Die Sehnsucht nach der ewigen Gartenschau




Der Sommerflor muss bleiben.

Das Ende naht. Das Ende der Gartenschau Enzgärten 2015 in Mühlacker. Die Einladung zur Abschlussveranstaltung am 13. September um 10 Uhr ist von der Stadt schon verschickt worden. Doch je näher der 128. und damit der letzte Tag des Grünprojekts rückt, um so mehr wächst die Sehnsucht nach der ewigen Gartenschau, der dauerhaften Fortsetzung des Sommermärchens an der Enz. Einfach deshalb, weil das Projekt zum Riesen-Erfolg wurde, von allen Seiten in den höchsten Tönen gelobt, begünstigt von einem Dauer-Sommer, gerühmt wegen seiner Vielfalt auch bei den Veranstaltungen. Mühlacker, die sympathische Stadt, die die Menschen anzieht. Eine Gartenschau, die auch durch Konzerte, Kabarett, Lesungen, Poetry Slam und anderes den Einheimischen das Gefühl vermittelt, sich nicht (mehr) aus Langeweile nerven zu müssen. Immer ist etwas los. Und dafür war unsere Stadt bisher nicht gerade bekannt. Noch eines zeigte sich: Große Kulturtermine brauchen nicht den Parkettboden (des Mühlehofs), dafür reicht auch ein Betonboden und eine Holzwand als Hallenabschluss (der Heinzelmannhalle). Ganz neue Erkenntnisse. Damit soll in vier Wochen Schluss sein? Plötzlich das große Loch? Rückkehr zu einem Mühlacker, wie es vorher war? 

Diese Erfahrung des nicht enden Wollens machten auch andere Gartenschaustädte. Die Gemeinde Nordheim legte alle zwei Jahre ein zeitlich befristetes Folgeprogramm auf und hielt das bis 2013 durch. Sigmaringen, das vor zwei Jahren die kleine Gartenschau ausrichtete, versuchte dieses Jahr mit einem mehrwöchigen  Blütenzauber daran anzuknüpfen - mit sehr mäßigem Erfolg. Denn die Gartenschau-Atmosphäre, der besondere Kick, fehlte. Deshalb gab es bisher auch nirgendwo  eine ewige Gartenschau. Den Kommunen fehlt dazu - wenn man mal bei aller Euphorie wieder auf den schnöden Mammon blicken darf - das Geld. Die Gartenschau ist einmalig und mit der Garantie versehen, dass noch in den Jahren davon geschwärmt wird. Sie verpufft nicht, sondern hat Folgen. 

Denn vieles bleibt. Bei uns wahrscheinlich mehr als zunächst geplant, vor allem beim Sommerflor. Mühlacker muss weiterhin blühen (im Übrigen auch die Innenstadt) Die Details legt der Gartenschauausschuss des Gemeinderats bei einer Begehung am 31. August mit. Klar ist: Mehr Grün erfordert auch mehr Pflege. Deshalb werden wir als Gemeinderat zusätzliche Mittel bereitstellen müssen. 
Skaterbahn und Spielplatz büßen nicht an Attraktivität ein, nur weil die Gartenschau zu Ende ist. Die Dauergastronomie am Waldensersteg hoffentlich auch nicht. Auf der Dürrmenzer Seite fallen die Mustergärten weg (dafür entstehen private Kleingärten), eine ansehnliche Blumen- und Grünfläche bleibt öffentlich zugänglich, ergänzt durch Klangwelten und die fünf Esslinger als Fitness-Stätte. Die stille Enz im Westen wird, was sie auch vorher war, eine stille Enz sein - jedoch ohne die Rarität Blumenfloristik. 

Die Veranstaltungen? In der Fülle wird es sie nicht mehr geben. Das ist der eigentliche Verlust, doch da muss daran erinnert werden, dass der Steuerzahler dafür gerade steht. Was wollen, was können wir uns, was müssen wir uns leisten? Eine spannende Debatte steht bevor. Die Programme auf Sparkassenbühne und PZ-Bühne mit ungewöhnlich hohen Besucherzahlen leben von den Künstlern und Themen, doch auch von der Gartenschau-Atmosphäre und dem Wissen, dafür beim Erwerb der Dauerkarte schon bezahlt zu haben und das Angebot, ganz in schwäbischer Manier, nun auch nützen zu wollen. Alles begünstigt durch viele sommerliche Nachmittage und Abende. Regnerisch und kühl wie bei "Hiss" am Freitagabend hätte es nicht öfters sein dürfen. Eine Gut-Wetter-Garantie gibt es für die nächsten Jahre nicht, die anderen Motive für den Besuch fallen weg. Was bleibt ist aber der Wunsch, dass die Daueranlagen auch bespielt werden. Kleinkunst im Jugendhaus bietet sich an, erste erfreuliche Überlegungen wie ein Open-Air-Kino an der Enz zeugen vom Mitdenken in der Bürgerschaft. Der Poetry Slam müsste wiederholbar  sein - auch nach der Winterpause. Die MT-Leseinsel bleibt schließlich. Das Weindorf unter den Maulbeerbäumen, eine stabile Murmelbahn auf dem Erdhügel, das naturnahe Enzvorland... Je intensiver man sich mit den künftigen Möglichkeiten beschäftigt, um so leichter fällt der Abschied von  d e r  Gartenschau. Vieles bleibt, hoffentlich unbehelligt von Schmierfinken und zerstörerischen Kräften. Aber das ist ein anderes Kapitel.   

Ach so, die Heinzelmannhalle als neuer Kulturtempel. Ich verstehe, dass manche dies sich wünschen. Doch der Mietvertrag der Stadt mit dem privaten Eigentümer läuft aus. Gelegentlich empfiehlt es sich, damit zu leben, dass es nicht immer auf die Stadt ankommt. 

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