Drei Roßwager, eine Bratsche und Oldie-Rocker




Gaumenkonzert mit Bertram Haak heute Abend


Wehmut kommt auf. Am Montag gab es die - immerhin - vorletzte Ausstellungseröffnung im Treffpunkt Baden-Württemberg. Heute Abend war es das definitiv letzte Gaumenkonzert des Wein- und Bratschenkünstlers Bertram Haak, Erfinder des 401er-Weines, ein Roßwager Lemberger. Abschiedsstimmung auf der Gartenschau? Zwei Wochen bleiben noch. Aber trotzdem. Als Haak sich nach zweieinviertel Stunden verabschiedet, wissen alle: Dieses Format wird es nicht mehr geben. Dazu gehört die Atmosphäre der Gartenschau, der laue Sommerabend, das Baumelnlassen der Seele, Ruhe. Jeweils 0,25-Liter-Fläschchen mit Riesling, Lemberger Weißherbst und Lemberger (ein 401-er) von der Roßwager Halde, Zugaben wie Bitterschokolade, Salz, Gummibärchen und ein Konfekthütchen dienen der Sinnesprüfung. Wie schmeckt der Riesling vor dem Genuss des kleinen Stückchen Bitterschokolade und wie danach? Ein Anschlag auf die Sinne, die plötzlich verrückt spielen und den Geschmack verändern. Der Weißherbst schmecke nach Beeren, besonders nach Erdbeeren, sagt Haak. Tut mir leid, ich schmecke das nie. Die Frau aus Oberriexingen neben mir sagt trocken, sie behaupte einfach, das schmecke nach Kamel und Wüstensand.

Aber dieser Nachgeschmack ist eh eine Fußnote der Gartenschaugeschichte, denn die Reise der Sinne konzentriert sich auf die Bratsche, die Haak spielt - unterlegt mit chanchierenden Fotos: stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen, ein zu Herzen gehender Bilder-Spaziergang durch das Jahr und das Enztal oder Aufnahmen von Fahrten eines Heißluftballons über Mühlacker und die Enzschlaufen, an Bord Bratsche und Weine zum Probieren. Spätestens da frage ich mich, weshalb die WG Roßwag den Vaihinger Haak als Geschäftsführer ziehen ließ. Aber das ist eine andere Geschichte. Haak, Tausendsassa auf der Bratsche, vermittelt Weingenuss mit allen Sinnen, ist einer, der Weinprobe zur emotionalen und doch informativen Sache macht.  Er lässt die Zucker-Zimt-Mischung aus der Tüte, die für 15 Euro einschließlich den drei Weinen zu erwerben ist, mit zugehaltener Nase probieren: Man nimmt zuerst nur die Süße des Zuckers, nicht aber den Geschmack des Zimts wahr. Dieser erschließt sich erst über die geöffnete Nase. Wie schreibt er auf seiner Internetseite? "Musikalische Klänge, die den Sinnen schmeicheln und kulinarische Genüsse, die die Geschmacksnerven betören. Musik schmeckt auf der Zunge und Wein klingt in den Ohren."  Ihm ist es voll gelungen, die Zuhörer einzunehmen, sie nach den letzten Klängen in ein wohliges Gefühl zu entlassen.


Kontrast am Vorabend. Grachmusikoff. Ich hab's kaum zu denka gwagt, aber dann doch gfragt: hat des Altershoim Ausgang? Net wega dem Publikum.

Noi, als i die Musiker auf der Sparkassabühne gseha ab, hab i schnell grechnet. Dia miasset mendestens Mitte sechzig, eher um die siebzig sei. Aber sie dreha uff wie Jonge. Lasset es kracha. Der Mann am Schlagzeug isch Ersatzmann, isch eigschronga, drickt den Altersdurchschnitt der Band. Die andere mühet sich ab, leget sich voll rei, brauchet heit koan Stock. Wer aber vorne bei der Bühne der Heinzelmannhalle steht, versteht die Liadtexte der Opas kaum - da hilft bloß, vor die Hall zu geha. Mehr als 600 Leit senn doa, schwelga en da Nostalgie, senn a bissle sentimental und als der mit dem rota Hemdle auf der Bühne sagt, des Liad sei von 1979 oder des von 1975, träumete se von ihre Jugendjahre. Zuerscht waret es die "Schwoißfuaß", dann "Grachmusikoff". Die oberschwäbische Rockband entstand 1978 in Schussariad beim Streit darom, ob a Jugendhaus g'schlossa werde soll. Jedes Joar gibt's a Fantreffa, des für 2015 könntet sie sich spara, des war en da Heinzelmannhalle. D'Saal kocht, Seniora mit Durchhaltevermöga, Schwaben-Rocker. "Oiner isch emmer dr Arsch". Des isch der Song, den wohl allen eifallet, wenn sie en Grachmusikoff denket. Krachmusikoff wäre an dem Oabend besser. Oldies, eingetaucht in Scheinwerferlicht, einmal blau, dann rot, dann... Dia letschte Zugaba gebet se net. Irgendwann muaß Feierabend sei in dem Alter.

Beim Nausgeha hab i mi aber gfroagt, weshalb die Programmmacher meinta, ihre Jugendzeit wieder aufleba lasst zu miasset. Spider murphy gang, Fools Garden, Grachmusikoff - fehlt bloß no Metter of Taste, die einscht dia Jugendtanznachmittage des Stadtjugendrings im Uhlandbau füllten. Ein-Weiasch no-Programm, das sein Publikum fendet. Schließlich wird d'Gsellschaft emmer älter. Rentner-Bands henn Konjunktur. Awwer muaß Kultur net au vorwärts g'richtet sei? Steht dafür Stefanie Hertel? Noch zwei Wocha. Nächscht Woch gibt's mehr Country, Poetry slam, dann isch die Gardaschau fast scho zu End. Leider. Schluchz! 




Rotlichtbezirk? Nein Farbenwechsel für Grachmusikoff in der Heinzelmannhalle.


Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.