Premiere?




Der Bürger soll entscheiden können.

Bleiben wir zunächst beim Formalen: Ein Begehren ist der Verfahrensschritt zur Einleitung einer kommunalen Abstimmung und wird entweder durch den Rat beschlossen (Ratsbegehren) oder durch die Bürger eingebracht (Bürgerbegehren). Wenn es zur Abstimmung der Bürger kommen soll, müssen zwei Drittel der Gemeinderäte dem Ratsbegehren zustimmen oder beim Bürgerbegehren  sieben Prozent der Wahlberechtigten den Antrag unterschreiben. Der Verein Mehr Demokratie bilanzierte auf seiner Internetseite: Seit 1995 wurden bis 2010 insgesamt 254 Bürgerbegehren und 57 Ratsbegehren initiiert.  Ratsbegehren "meist, weil man die Frage den BürgerInnen überlassen wollte, selten weil man sich uneins war". In 2015 wurden lediglich 2 Ratsreferenden beschlossen (Freiburg & Ingoldingen). Beide Abstimmungen erreichten das Quorum und bestätigten die Vorlagen ihrer Stadt- bzw. Gemeinderäte.

Kommen wir zum aktuellen Fall in Mühlacker. Hier trifft die Variante "uneins" zu. Seit 15 Jahren diskutiert der Gemeinderat über ein mittelfristig ausgelegtes neues Gewerbe- und Industriegebiet (GE/GI) von 20 bis 25 Hektar. Eine Ratsmehrheit bejaht zwar den Bedarf, kommt aber beim Standort nicht weiter. Eine Minorität lehnt grundsätzlich ein neues Areal in dieser Größenordnung als überzogen ab. Aus dieser Gemengenlage heraus wird seit 2001, verstärkt seit 2006 nach einer Lösung gesucht. Dann legte die Stadt zunächst eine Such-Pause ein. 2008 schob der Gemeinderat das Thema ganz offiziell auf die lange Bank. Nachdem sich abzeichnete, dass bald keine freie Fläche mehr in den Waldäckern (GE/GI) zur Verfügung steht, nahm die Debatte 2013/14 wieder Fahrt auf. Weitergekommen sind wir jedoch nicht. In der Diskussion bei Bürgerversammlungen in der Kernstadt sowie in Lienzingen und Mühlhausen gab es immer wieder Zweifel am Bedarf. Wird nun diese Position von einer Mehrheit der Mühlackerer geteilt oder nicht? Um die Blockade im Gemeinderat zu beenden, stieß die CDU-Fraktion ein Ratsbegehren an, über das der Gemeinderat am 31. Mai (18.30 Uhr, Ratssaal) entscheidet. Gute Chancen, das Quorum zu erreichen, bestehen (CDU, SPD und LMU). 
Entweder entscheidet die Mehrheit der Bürger für ein neues GE/GI-Gebiet, dann dürfte das die Standortsuche erleichtern. Lehnt eine Mehrheit grundsätzlich ab, ist das Thema für drei Jahre weg vom Fenster - auch das wäre eine Entscheidung, die Klarheit schafft.

FW, FDP und OB meinen, der Gemeinderat dürfe sich das Thema nicht aus der Hand nehmen lassen. Doch sie wissen genau, dass es dann ein Bürgerbegehren geben wird, an dessen Zustandekommen (rund 1400 Unterschriften) niemand zweifelt. Nur dass der Aufwand größer sein würde als beim Ratsbegehren. Die Stadtverwaltung stellt sich doch intern schon auf einen Bürgerentscheid im Herbst ein. Für den gibt es auch Spielregeln

Zu meinen, nur der Gemeinderat habe den Sachverstand für eine solche wichtige Entscheidung, lässt sich durch die Vorgeschichte nicht belegen. Ich meine, die Bürger sind gut genug informiert, um prinzipiell abzuwägen zwischen den Faktoren Arbeitsplätze und Gewerbesteuer beziehungsweise Natur und Landwirtschaft. Im Vorfeld der Entscheidung müssen Pro und Contra umfassend dargestellt werden. Es wäre der erste Bürgerentscheid in Mühlacker. Eine Premiere.

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