Eine Stadt mit Knöpfchen



Eine Stadt mit Knöpfchen


Eine offizielle Partnerschaft war sie nie, eine reale schon: die Verbindung Mühlackers mit der thüringischen Stadt Schmölln. Manche Freundschaften zwischen Familien sind entstanden, ich fuhr erstmals im April 1964 als Schüler nach Schmölln zur Familie, mit der wir seit 1961 in postalischem Kontakt standen, die über dem "Konsum" am sogenannten Platz der Neuerer wohnte und mit der wir heute noch befreundet sind, auch wenn sie nicht mehr in Schmölln lebt. Die Adresse hatten wir von der legendären Religionslehrerin Traub, denn die Evangelische  Kirchengemeinde Mühlacker unterhielt damals schon eine Partnerschaft mit den Protestanten in dem DDR-Städtchen. Als 13-Jähriger stieß ich bei meinem ersten großen Ausflug allein in die große weite Welt, gleich hinter den Eisernen Vorhang, an die Grenzen des schwäbischen Kosmos'. Als ich in der Bäckerei am Markt "Weckkla" verlangte, sorgte ich für fragende Gesichter. Das Rätsel konnte dann durchs Deuten gelöst werden - "ach, Brötchen, meinst Du". So hatte man es mir auch aufgetragen ...


Bei der Wende 1989/90 suchten Schmöllner Kontakt zur Mühlacker Stadtverwaltung und baten um verwaltungstechnische Aufbauhilfe. OB Gerhard Knapp fuhr zu einem Treffen des Runden Tisches ins Tal der Sprotte. Ich erinnere mich, wie ich mit Freunden aus Mühlacker - unter anderem Stadträtin Erika Gerlach - und Schmölln einen Tag vor den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 für die "Allianz für Deutschland" auf dem Markt wahlkämpfte. Die "Allianz für Deutschland", bestehend aus der Ost-CDU, dem Demokratischen Aufbruch (DA) und der Deutschen Sozialen Union (DSU), war am 5. Februar gegründet worden und unter dem Motto "Freiheit und Wohlstand – Nie wieder Sozialismus" zur Wahl angetreten. 


Der Gesprächsfaden mit der 11.400 Einwohner zählenden Stadt brach nie ab. Gerhard Knapp ist Ehrenbürger von Schmölln. Mein Anliegen im Gemeinderat war es vor bald 20 Jahren schon, der Partnerschaft einen offiziellen Status zu geben und mehr zu sein als befreundete Städte. Doch es kam nie dazu. Wer bremste? Weiß man nicht so genau. 

In Mühlacker sind die Schmöllner einer breiten Öffentlichkeit bekannt vom jährlichen Straßenfest: Die Feuerwehr reist fast jedes Jahr mit Fleisch für den Mutzbraten und mit Schwarzbier ("Köstritzer") an - die Nachfrage ist so groß wie nach dem Käse aus Mühlackers offizieller Partnerstadt Bassano del Grappa und deren Stand, traditionell in der Waldenstraße.  Schmöllns erfolgreicher Bürgermeister Herbert Köhler (parteilos), seine Nachfolger Kathrin Lorenz (CDU) und Sven Schrade (SPD) waren und sind immer gern gesehen in Mühlacker. Auch die CDU hält Kontakte zur Union in Schmölln. Die Stadt feiert 2016 ihre erste urkundliche Erwähnung vor 950 Jahren. Grund für den jungen Bürgermeister Schrade zu neuen Partnerschaftsinitiativen, wie heute in der "Ostthüringer Zeitung" zu lesen ist


„Herzlich willkommen in der Knopfstadt Schmölln.“ So werden Gäste an den Ortseingängen der Stadt mit leuchtend blauen Schildern ­begrüßt. Das ist Werbung in eigener Sache. Natürlich verbunden mit dem Hinweis auf das Festwochenende vom 2. bis 4. September zur 950-Jahr-Feier der Stadt. Auch auf ihre Partner weist die Stadt mit stolz hin: Zu sehen sind die Wappen von ­Dobele (Lettland), Zdar nad Sazavou (Tschechische Republik) und Mühlacker (Baden-Württemberg). Auch diese Partnerstädte spielen zum Jubiläum von Schmölln eine besondere Rolle. Denn in der feierlichen Stadtratssitzung am Freitag, 2. September, 16 Uhr, gilt es, die freundschaft­liche Verbundenheit erneut zu besiegeln. Delegationen aus den Partnerstädten werden dann zu Besuch im östlichsten Zipfel Thüringens sein, um mit Schmölln zu feiern und die ­Urkunden zu unterzeichnen." 


Dass Partnerschaften gelebt werden müssen, hebt die Journalistin Cordula Fischer in ihrem begleitenden Kommentar zurecht hervor. Ob sich die Partnerschaft Schmölln-Mühlacker dieses Jahr offiziell besiegeln lässt? Zu hoffen wäre es. Andernfalls leben wir eben weiter in der (Verwaltungs-)Ehe ohne Trauschein. Den Verbindungen tat's keinen Abbruch. Machen wir ein Knöpfchen dran mit der Knopfstadt Schmölln?


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