Die Alternative

Als Chorleiter in seiner heimischen Neuapostolischen Kirchengemeinde schwingt er schon mal den Taktstock, um Disharmonie zu verhindern: Der neue Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau wird Missklänge zwischen Kreistag und Kreisverwaltung vermeiden wollen, wenn er vom 1. Februar 2018 an den Takt im Pforzheimer Landratsamt angeben wird. Zunächst unterschätzt, holte der Noch-Bürgermeister der 4500-Seelen-Gemeinde Engelsbrand und Kreisrat der Freien Wähler in der Endphase vor der Wahl auf. 

Vor allem SPD und Grüne wollten neben einem CDU-OB in Pforzheim nicht auch noch einen CDU-Landrat, obwohl Mitbewerber Dr. Björn Kleih zwar das christdemokratische Mitgliedsbuch besitzt, aber das Gegenteil eines Parteisoldats ist. Die Ursache ist im Oberzentrum zu suchen. Wenn im Pforzheimer Rathaus gerade in dieser Zeit wieder heftig gestritten wird und daraufhin im Kreistag die Meinung wächst, dieser parteipolitische Streit solle nicht auf den Enzkreis überschwappen, schwinden die Chancen selbst eines unabhängigen Geistes wie Kleih. Auch wenn ihm selbst von Rosenau-Wählern höchste Kompetenz fürs Amt bescheinigt wird. Unter Wert geschlagen.

Die Lust in Parteien, lieber auf einen Parteilosen zu setzen, wenn die Konkurrenz - hier die CDU - einen eigenen Bewerber unterstützt, müsste eigentlich junge Menschen von einem Parteieintritt abhalten, um nicht später beruflich in eine solche Situation zu geraten. Parteilosigkeit schmückt mehr als abgestempelt zu sein. Dass dann auch noch gestreut wurde, hinter allem stecke eh der Mappus, verschreckt, auch wenn der frühere Ministerpräsident zu keiner Zeit an der Personalentscheidung der CDU-Kreistagsfraktion beteiligt war. Doch dieses Feindbild wirkt stärker als die noch vor Wochen in der Breite des Gremium vorhandene Überzeugung, diesmal müsse unbedingt ein Externer auf den Chefposten im Kreishaus. Dem setzte Rosenau geschickt ein vor allem emotional starkes Wir-Gefühl entgegen, sendete die wirkungsvolle Botschaft an den Kreistag, einer von Euch zu sein, präsentierte sich als Kommunaler und damit als Kontrast zu einem, der in der Landesverwaltung seine Meriten erwarb - eine Laufbahn beim Land, wie gemacht, um Landrat zu werden. Bilderbuchkarriere heißt das.  Die Wahl von Rosenau ist ungewöhnlich: Bauamtsleiter, dann Bürgermeister, jetzt Landrat. Erstmals steht kein Jurist an der Spitze des Landkreises, kein höherer Laufbahn-Beamter, dafür ein kommunaler Praktiker. 

Bastian Rosenau nach seiner Wahl zum Landrat

Kein offenes Rennen war es auf der Zielgerade: 36 für Rosenau, 18 für Kleih. Als Kleih-Wähler räume ich mit Hermann Hesse ein: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne - gerade bei einem, der nicht in das landläufige Karriere-Schema für den Verwaltungschef einer Kreisbehörde für fast 200.000 Menschen passt.

Wie man es auch betrachtet: Die einzige Partei, die in dem zum 1. Januar 1973 gebildeten Enzkreis, jemals einen Landrat stellte, ist die CDU - mit Werner Burckhart  (1995 bis 2003), der zuvor Erster Landesbeamter des Kreises war, trotzdem den Sieg erst im dritten Wahlgang erringen konnte. Sein Vorgänger Dr. Heinz Reichert sowie seine Nachfolger Karl Röckinger und Bastian Rosenau sind parteilos, in einem Kreistag kein Nachteil, bei dem keine Fraktion dominiert. Indessen: Als einzige Partei schickte die CDU immer dann einen Bewerber ins Rennen, wenn der Posten frei  wurde. Das war schon 1972 bei der Wahl des Amtsverwesers für den jungen Landkreis so: Dr. Manfred Oechsle scheiterte an drei Stimmen, die Reichert - vormals Erster Landesbeamter im aufgelösten Kreis Vaihingen - mehr verbuchte. Oechsle war zuvor Landrat des Kreises Münsingen, der der Kreisreform zum Opfer fiel, wurde nach seiner Niederlage im Enzkreis für viele Jahre Oberbürgermeister in Reutlingen. Als ihr Mitglied Burckhart 2003 in den Ruhestand ging, mischte der damalige Parlamentarische Berater der CDU-Landtagsfraktion, Robert Hahn aus Pforzheim, bei der Entscheidung über die Nachfolge mit, doch der Unionsmann kam über 21 Stimmen (von 56) im dritten Wahlgang nicht hinaus, den Kreisverwaltungseigengewächs Karl Röckinger aus Engelsbrand für sich entschied. Freie Wähler und SPD hebelten gemeinsam die Union aus. Hahn wurde später Bürgermeister. Wo? In Reutlingen. Ob Björn Kleih nach dem Gesetz der Serie dort auch landet?

Landratswahlen seit 1972 im Enzkreis:    LR_Wahlen_1972_2017_n.pdf              (Quelle: Kreisarchiv)

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