Kulturlandschaft im Paradies

Daniel Bachmann: Literatur im Rinderstall.

Strohballen zum Sitzen auch fürs Theaterpublikum.


Er habe noch nie vor so vielen Rindviechern gelesen, gestand der Stuttgarter Schriftsteller Daniel Bachmann und hatte die Lacher trotzdem auf seiner Seite. Denn Bachmann las heute vor zwei- und vierbeinigem Publikum tatsächlich im Rinderstall. In dem des Landwirtes Frank Martin, einem Aussiedlerhof in Wiernsheim und damit einer Gemeinde des Heckengäus. "Literatur im Stall" hieß das Programm, veranstaltet vom Enzkreis im Rahmen seiner Reihe Kulturlandschaften. Bachmann trug aus seinem Roman "Raus aus der Provinz" vor, die Geschichte von Ratze Pukofel, der aus dem Nordschwarzwald stammt und erfolgreicher Rockmusiker werden will. Der Autor wurde jedenfalls mehrfach durch kräftiges "Muh!" der Rinder - um es positiv zu sehen - angefeuert.

Schon Wiernsheims Bürgermeister Karl-Heinz Öhler wertete die lautstarken "Wortmeldungen" der Rinder als Zustimmung: Er schilderte zu Beginn, was es heißt, eine Kulturlandschaft zu erhalten, plädierte für Kirschbäume auch entlang öffentlicher Straßen und empfahl, lieber einmal Kräutermischungen zu säen als nur Grassamen. Als Junge habe sich seine Mutter am meisten über einen bunten Blumenstrauß gefreut, verriet er am Tag seines Geburtstags. Was er zu sagen hatte, passte genau in die Landschaft, in dem der 1997 gebaute Aussiedlerhof Martin liegt: Inmitten von Äcker und Wiesen, Streuobstbeständen und dem freien Blick auf den Horizont. Dass heute auch noch blauer Himmel und Sonnenschein das Wetter prägten, gab allem eine besondere Note. Die Adresse der Famile Martin - Beim Paradies 1 - hätte heute Sogar Im Paradies heißen dürfen.

Doch zurück zum Programm: Sonja Leicht las im Pferdestall die Geschichte vom Zebramädchen Nanela, Brigitte Wenzel lud in den Hühnerstall ein - passend zum Vorlesen aus ihrem Buch "Alarm im Hühnerstall". Im Heuschober gab es "den kleinen Bär". Matthias Hautsch begleitete die Lesungen mit der Gitarre, wobei eine Rockeinlage im Rinderrevier doch zeitweise Unruhe bei den Tieren auslöste.

Sonja Leicht und Brigitte Wenzel sorgten für besonderen Lokalkolorit: Beide sind in Wiernsheim aufgewachsen und engagieren sich in der Autorengruppe "Federleicht".

"Ein Schaf fürs Leben" hieß es - passend! - am Schafstall. Markus Löchner spielte so gekonnt den Wolf, dass bei seinem Auftritt ein paar kleine Kinder aus Angst schreiend die Vorstellung verließen. Obwohl der "Wolf" versicherte, keine Kinder zu fressen, sondern nur Schafe. Und auf das Schaf (Meike Anna Stock) hatte er es abgesehen. Doch irgendwann verging ihm der Appetit, weil sich eine kleine Freundschaft entwickelte. Das Stück hatte im vergangenen Dezember Premiere im Podium des Stadttheaters Pforzheim.

Stühle waren jedenfalls bei keiner der Lesungen und Vorführungen notwendig: Strohballen boten stabile Sitzgelegenheiten.

Ein wunderbarer Kulturnachmittag war's: Am 17. Juli findet eine Neuauflage mit "Museen und Kunst im öffentlichen Raum" (Pforzheim/Knittlingen/Mühlacker) statt und am 2. Oktober schließt das 2010-er Programm im Holzbachtal (Gemeinde Straubenhardt) im Sägewerk Jäck mit Kunstaktionen um den Rohstoff Holz.

Das Landratsamt als Organisator schafft so ein kleines, aber feines Stück (Kreis-)Kulturpolitik. Einmal, um die vielfältigen Kulturlandschaften vorzustellen (Kraichgau, Nördlicher Schwarzwald, Stromberg und Heckengäu), zudem um das alles verbindende Band der Sympathie zwischen den Kreisteilen zu knüpfen (man könnte auch sagen: Ein Wir-Gefühl zu stärken) und gleichzeitig kleine Haltepunkte zu bieten, um ein paar Stunden die Seele baumeln zu lassen. Würde auch noch das Enztal und damit das Element Wasser einen eigenen Beitrag erhalten, wäre alles eine ganz runde Sache.



Sind nicht auch andere Abgeordnete ein bisschen Rülke?

Stellen die Kommunen im Enzkreis ihre Anträge für Gelder aus dem Landessanierungsprogramm beim Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke? Seit wann ist der Abgeordnete gleichzeitig zuständige Behörde für die Sanierungsmittel? Gibt es in Baden-Württemberg keine Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive? Fragen, die sich mir heute gestellt haben, als ich online las, dass Rülke die neueste Verteilung der Sanierungsmittel mitgeteilt habe, wohl auch den einzelnen Bürgermeistern.

Doch: Rülke ist nicht die Genehmigungsbehörde, das Wirtschaftsministerium nicht das Eigentum der FDP. Auch wenn man dies gelegentlich meinen könnte.

Die Kommunen reichen ihre Anträge übers jeweilige Regierungspräsidium ans Wirtschaftsministerium ein, das letztlich entscheidet. Und deshalb ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass das Ministerium heute auch die Liste der genehmigten Anträge vorlegte. Ergänzt durch eine jeweils separate Pressemitteilung für die einzelnen Stadt- und Landkreise. Alles den Redaktionen portionsgerecht präsentiert. Doch die Vorab-Info ging an Rülke.

Das ist eine lästige Vermengung zwischen Staats- und Parteigeschäften. Nichts dagegen zu sagen wäre, wenn ein Abgeordneter sich persönlich für einen Antrag eingesetzt hat, weil die zuständige Behörde nicht richtig wollte. Einen solchen Erfolg zu vermelden, ist seriös. Nicht aber, nur aber den guten Onkel zu spielen, obwohl diese Rolle eigentlich den Beamten in Regierungspräsidium und Ministerium gebührt, die sachgerecht entscheiden - um übrigens unser, des Steuerzahlers Geld zu verteilen.

Mühlacker bekommt zusätzlich 990.000 Euro für das Sanierungsgebiet Dürrmenz. Die Stadtverwaltung hatte dies in Gesprächen mit dem Regierungspräsidium abgestimmt und war dort auf ein positives Echo gestoßen. Von der zuständigen Behörde kommt dann der eigentliche Bescheid. Aber da ist die Nachricht schon draußen. Vom Überbringer Rülke.

Doch sind nicht auch andere Abgeordnete, selbst der CDU, ein bisschen Rülke?