Noch mehr als ein bisschen mehr

Nein, nicht weiterklicken! Auch wenn das 161-seitige Heft den spröden Titel trägt "Praxisorientiertes Einzelhandelskonzept für die Region Nordschwarzwald - Kennziffern und Implikationen für die Entwicklung der Nahversorgung". Für Mühlacker bringt es durchaus interessante Nachrichten, so auf Seite 120. Was fehlt denn in unserer Stadt an Einzelhandelssortimenten bis zum Jahr 2025? Die Fachleute der imakomm Akademie GmbH sagen: Besonders stark Geschäfte mit Möbeln/Einrichtung/Hausrat, Elektrowaren, Bücher/Bürobedarf/Schreibwaren (mehr als 2500 Quadratmeter Verkaufsfläche), Gesundheit/Körperpflege und Bekleidung/Schuhe/Sportbekleidung (jeweils bis zu 2500 Quadratmeter Verkaufsfläche) sowie Blumen/zoologischer Bedarf (bis zu 800 Quadratmeter). Bei Nahrungs- und Genussmitteln gilt der Mühlacker Markt als weitgehend gesättigt. Manche dieser Erkenntnisse hatten wir schon vorher. Aber Fingerzeige über den richtigen Branchenmix im geplanten Einkaufszentrum auf dem Mühlehofareal (das bis jetzt allerdings noch nicht zur Verfügung steht) gibt das Konzept allemal. Auftraggeber des Ganzen ist der Regionalverband Nordschwarzwald. Erste Ergebnisse legte der Vertreter von imakomm Anfang Dezember im Planungsausschuss des Regionalverbandes in Pfalzgrafenweiler vor, vor Weihnachten folgten die gedruckten Erkenntnisse. Wie ist es um die Nahversorgung in der Region bestellt? Was braucht es, um den Einzelhandel in den Innenstädten zu halten? Und welchen Einfluss hat der Online-Handel auf die Geschäfte vor Ort? Fragen über Fragen. Die Antworten sollte die Imakomm-Akademie, ein Institut für Marketing- und Kommunalentwicklung, liefern. Eine der Erkenntnisse: Aus dem Nordschwarzwald fließt zu viel Kaufkraft in andere Regionen ab. Aus den Randbereichen im Norden sowie aus dem Osten des Enzkreises kaufen die Leute viel zu oft in den Räumen Stuttgart und Karlsruhe ein. Der Süden der Region ist dagegen stabiler. Die Firma imakomm erstellte statistische Kurzprofile für alle 70 Städte und Gemeinden des Nordschwarzwaldes und hat die jeweilige Kaufkraft ermittelt. Sie rät, die vorhandenen Ansiedlungspotenziale in den Ortszentren auszuschöpfen. Eine Strategie, die Mühlacker verfolgt mit den Standorten Mühlehofareal und Goethestraße, was an Handel auf dem Ziegeleiareal geplant ist, wäre demnach grenzwertig. Imakomm ermittelte einen Bedarf an zusätzlichen Einzelhandelsflächen von 55000 Quadratmetern bis zum Jahr 2025 für die gesamte Region. Auch die Leerstände in den Ortskernen seien „zum Teil sehr hoch" - für Mühlacker werden zehn bis 15 Prozent genannt, ein Platz in der zweiten Liga.
Was sagt das Kurzprofil für Mühlacker sonst noch aus? Und da ist die erste Schwachstelle. die Arbeiten am Konzept endeten im vergangenen September. Da ging imakomm bei den  Bedarfsberechnungen davon aus, dass Mühlacker bis 2025 etwa 1,1 Prozent Einwohner verliert. Basis: Die Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg. Doch die Statistiker legten im Dezember eine neue Prognose vor und gelangten nun zur Erkenntnis, dass Mühlacker aufgrund von Zuwanderungen in den nächsten zehn Jahren um 4,6 Prozent der Einwohnerzahl wachsen wird. Das Handelspotenzial müsste demnach auch steigen - durch zusätzliche Kaufkraft. Übrigens: zusätzliche theoretische Kaufkraft von 300.000 Euro werden für Mühlacker durch den Tourismus erwartet - bei Bad Wildbad sind es verständlicherweise vier Millionen Euro, bei Maulbronn 200.000 Euro - da sehen wir doch ordentlich aus. 
Eine Kennziffer sagt aus, wie attraktiv ein Einzelhandelsstandort ist (Seite 60): die der Zentralität. Der Einzelhandelsumsatz in der Kommune mit allen Kunden (unabhängig von deren Herkunft) wird geteilt durch die Kaufkraft der eigenen Bevölkerung, die von Relevanz ist für den Einzelhandel. Ein Wert größer 100 gibt an, dass mehr Kaufkraft aus dem Umland zu- als  aus der betreffenden Kommune abfließt. Liegt der Wert unter 100 ist es logischerweise umgekehrt. Mühlackers Zentralitätswert beträgt laut imakomm 85 Prozent und blieb damit gegenüber 2011 stabil. Aber das ist ein schwacher Trost angesichts der Anstrengungen durchs Citymanagement. Freudenstadt ging von 181 auf 165 zurück, Nagold blieb mit 176 (minus 1) stabil, Pforzheim sackte von 148 auf 109 ab, Calw steigerte sich von 119 auf 130, Bad Wildbad schrumpfte von 118 auf 97 Prozent und Horb von 102 auf 72 Prozent. Was leider fehlt sind die Kennziffern benachbarter Mittelzentren wie Bretten und Vaihingen. Der Vergleich mit Nagold reizt, denn Mühlacker hat den Nagoldern das Citymanagement abgeguckt.
Die Verkaufsflächen pro 1000 Einwohner gilt ebenfalls als Maß mit der Ausstattung einer Kommune im Bereich Einzelhandel, heißt es  auf Seite 61 in dem Konzept. Da übertreffen Nagold, Freudenstadt und  Calw unser Mühlacker. Ergo: Es könnte deutlich mehr sein. Aber das wird gelegentlich auch in Mühlackers Gemeinderat bezweifelt. Doch andere vergleichbare Städte in der Region holen Kaufkraft herein, bei uns fließt sie ab. Auch ein Verlust für die Stadtkasse - durch eine geringere Gewerbesteuer. 

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