Tagesreisen und Leserechte im Verwaltungsgestrüpp

Was es so alles gibt in unserem wohlgeordneten Staatswesen. Oder ist es das nicht mehr - ich meine, wohlgeordnet? Hier eine kleine Geschichte.

Dazu aber die Vorgeschichte, um alles zu verstehen:

Der Enzkreis soll sich bei der Agentur für Arbeit dafür einsetzen, dass deren Familienkasse in Nagold auch Sprechstunden in Pforzheim anbietet. Das forderte Anfang Mai die CDU-Kreistagsfraktion in einem Antrag für den Jugendhilfeausschuss. Andreas Felchle (Maulbronn), stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher der Union im Jugendhilfeausschuss, schrieb in der Antragsbegründung von einem „berechtigten Anliegen“. In jüngster Zeit seien mehrfach Mitglieder der CDU-Fraktion auf ernsthafte Schwierigkeiten angesprochen worden, die daraus resultieren, dass die für Kinderzuschlag zuständige Familienkasse bei der Agentur für Arbeit in Nagold angesiedelt ist - auch für Einwohner des Enzkreises. Felchle: „Wir sind der Meinung, dass es ohne großen Aufwand, nicht zuletzt ohne zusätzliches Personal möglich sein muss, Frage- und Antragstellern aus dem Enzkreis „Tagesreisen" nach Nagold zu ersparen, indem in Pforzheim wenigstens eine „Sprechstunde" eingerichtet wird.“ Es genügten wahrscheinlich wenige Stunden pro Woche an einem Tag, zu denen ein Agentur-Bediensteter zur Verfügung steht - der heutzutage keine „Aktenberge um sich herum" benötige, sondern Telefon, E-Mail und Fax besitze, um sich mit den „Spezialisten" in Nagold in Verbindung zu setzen. Dafür solle sich der Enzkreis bei der Arbeitsverwaltung einsetzen.

Eigentlich ein klares Anliegen, das die Kreisverwaltung in einem Brief an die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Agentur für Arbeit aufgriff.

Aber damit beginnt eine kleine bürokratische Farce. Denn, wie heute aus dem Landratsamt Pforzheim mitgeteilt wurde, bekam die Kreisverwaltung in einem Gespräch mit dem Leiter der Arbeitsagentur in Pforzheim die Information, dass die Bundesanstalt für Arbeit (BA) keinen Einfluss auf die örtlichen Strukturen der Familienkasse hat, seit die Familienkasse durch die Neuorganisation 2005 ein eigenständiger Geschäftsbereich innerhalb der Nürnberger Zentrale ist. Einem Schreiben nach des Leiters der BA-Familienkasse an das Sozialministerium Baden-Württemberg besteht für die BA-Familienkasse kein Handlungsbedarf für den Enzkreis. Der Leiter der Pforzheimer Agentur hatte der Regionaldirektion gegenüber die Bereitschaft signalisiert, ein Beratungsangebot (ohne Sachbearbeitung) in Pforzheim vorzuhalten.

Wenigstens ebbes.

Doch der Haken folgt auf dem Fuße. Die Umsetzung scheitert daran, dass die Agentur für Arbeit kein Leserecht in den Datensätzen der Familienkasse hat. Dieses Problem lässt sich nur auf Bundesebene angehen.

Wow. Alles könnte so einfach sein, wenn wir uns nicht im Verwaltungsgestrüpp verlieren würden.

Jetzt sind die Bundestagsabgeordneten gefordert. Und nur, weil die Arbeitsagentur Bahn AG spielt. Die Bahn AG ist inzwischen ob ihrer Vielzahl eigenständiger Tochtergesellschaften gefürchtet. Damit ist doch alles unter einem (Konzern-)Dach und könnte so einfach sein.