach vor: Auf der Landesstraße 1125 sind zwischen der Einmündung der Straße aus Richtung Lomersheim und der Straße nach Serres in Großglattbach 1768 Fahrzeuge durchschnittlich pro Tag gezählt worden, dabei 3,8 Prozent Schwerlaster. 2000: 1758, 2005: 2022. Was den Schwerlastverkehr angeht ist der subjektive Eindruck meist anders: Bisher ist von einem höheren Anteil ausgegangen worden. Hier müssen die Daten noch näher beleuchtet werden.


Die Zahlen für die Bundesstraßen B 10 und B 35 stehen noch aus.


Die Stadtverwaltung sollte die tabellarischen Übersichten mit den weiteren Detaildaten bald aufbereiten und dem Gemeinderat vorlegen. Sich in die Zahlen zu vertiefen, ist auch Aufgabe der Kommunalpolitik. Dazu gehört zu prüfen, welche Schlussfolgerungen - auch verkehrsrechtlich - gezogen werden können, um die Belastungen dort zu reduzieren, wo sie hoch sind. Was fehlt, sind Differenzierung zwischen Ziel- und Quellverkehr im jeweiligen Ort und dem reinen Durchgangsverkehr - dies aber lässt sich nur durch Befragung von Autofahrern erreichen, was mit einem hohen Aufwand verbunden ist. 

Hier eine interaktive Liste der Zählstationen im Enzkreis zum Herunterladen:  0_Zst-Karte_Enzkreis_2010-07-27.pdf

Es ist Zeit für den Historischen Ortsrundgang



Beispiel Weinheim

Seit bald drei Jahren wird daran - beiliebe nicht pausenlos - gearbeitet, ohne dass er bisher umgesetzt ist: der historische Ortsrundgang durch das alte Lienzingen. Dabei hatte alles mit einer Anfrage von mir an die Stadtverwaltung begonnen, ob bei der Frauenkirche eine Tafel mit den wichtigsten historischen Daten angebracht werden kann. Das war die Anregung eines Bürgers. Die Stadtverwaltung entwickelte daraus die Idee, dann gleich einen Ortsrundgang auszuschildern. Eigentlich ein guter Vorschlag, wenn er einmal umgesetzt wird. Auf eine erneute Anfrage im Gemeinderat antwortete jetzt Oberbürgermeister Frank Schneider, angesichts der vielen historisch bedeutsamen Objekte in Lienzingen plädiere die Verwaltung weiterhin für ein abgestimmtes Konzept von Informationstafeln beziehungsweise einen Historischen Rundgang für Lienzingen. Das Planungs- und Baurechtsamt ließ zwischenzeitlich verschiedene Gebäude durch den Mittelalterarchäologen Tilmann Marstaller erfassen und – auch im Rahmen der Überlegungen zu einer Gesamtanlagensatzung für den Ortskern – Untersuchungen zum Alter verschiedener Gebäude anstellen. Die Daten liegen seit mehr als einem Jahr vor. Damit sei die Grundlage geschaffen, schreibt der OB. Doch dann wird die erneute Pause begründet: "Leider ruht das Projekt derzeit wegen anderer, vordringlicher Aufgaben. Finanziert werden können weite Teile aus Sanierungsmitteln, wobei insgesamt von überschaubaren Kosten auszugehen ist."

Müssen wir nun bis nach 2015, dem Jahr der Gartenschau warten? Allmählich beschleicht einen das Gefühl. Grund für mich, die Einschaltung eines Fachbüros anzuregen. Denn den Ortsrundgang in Heimarbeit durch das Baurechts- und Planungsamt umsetzen zu lassen, sprengt den Rahmen. Möglicherweise auch den zeitlichen. Dann wird wohl so schnell nichts daraus. 

Dabei gibt es gute Vorbilder. Zum Beispiel in Weinheim. Dezente Tafeln an historischen Gebäuden, die einen schnellen Überblick verschaffen. Das ist nicht nur für Gäste und Besucher interessant. Lienzingen als eine der Perlen des Unterlandes ist immerhin der älteste Stadtteil Mühlackers laut erster urkundlicher Erwähnung. Und hat viel mehr zu bieten als eine stark befahrene Durchgangsstraße. Die Pläne für den Ortsrundgang müssen jetzt zügig umgesetzt werden.

Zwei Städte, viele Gesichter -Impressionen und Schnappschüsse



Eine Bildkomposition mit Fachwerkgiebeln aus unserer Stadt, aufgenommen von Nazzareno Berton vom Fotoclub Romano.


