Mein Stromer und der Winter




Eine Stromtankstelle entsteht in der Rathaus-Tiefgarage Mühlacker

Eine kleine Anleihe sei mir gestattet: Mein Stromer läuft und läuft und läuft. Nur erreichen die  Elektroautos bei weitem nicht die Zahlen des Laufwunders Käfer. Selbst die staatliche Prämie zum Kauf eines E-Mobils sorgte nicht für ein Verkaufswunder. Seit dem 2. Juli wurden beim für den Zuschuss zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) dessen Angaben zufolge gerade einmal 9.023 Anträge auf Staatsknete zum Kauf eines E-Autos oder Plug-in-Hybrid-Fahrzeugs gestellt.  Reine Elektroautos werden mit 4.000 Euro gefördert, Plug-in-Hybride – also Autos mit einer Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor plus extern aufladbarer Batterie – mit 3.000 Euro. Die Diagnose für die Zurückhaltung ist immer die gleiche: Attraktivere Pkw-Modelle mit mehr Reichweite und ein dichteres Ladestationennetz sind notwendig. "Die beiden Themen gehören zusammen, in beiden sehe ich jetzt Bewegung", wird Stefan Bratzel, Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, in der "Zeit" zitiert. Ich will's um einen Punkt ergänzen: Die Ladezeiten müssen kürzer werden. In 45 Minuten von fünf auf 97 Prozent Akkuinhalt bei einer 30-kW-Batterie trotz schnellster Lademöglichkeit zehren an den Nerven bei Leuten im Termin-Stress. Doch: Wer seinen Stromer eher im lokalen und regionalen Bereich nutzt, kommt kaum in die Verlegenheit, einen solchen Zwischenstopp einlegen zu müssen. 

Seit knapp neun Monaten fahre ich meinen 106 PS starken Nissan Leaf, mehr als 14.500 Kilometer hat er schon unter den Rädern. In der Regel reicht das nächtliche Laden an der eigenen schnelleren Elektrotankstelle je nachdem für einen Tag, derzeit sogar schon mal für zwei bis drei Tage. Obwohl ich in meinem ersten Winter mit dem flotten Leaf schon merke, wie Zusatzleistungen für Heizung und Gebläse die Reichweite um knapp 20 Kilometer reduzieren. Der Akkuinhalt schrumpft etwas schneller. Eine volle Ladung reicht noch für 160 bis 175 Kilometer (Spitze im Sommer: 209). Doch da muss man keine Angst haben, liegen zu bleiben. Wer aber in den nördlichen Schwarzwald tourt, sollte sich eben vorher noch genauer informieren, wo Zapfstellen stehen. In Altensteig zum Beispiel: im Parkhaus hinterm Rathaus zwei nagelneue Ladestationen, kinderleicht zu bedienen. Weshalb aber das größte regionale Kreditinstitut - das mit dem kräftigen Rot im Markenzeichen - ausgerechnet im Dezember zum Termin in den hintersten Winkel von Bad Teinach einlädt, obwohl es dort zum Laden maximal zu einer lahmen Haussteckdose reicht, lässt einen ratlos zurück und schließlich auf die Fahrt verzichten. Dabei ist gerade diese Bank einer der Vorreiter beim Ausbau einer Ladestelleninfrastruktur mit Stationen am Landratsamt Calw, im Parkhaus Luisenstraße in Pforzheim, an seiner Hauptzweigstelle in Mühlacker ... Und chic machen sich die bankeigenen E-Smarts im Straßenverkehr auch aus. 
Wer für E-Mobilität sensibilisiert ist, bemerkt sehr wohl, wie gerade auch das lokale Ladestellennetz schneller wächst als in der Vergangenheit: Der Sprit kommt aus der Steckdose. Knittlingen bekommt eine, Maulbronn auch, Illingen, Mühlacker mehrere. Pluspunkte, die im Gegensatz stehen zur immer wieder zu hörenden Gejammer über den mangelnden Ausbau der Infrastruktur. In der Rathaus-Tiefgarage von Mühlacker sind vier Ladepunkte entstanden, von denen bisher zwei genutzt werden für die beiden kommunalen Stromer, einen Nissan Evalia und einen Renault Zoe. Die beiden anderen Zapfstellen sollen - hoffentlich bald! - öffentlich nutzbar sein mit einer maximalen kostenlosen Park- (und Lade-)zeit von einer Stunde. Zwei öffentliche E-Tankstellen warten seit Monaten am Parkplatz Enzstraße, bei den Enzgärten, auf Kunden, die (noch) kostenlos laden können - wenn die beiden Stellflächen nicht gerade von "artfremden" Benzinern oder Diesel zweckentfremdet werden. 

Aber manche Vorreiter haben den Anschluss schon verpasst. Auf der ersten Ebene der Tiefgarage des Landratsamts Enzkreis an der Pforzheimer Güterstraße werben die Stadtwerke Pforzheim für Autostrom. Die einstige Pioniertat verlor inzwischen an Glanz. Von der Ladegeschwindigkeit her im Vergleich eine Schnecke, von der Handhabbarkeit alles andere als kundenfreundlich - man muss sich mit Kabel und Stecker fast verrenken. Hier böte sich eine Nachrüstung an, zumal bei einer Kreisverwaltung, die gerne vom Klima-Wende-Kreis spricht. 

Übrigens: Stromauto zu fahren ist bei Kälte, trotz etwas geringerer Reichweite, eine Wohltat, denn es  heizt enorm schnell den Innenraum. Das ergänzen Sitz- und Steuerrat-Heizung. Ein Wohlfühlklima, für das die rollenden Blechkisten mit Verbrennungsmotoren in der Regel länger brauchen.

Zurück zum Experten Bratzel: "Ich sehe keinen steilen Weg nach oben, aber es wird Bewegung in den Markt kommen." Er hält es laut "Zeit" für realistisch, dass der Marktanteil von E-Autos und Plug-in-Hybriden 2017 auf mehr als ein Prozent steigt und sieht zumindest eine Chance, dass theoretisch auch zwei Prozent erreicht werden könnten. Ich meine: Mehr müsste schon drin sein. Setzt aber voraus, auch die Stärken der Elektromobilität nicht zu verstecken und mehr über sie zu sprechen.

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