Atempause




Landrat Karl Röckinger (links) und sein Stellvertreter Wolfgang Herz.

Grün für eine gelöste, Gelb für eine angepackte Aufgabe, Rot für eine, die noch darauf wartet, angepackt zu werden. Plastikkästen in Ampelfarben als Blickfang heute im Sitzungssaal des Landratsamtes in Pforzheim - sie garnierten das  Impulsreferat von Enzkreis-Sozialdezernentin Katja Kreeb beim Thementag Flüchtlinge des Kreistags. Die Botschaft: Wir sind auf einem guten Weg. Ich übersetze das mit des Kanzlerinnen Worte: Wir schaffen das. Kreeb vermied diesen Satz, denn vor gut einer Woche kehrte sie noch die Probleme der großen Zahl von Zufluchtsuchenden hervor, um 57 neue Stellen für 2,8 Millionen Euro per anno genehmigt zu bekommen - Stellen, die möglichst befristet sind und von denen niemand weiß, ob sie sich bei einem leergefegten Arbeitsmarkt auch besetzen lassen. Der Enzkreis ist derzeit wohl der größte Anzeigenkunde für den Stellenmarkt der Lokalzeitungen. 2015/16 bewilligte der Kreistag schon einmal 50 Stellen. Die Kosten fließen in die Spitzabrechnung mit dem Land ein, das zusagte, sie voll zu übernehmen, da der Landkreis hier eine staatliche Aufgabe übernehmen muss, nämlich die vorläufige Unterbringung der Asylbewerber. Eine befristete Zusage allerdings. Die Berichte in der heutigen Kreistagssitzung belegen: Eine funktionierende Verwaltung stellt sich der größten Herausforderung, schafft Strukturen, löst Problem, allerdings zu einem hohen Preis. 

Heute war nicht mehr die Rede davon, dass wir an Grenzen bei der Aufnahme stoßen, auch nicht beim Vize-Landrat Wolfgang Herz, der in der Hochphase der Zuweisungen von Flüchtlingen durchs Land gerne von den Grenzen sprach.
Sicherlich nicht zu unrecht, wenn es bei den Zahlen von Ende 2015 und Anfang 2016 geblieben wäre. Derzeit leben 2833 Flüchtlinge im Enzkreis in Unterkünften mit zusammen 2900 Plätzen, davon 1250 in provisorischen wie die Sporthalle bei der Berufsschule in Mühlacker und in Zelten. Ziel muss sein, die Unterbringung in Zelten möglichst rasch zu beenden und die Hallen wieder frei zu bekommen. In Vorbereitung sind 750 neue Plätze. Herz korrigierte seine Prognose für Ende 2016 nach unten auf knapp 4000 Asylsuchende, die Abgänge von  30 Prozent nicht einkalkuliert. Im April sollten 31 Personen zugewiesen werden, doch nicht alle kamen.  Mai und Juni zumindest schickt das Land keine Asylbewerber mehr. Wie es danach weitergeht, weiß niemand genau. Deshalb sind Prognosen schwierig.

Derzeit gibt es eine "gewisse Atempause" (Herz) auch dank der Stacheldrahtzäune, die die Balkanroute schlossen. Zwei Drittel der Flüchtlinge stammen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Lassen sich die Fluchtursachen beseitigen, auf dass zumindest ein Teil der Menschen wieder zurück kehrt in ihre Heimat? Die Zeichen stehen derzeit nicht auf Frieden. Und wie sieht es mit Afrika aus? Kann die EU ihre Außengrenzen sichern? Gelingt es, den Schleusern das Handwerk zu legen? Ist der Rückgang der Flüchtlingszahlen dauerhaft? Fragen,  auf die es kaum verlässliche Antworten gibt. Prognosen ähneln Kaffeesatzleserei.

Nach spätestens zwei Jahren schickt der Landkreis die Flüchtlinge in die Anschlussunterbringung durch die Städte und Gemeinden. Die Zahl wird steigen, Unterbringungsprobleme wachsen, die Folgen für den Bedarf an Plätzen in Kindergärten und Schulen sind nicht planbar, die Kosten bleiben zu großen Teilen an den kommunalen Haushalten hängen. Zum Glück engagieren sich im Enzkreis 1500 Menschen ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit, in 14 der 28 Kommunen koordinieren Flüchtlingsbeauftragte die Arbeit. Freie Kindergartenplätze sind, so die Diskussion heute in einer der drei Arbeitsgruppen, derzeit im Enzkreis rar. Müssen die Kommunen  bauen, ohne zu wissen, für wie viel Kinder, weil niemand weiß, wie viel Flüchtlinge auf Dauer im Ort bleiben werden? Und wie sieht es mit  erweiterten  Arbeitsmöglichkeiten aus? Mit Sprach- und Integrationskursen? Fragen, die eine große Rolle spielten. 

Werden aus den gelben Kästen mehr grüne, aus roten zumindest gelbe? Zu wünschen wäre es.

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