Eine sehenswerte Fotoausstellung wurde gestern Abend von OB Frank Schneider im Rathaus Mühlacker eröffnet. Etwa 80 Arbeiten von Mitgliedern des Fotoclubs Romano d' Ezzelino bei Bassano sowie der Film- und Fotogemeinschaft in der Volkshochschule Mühlacker sind im Foyer bis 16. September zu sehen. Nächstes Jahr sollen die Bilder in Bassano gezeigt werden. Was dieser Schau einen zusätzlichen Reiz verschafft, drückt schon der Titel aus "Zwei Städte, viele Gesichter". Die Fotografen aus unserer Partnerstadt Bassano del Grappa suchten mehrere Tag in Mühlacker nach Motiven, die Senderstädter taten dies in Bassano. Entstanden sind Einblicke in das Seelenleben beider Kommunen. Nicht die üblichen, sondern ganz und gar ungewöhnliche Motive ziehen die Blicke an. Fasziniert hat mich, wie die Spindel - das Ausfahrtsbauwerk der Tiefgarage am Rathaus zur Hindenburgstraße - geradzu künstlerisch erfasst werden kann. Wer diese Aufnahmen sieht, staunt zunächst und ist dann begeistert. Mühlacker erscheint als bunte und vielfältige Stadt. Und was wir selbst übersehen, weil wir es so oft gesehen haben, wird nun aus einem besonderen Blickwinkel heraus "aufgearbeitet": Eine Foto-Komposition von Fachwerkgiebeln, die zum Gesamtkunstwerk wird, aber auch vier Varianten mit Szenen vom Alltagsleben am Erich-Fuchslocher-Platz, der Blick durch den Maschendraht von der alten Eisenbahnbrücke zu den alten Bahnhäusern, die ganz farbenprächtig erscheinen und eingebettet sind in die Kulisse aus Lindach-Wohngebiet und Wasserturm. 


Auch wer seit Jahren nicht mehr in Bassano war wie ich oder die Stadt nur aus der Zeitung kennt, würde sich gleich liebendgern ins Auto oder in die Bahn setzen, um das alles rasch selbst zu betrachten, was die Mühlacker Fotografen an Schönheiten der Kommune und von der Lebensfreude der Menschen mit der Linse eingefangen haben. Es sind nicht nur der Marktplatz und die Kapelle auf dem Monte Grappa oder die Dachlandschaften, sondern auch die Szenen aus dem Alltag: so sonntägliche Kirchgänger nach dem Gottesdienst, denen der Wind den Regenschirm weg zu wehen droht. Aber auch eine Komposition aus verschiedenen Steinen mit dem schönen Titel "Milestone". Oder die Kugel vor der Brücke. Oder Farbe als Wohltat für die Augen. 


Perspektiven des Lebens in beiden Städten nach mehr als 35 Jahren Partnerschaft; Impressionen und Schnappschüsse, die zu sehen sich lohnen. Also: Auf ins Rathaus! Das hat derzeit mehr zu bieten als Amtsstuben und den Gemeinderat.

Plötzlich stehen die Schnecken da



Schnecken im Doppel: Vor dem Park in Sirmione, der den Namen der berühmten Sängerin Maria Callas trägt.

Darf's ein kleines Mitbringsel aus dem Urlaub als Einstieg zu neuen Blog-Beiträgen nach der Ferienpause sein? Schnecken - pinkfarben und blau. Wenn ein Lienzinger in Sirmione am Südufer des Gardasees plötzlich überdimensionierte Schnecken vor sich stehen hat, wird es ihm heimelig ums Herz. Denn Schnecken, das ist der Spitznamen für die Lienzinger. Die Grundschule hegt und pflegt den Kosenamen durch bunte symbolisierte Schnecken, der städtische Kindergarten nennt sich Schneckenhaus. Und dann das! So richtig große Schnecken vor dem historischen Stadtbild des 8000 Einwohner zählenden Städtchens in Italien. Als Kunstaktion, die sogar kreispolitisch einen Anknüpfungspunkt schafft: Sie sind als Kunstwerke hergestellt aus recyceltem Plastik (und davon gibt es in den grünen Tonnen im Enzkreis genügend). Die sechsköpfige Künstlergruppe Cracking Art Group, bestehend vor allem aus Italienern, will mit diesen ungewöhnlichen Figuren die städtische Routine unterbrechen. Die Schnecken laden zum Klettern ein, zum Betrachten, zum Ausruhen und zum Wundern. Und bringen zusätzlich Farbe ins Stadtbild. Aufgestellt worden sind sie am 18. November 2010 gleichzeitig in Miami und Mailand, Monate danach auch in Sirmione: Die Schnecke steht fürs Hören (die Schnecke in der Ohrmuschel), fürs Wohnen (die Schnecke trägt ihr Haus ständig mit) und für den technischen Fortschritt (@ - der Klammeraffe - wird im Italienischen Schnecke genannt). Eigentlich eine ganz und gar (kommunal)politische Sache.



Schnecken als Kunstobjekte. Eine neue Sichtweise für die Lienzinger Schnecken.