Meister der leisen Töne

"Ich hör Dich net, ich seh nur das Dach“, sagt meine Tochter, als ich sie nach der Chorprobe mit dem Elektromobil abhole. Ja, ein Krawallmacher ist der 109 PS starke Wagen nicht. Er ist ein Meister der leisen Töne. Der ganz leisen. Stromautos sind geräuschlos, oft günstiger und stoßen beim Fahren keine schädlichen CO2-Emissionen aus. Pluspunkte, die in einer Landschaft zählen, die überzogen ist mit Umweltzonen, um Schädliches für die Gesundheit der Menschen zu reduzieren.

Wenn ich bei meinem Nissan Leaf den Startknopf drücke, ertönt zwar eine Tonleiter, leuchtet das Display auf wie eine Farbpalette, kombiniert mit blinkenden Icons. Der Fahrer soll schließlich merken, dass die Limousine jetzt unter Strom steht. Doch gleich ist es wieder ruhig und lässt einen jahrelangen Dieselfahrer für einen Moment zweifeln. Aber der rötlich leuchtende Startknopf und andere Lämpchen beweisen: Das Auto läuft – tonlos.

Passanten schauen verdutzt, wenn der Stromer fast still vorbeizieht. Wer drinnen sitzt, muss noch umsichtiger sein. „Den hört man gar nicht mehr“, kommentiert eine Frau. Das geht auch einem Jungen so, der mitten in unserer Siedlung seelenruhig sein Skateboard auf den Asphalt setzt, um auf der Gaiernstraße, auf der Tempo 30 gilt, entlang zu flitzen. Er hört mich nicht. Erst als ich kurz hupe, macht er die Straße frei. Der Bub ist so verdutzt wie die beiden Rentner, die im Heidenwäldle meinen Wagen staunend umrunden, als sei dieser von einem anderen Stern: Ich war in einer Sackgasse am Wenden. Beim kurzen Zurücksetzen ertönt nur ein Pfeifton, der zwar durch Tastendruck abgestellt werden kann, auf den ich aber nicht verzichten will. Ganze Generationen Menschen nehmen Fahrzeuge vor allem dadurch wahr, dass sie auf Motorengeräusche achten. Da kann der Stromer bei schnellerem Fahren gerade mal mit dem Abrollgeräusch der Reifen dienen. Und im Notfall mit der Hupe, die aber eher piepst denn mit vollem Volumen erschreckt.

Lautlose Elektrifizierung auf der Straße. Ein neues Gefühl für den Umsteiger. Die EU-Klimaziele lassen sich nur mit E-Mobilität im Alltag erreichen. Fachleute sagen, Verbrenner hätten eine maximal mögliche Effizienz von 36 Prozent. Die einer elektrischen Maschine liege bei 95 bis 98 Prozent. In Baden-Württemberg sollen durch Stromer in den nächsten Jahren 18000 Arbeitsplätze entstehen, sagt E-Mobil BW, eine Agentur des Landes mit Hinweis auf eine Studie. Liest sich gut. Doch zu sehr werden Stromautos als Transportmittel für die kurzen Wege klassifiziert. Als Stadtauto.

Der E-Mobilist möchte aber auf die ruhige Art seines Wagens mehr erreichen als den Status eines Zweitwagens.
Und so plane ich für den Familienausflug an Ostern an den Bodensee, recherchiere wegen Ladestationen, klicke mich auf der Internetseite von www.goingelectric.de durch und nutze dessen Routenplaner für Elektroautos. Zusätzlich schreibe ich E-Mails an die Tankstellen mit Raststätten an der Bodenseeautobahn, der A 81, um auf Nummer sicher zu gehen. Das Bild wird bald klar: nur eine der drei Haltestationen meldet Erfreuliches zurück. „Wir haben eine Elektro-Ladestation: Typ HEADd 31, 48 KW, 63 Amp, Wechselstrom, hat zwei 7-polige Steckdosen, Typ 2. Der Kunde braucht dazu den dazugehörigen Stecker“, lässt mich „mit freundlichen Grüßen“ Sigrid Heßenius von den beiden Rastanlagen im Hegau nahe Singen wissen.

Ich lasse den PC rechnen: 168 Kilometer überwiegend Autobahn von zuhause bis zu dieser Ladesäule. Das wäre knapp, zu knapp. Die beiden BAB-Tankstellen zuvor – Neckarburg oder Schönbuch – lägen zum schnellen Nachladen für mich passender. 119 Kilometer bis Neckarburg-West ließen sich locker mit einem vollen Akku bewältigen – und bei 60 bis 70 Kilometer Restreichweite würde auch das Tanken ohne allzu große Pause abzuwickeln sein. Doch Fehlanzeige: „In unserem Betrieb in Neckarburg als auch in Gruibingen, A 8, haben wir keine E-Ladestation. In Gruibingen befindet sich eine E-Ladestation im Bau“, lässt mich Erich Kaul von der Neckarburg wissen und bedauert, keine bessere Antwort geben zu können.

Am Bodensee finden sich, auch wenn das Netz noch ausbaufähig ist, Ladestationen so, dass der E-Mobilist nicht liegen bleibt. Weshalb verdonnert der Bund die Tank- und Rastbesitzer an Autobahnen nicht, E-Tankstellen zu bauen? Immerhin: Minister Dobrindt hat mit der bundeseigenen Autobahn Tank & Rast GmbH vereinbart, gemeinsam alle rund 400 eigenen Raststätten an Bundesautobahnen mit Schnellladesäulen und Parkplätzen für Elektrofahrzeuge auszustatten. Bis 2017 sollen alle Ladesäulen und Parkplätze stehen. Doch diesmal bringt mir das nichts. Also nehmen wir den Diesel meiner Frau für den Bodensee-Trip. Leider! Aber auf der Heimfahrt machen wir Station an der Raststätte Hegau. Ich schaue nach der Ladestation, beide Plätze sind frei. Betreiber: die Stadtwerke Engen (Foto). Wer Strom laden will, geht zur Infotheke in der Raststätte. Alles kinderleicht. Ein Hoffnungsschimmer für die (noch) kleine leise Flotte.


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