Asylbewerber in der Sporthalle: Enzkreis informiert

Asylpolitik wird nicht in Mühlacker gemacht, sondern in Berlin, Stuttgart und den europäischen Hauptstädten. Mühlackers Oberbürgermeister Frank Schneider zeigte gleich die Grenzen der kommunalen Möglichkeiten auf, auf die Flüchtlingszahlen zu reagieren. Sie gibt es nämlich nicht. Dem Landkreis bleibt nur die Aufgabe, für die Unterbringung der Personen zu sorgen, die ihm von den Landeserstaufnahmestellen (LEA) zugewiesen werden. Nachdem der Wohnraum erschöpft ist, greift der Enzkreis darauf zurück, die Sporthalle seiner Berufsschule in Mühlacker mit 120 Asylbewerbern zu belegen. Morgen ziehen die ersten 60 ein, heute Abend gab es eine Information der Anwohner an Kerschensteinerstraße und im Eckenweiher vor Ort. Sicherlich keine ideale Unterbringung, wie die Vertreter des Enzkreises sagten, aber wenigstens haben die Menschen ein Dach überm Kopf. Eine Notunterkunft. Neben der Sporthalle - Stockbetten, Sichtschutz, Duschmöglichkeiten, Bierbankgarnituren -  ließ der Kreis Container (WC, Küche mit Essensräumen, Waschraum, Hausmeister) aufstellen. Wo ist die Alternative? 

Die Statistik zeigt, wie die Zahlen der neu angekommenen Flüchtlinge in den vergangenen Monaten stiegen - von 83 vor einem Jahr auf 141 im August. Seien wir ehrlich: Niemand möchte gerne eine solch große Einrichtung auf der Nachbarschaft haben, doch es bleibt kein anderer Weg. Die künftigen Bewohner sollen baldmöglichst in Wohnungen umziehen. Der Kreistag genehmigte inzwischen 4,6 Millionen Euro für den Kauf von mobilen Wohneinheiten. Doch zuerst müssen Standorte in den Kreiskommunen gefunden werden, Gespräche darüber laufen, doch alles braucht seine Zeit. Da lässt sich eine kreiseigene Sporthalle schneller umrüsten, auch wenn es alles andere als ideal ist. 

Die 120 Besucher, darunter auch Mitglieder des Arbeitskreises Asyl, informierten sich. Die Fragen der Nachbarn waren zwar von einer gewissen Besorgnis geprägt, blieben aber sachlich. Rational statt emotional. Berechtigte Fragen, auf die es auch unaufgeregte Antworten gab. Wo sind Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt? Wie steht es mit der Sicherheit? Wird die Privatsphäre der Nachbarn gewährleistet? Wie sieht die medizinische Betreuung aus? Die Betreuungsarbeit übernimmt miteinanderleben e.V., die Diakonie engagiert sich und sucht weitere ehrenamtliche Helfer. Er bringe den Flüchtlingen Vertrauen entgegen, sagt Ordnungsamtsleiter Andreas Kraus vom Enzkreis (der Landrat hatte einen anderen Termin). Er sei bisher nicht enttäuscht worden. Eine menschenwürdige  Unterbringung zu schaffen, das bleibe kommunale Aufgabe, der sich der Landkreis und später die Gemeinden in der Anschlussunterbringung stellen. Sie haben auch keine andere Wahl. Doch die kommunalen  Spitzenverbände formulieren deutliche Forderungen an die Politik zur Asylpolitik. Mühlacker hat derzeit 180 Asylbewerber (0,7 Prozent der Bevölkerung), wenn die Sporthalle belegt ist, werden es etwa 300 sein (1,2 Prozent). Das hat Folgerungen auch für Schulen und Kindergärten. Amtsleiter Kraus sagt, die Entscheidung über Asylanträge brauche durchschnittlich 15 Monate - eine, wie ich meine, zu lange Zeit. Hier ist der Bund gefordert. Den Worten der Politiker ("man muss, man sollte...") müssen dringend Taten folgen. 

Der Landrat rief jetzt in seiner Not die Kirchen auf, bei der Beschaffung von Wohnraum zu helfen. Er bezieht sie in die Mitverantwortung ein. Die Nagelprobe - mal schauen, was an konkreten Hilfen kommt. Denn die neue Prognose des Bundesamtes (August) stellt nicht mehr nur auf die gestellten Asylanträge ab, sondern auf die tatsächlichen Zugänge. Daraus ergibt sich die "plötzliche" Steigerung von 450.000 auf 800.000 Personen. Im Enzkreis befanden sich aufgrund der Arbeitsrückstände des Bundesamtes zeitweise 300 Flüchtlinge, die noch keinen Anhörungstermin hatten und somit auch keine Gestattung besaßen, die sie als Asylbewerber ausweist, erfuhr ich heute von der Kreisverwaltung, die die monatlichen Zuweisungen  anhand der aktuellen Lagemeldungen des Regierungspräsidiums abschätzt. Danach müssen wir im August mit rund 14.000 Zugängen bei den LEA rechnen und rund 280 Personen für den Enzkreis. Zum Jahresende hochgerechnet ergeben sich damit zirka 850 Personen, die wir noch aufzunehmen haben. Aktuell leben im Enzkreis 772 Personen mit Gestattung - unter anderem abgelehnte, die geduldet werden. Aber was mir fehlt, sind Angaben über die abgelehnten und dann auch in ihre Heimatländer abgeschobenen Asylbewerber. 


Zur Diskussion passt, was der frühere Intendant der Deutschen Welle, Dieter Weirich, in einer Kolumne geschrieben hat: "Mit der Flamme der reinen Gesinnung wird das Problem der Flüchtlinge, das in seiner Bedeutung – da hat Angela Merkel recht – Griechenland bald verblassen lässt, nicht zu lösen sein. 'Wirtschafts-Flüchtlinge' aus sicheren Herkunftsländern wie etwa dem Balkan schaden den eigentlich politisch Verfolgten, hindern die ohnehin überforderte deutsche Bürokratie bei den Aufnahmeverfahren, verweigern sich letztlich auch einem Beitrag am Wiederaufstieg ihrer Heimatländer. Wer deshalb ihre rasche Abschiebung – ob in Erstaufnahmelagern an Grenzen oder mit finanziellen Kürzungen – fördern will, ist deshalb kein kalter und empathieloser Unmensch. 'Verantwortungs-Ethiker' – um Max Webers Begriffe politischen Handelns zu übernehmen – bedenken nämlich rational die voraussehbaren Folgen ihres Tuns. So ist gut, dass der grüne Ministerpräsident Kretschmann im Gegensatz zu seiner Partei mehr von Verantwortung als Gesinnung hält." Hier gibt es den gesamten Text zum Lesen. Noch ein paar Gedanken.





Heute Abend: Die umgerüstete Halle wird besichtigt.




Zusätzlich wurden Container aufgestellt






Stockbetten bestimmen das Halleninnere

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