Eigene Eindrücke zählen mehr als die FAZ

Erinnern Sie sich noch an einen Artikel von Eduard Neumann wenige Tage vor der Landtagswahl 2011, als er noch bei dpa war? Mappus sei wie eine tickende Zeitbombe, zitierte er einen namentlich nicht genannten Beamten aus dem Staatsministerium. Kaum war die grün-rote Landesregierung, deren Start er journalistisch bejubelte, im Amt, begab er sich in die Dienste just dieser Koalition als Sprecher des Verkehrsministeriums. Das Zeitbomben-Zitat verstieß gegen den journalistischen Grundsatz, seine Quellen offenzulegen. Das lernt ein Volontär in den ersten Wochen der Ausbildung. In meinen Augen war dies Kampagnen-Journalismus. Nichts anderes stellt der Artikel „Wer's glaubt, wird wuselig“ von Heike Schmoll in der FAZ vom 11. Februar 2016 dar, wenn auch unter anderen parteipolitischen Vorzeichen. Danke für die Zusendung dieses Beitrages, der in mir die Überzeugung reifen lässt, dass der Qualitätsbegriff selbst bei der FAZ zweifelhaft ist. Seit Monaten versucht Schmoll, die gerne in CDU-Nähe auftritt, der Union publizistische Schützenhilfe zu leisten. Glaubwürdig? Sie hat – ich zitiere aus wissenswerkstatt.net - überaus aktiv auf den publizistischen Verteidigungsbarrikaden für Annette Schavan gekämpft. Ihr Einsatz war zwar vergebens, aber Heike Schmoll zählt eindeutig zur Fraktion der Schavan-Sympathisanten in diesem Fall. Soweit das Zitat. Der Versuch der FAZ, den Blogger Klaus Graf in Sachen Schavan mundtot zu machen, ging wohl schief – Graf hatte Schmoll als Schavan-Freundin bezeichnet. 

Schmoll versucht jetzt nicht zum ersten Mal, die Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg ins Zwielicht zu ziehen. Der erste Versuch im vergangenen Sommer misslang. Schmoll trat zuvor als Moderatorin bei einem CDU-Forum auf, wo das bildungspolitische Programm für die Landtagswahl diskutiert wurde. Das ist ihr gutes Recht. Sie kann weiterhin zum dreisäuligen Schulsystem stehen. Nur ausgerechnet sie von der CDU aus als Sachverständige in Position zu bringen und ihren neuesten Artikel zu streuen, ist nicht seriös. Denn auch sie lässt – wie weiland Neumann – den journalistischen Mindeststandard, nämlich die Offenlegung der Quellen, außer acht. Der Leser kann nichts gegen- und überprüfen. Die Anonymisierung mit dem Hinweis, die Lehrer hätten Angst, zu ihren Aussagen zu stehen, reicht mir nicht. Wenigstens die Schulen, die sie meint, hätte sie nennen müssen. Und bei wem sind die angeblich eidesstattlichen Erklärungen hinterlegt? Weshalb wird nur aus dem Kurzgutachten zitiert und nur die Passage, die ihr ins Konzept passt? Fragen über Fragen, auf die es keine Antworten gibt. Ich brauche keine FAZ-Redakteurin, um mir ein Urteil zu bilden. Ich sehe, welch gute Arbeit die Gemeinschaftsschule Mühlacker leistet und wie hoch motiviert die Lehrer sind – meist junge Pädagogen, die schon vom Studium her die Elemente dieser neuen Schulart kennen und sie als Lernbegleiter so anwenden, dass die Schüler auch ihre Fortschritte machen. Der Lernentwicklungsbericht, den meine Tochter – in der sechsten Klasse – jetzt zum Schulhalbjahr nach Hause, ist aussagekräftiger als jede Notenauflistung und so differenziert wie sich doch die CDU die Schule wünscht. Die wöchentlichen schriftlichen Rückmeldungen an die Eltern über den Leistungsstand des Kindes kenne ich von den anderen Schularten nicht.
Dass sich der Gymnasiallehrer bewusst gegen das Angebot eines Gymnasiums und für die Gemeinschaftsschule entschieden hat, sei den Negativschilderungen einer Heike Schmoll entgegengehalten. Auch dass die Gemeinschaftsschule eine Ganztagsschule ist, sehe ich als Pluspunkt – die Eltern müssen nicht mehr die Rolle des Ersatzlehrers spielen, weil es keine Hausaufgaben gibt. Unsere Tochter findet trotzdem noch Zeit für zwei Vereine, Musikschule, Reiten und Ministrieren. Wenn natürlich an Gemeinschaftsschulen Lehrer eingesetzt werden, die stur den alten Stiefel weitermachen wollen, wird’s nichts, aber das spricht nicht gegen das längere gemeinsame Lernen, sondern maximal gegen die Schulleitung. 


Wir haben uns als CDU-Gemeinderatsfraktion Mühlacker frühzeitig beim Besuch unserer Schillerschule mit dem Konzept beschäftigt und den Antrag auf eine Gemeinschaftsschule aus Überzeugung unterstützt. Die Rückmeldungen der Eltern sind positiv. Deshalb sind wir hier auch weiter als die Landes-CDU, die die Gemeinschaftsschule laut Wahlprogramm als gescheitert ansieht. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich mir einmal eine Landesregierung wünsche, in der jene Kräfte stark sind, die gerade diesen Programmpunkt der Union ausbremsen. Hätte sich die Landes-Union nur früher auf einen Schulfrieden eingelassen. Jetzt aber hat sie sich in den eigenen Fallstricken verfangen. Zusammen mit Heike Schmoll. Dann: Viel Vergnügen!


(Meine Antwort an Dr. Thilo Traub, Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg, auf die Zusendung des FAZ-Beitrags)



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