Bahntag: Deutschland im Takt?



Mit der Bahn fahren, ohne zuvor in den Fahrplan schauen zu müssen? Und nebenbei noch ein einheitliches Fahrpreissystem im ganzen Bundesgebiet? Davon träumt die Initiative Deutschland-Takt. Die Europäische Metropolregion Stuttgart würde das Projekt liebend gern ausprobieren.
"Wir könnten Labor für den Deutschland-Takt werden", sagte heute Dirk Büscher, Direktor des Regionalverbandes Nordschwarzwald. Es war der erste Bahntag der Europäischen Metropolregion Stuttgart (EMR), die das Herzstück des Landes Baden-Württemberg umfasst. In dem Gebiet, in dem fünf Millionen Menschen leben, seien Fahrzeit und Taktdichte für die Fahrgäste neben dem Tarif ausschlaggebend, sagte Jeannette Wopperer, Regionaldirektorin des Verbands Region Stuttgart.

Die Initiative Deutschland-Takt ist ein loser Zusammenschluss von Fachleuten, Fahrgast- und Umweltverbänden sowie Verkehrsunternehmen. Ideal sei es, zwei Takte miteinander zu verbinden, betonte Hans Leister, einer der Verfechter des Deutschland-Takts, der alle größeren Städte im Stundenrythmus anbinden wolle.
Bei einem solchen Fahrplan verkehren die Züge in regelmäßigen Zeitabständen, zum Beispiel im Stunden- oder im Halbstundentakt. Zugleich sind die Züge so verknüpft, dass alle - unabhängig von der Fahrtrichtung - an wichtigen Knotenbahnhöfen immer zur annähernd gleichen Zeit eintreffen und wieder abfahren. Hierdurch sollen optimale und schnelle Umsteigemöglichkeiten entstehen, sagte Leister. Heute sei das Umsteigen noch mit langen Wartezeiten verbunden. Dies sei für die Reisenden ärgerlich und halte viele Menschen von der Nutzung der Eisenbahn ab. "Wer den Takt und seine Zeiten kennt, braucht keinen Fahrplan mehr."

Vorbild ist die Schweiz, die ihr Bahnnetz an einem idealen Fahrplan ausgerichtet habe und nicht umgekehrt, so Leister. Notwendig gewesen seien Neubaustrecken, aber auch viele kleine Maßnahmen an vorhandenen Linien. Der Erfolg: stark gestiegene Fahrgastzahlen. Die Eidgenossen planten nun im Projekt "Bahn 2030" einen minutengenauen Fahrplan. "Die Schweiz ist Weltmeister im Bahnfahren." Baden-Württemberg und Bayern böten beim Nahverkehr gute Voraussetzungen für einen solchen Takt, sagte Leister. "Doch bei der Bahn AG ist die Diskussion darüber verboten." Die Lobbyisten des Deutschland-Takts fordern klare Vorgaben des Bundes an die Bahn als Eigentümer des Unternehmens. Die Bundesregierung hat die Prüfung der Takt-Einführung zugesagt. Dass die Bahn AG aber eher dazu neigt, Bahnlinien einzustellen, wenn Nachfrage fehlt statt die Benutzung der Schiene attraktiver zu machen, ließ Werner W. Klingberg, Konzernbevollmächtigter für Baden-Württemberg der DB AG erkennen. Wenn die Europäische Union gar einen Vorrang für den internationalen Güterverkehr fordere, mache das jeden Takt kaputt. Er bezweifelte, dass sich in diesem Punkt Deutschland mit der Schweiz vergleichen lasse.

Ex-Bahn-Chef Dr. Heinz Dürr riet als Moderator zur Beseitigung der Zweiteilung Nah- und Fernverkehr. Er kritisierte, der Eigentümer Bund mache der Bahn AG keine Vorgaben. "Und die Bahn versteht sich mehr als internationaler Logistiker, der lieber Lagerhallen in Singapore baut als die Strecke Stuttgart-Tübingen zu verbessern."

Die Europäische Metropolregion Stuttgart umfasst als Kern die Region Stuttgart. Dazu gehören aber auch die Nachbarregionen Heilbronn-Franken, Ostalb, Neckar-Alb und Nordschwarzwald. Ihre Aufgabe ist es, den Großraum im europäischen Wettbewerb durch konkrete, von den Akteuren vor Ort umzusetzende Projekte zu stärken. Die Europäische Metropolregion Stuttgart ist im Landesentwicklungsplan rechtlich abgesichert.

Heute waren auch Mitglieder der Regionalverbandsversammlung Nordschwarzwald beim Bahntag sowie Vertreter von Enzkreis und Stadt Mühlacker.

Die Metropolregion Stuttgart wird seit 2008 bis Mitte 2010 im Rahmen des Modellvorhabens der Raumordung (Moro) "Überregionale Partnerschaften- Innovative Projekte zur stadtregionalen Kooperation, Vernetzung und gemeinsamen großräumigen Verantwortung" als eine von insgesamt sieben Modellregionen gefördert. Es handelt sich dabei um Forschungsprogramm des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, mit dem Beispiele für überregionale Partnerschaften zwischen städtischen und ländlichen Regionen finanziell und inhaltlich unterstützt werden. Der Bahntag fand im Rahmen von Moro statt.