Die Mühe mit der Realität




Martialisch: der Mühlehof mit seiner Seite zur Bundesstraße 10 und zur Gartenschau hin

"Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt", singt Pippi Langstrumpf. Fast hätte ich es heute Morgen angestimmt (wenn ich singen könnte), als ich in der PZ-Ausgabe Mühlacker den lokalen Aufmacher mit der Überschrift "Die Mühe mit dem Mühlehof" las. Eigentlich hätte als Titel besser gepasst: "Die Mühe mit der Realität". Denn meine beiden Fraktionskollegen im Gemeinderat, Thomas Knapp (SPD) und Rolf Leo (FW) schwingen sich zum Lordsiegelbewahrer des Mühlehofs auf, obwohl sie es doch besser wissen müssten (und es, was alles schlimmer macht, auch wissen). Man fühlt sich zurückversetzt ins  Jahr 2005, als der Vertreter des österreichischen Mutterkonzerns der Berliner Firma Echo vor dem Gemeinderat erklärte, zwölf Millionen Euro lägen bereit, in den Mühlehof investiert zu werden. Echo kapitulierte später, als sich kein Ankermieter fand (auch nicht trotz Einschaltens der Immobilienfachleute der Sparkasse). Werden zehn Jahre gescheiterter Suche nach einem Investor genauso gedanklich ausgeschaltet wie das Ergebnis einer Untersuchung, wonach 30 MIllionen Euro Sanierungsaufwand für das Gesamtgebäude entstehen (von einem anderen Büro in einer zweiten Expertise, die auf Wunsch von Stadtrat Leo in Auftrag gegeben wurde, bestätigt)? Ja, das alles wird einfach weggeschoben. Zehn verlorene Jahre! Wenn Stadtrat Knapp jetzt vorschlägt, das Untergeschoss zu Parkplätzen umzumodeln und im Erdgeschoss einen Drogisten als Ankermieter zu nehmen, so fragt man sich unweigerlich, ob er jemand an der Hand hat (das bleibt offen), aber er hätte sagen müssen, dass dies ein Investor, der sich kürzlich im Gemeinderat präsentierte, vorsieht, allerdings auf der Basis des vorherigen Abbruchs des  Kupfer-Koloss'. 


Vollends abstrus  wird es, wenn beide Kollegen so tun, als solle als Ersatz für den Gottlob-Frick-Saal eine Mehrzweckhalle gebaut werden (Knapp: Morgens turnen, abends Theater). Es war nur eine Kollegin, die von so etwas sprach. Klar ist: Sonst will niemand eine Mehrzweckhalle, die große Mehrheit ist für eine Kulturhalle (der Gemeinderat hat das Raumprogramm als Basis des ersten Wettbewers schon beschlossen). Also, was soll's? Weshalb wird eine Chimäre aufgebaut? Um sich als Erhalter besser darzustellen! Dann wird das Klagelied nachgeschoben, jahrelang habe man am Mühlehof nichts gemacht - man fragt sich, wo blieben die Anträge aus dem Gemeinderat, mehr Gelder bereitzustellen? Die gab es nämlich nicht. Fehlanzeige auf der ganzen Bank! Dann bitte jetzt nicht jammern, weil es so schön reinpasst. 
Die mögliche Rettung des Mühlehofs habe in Mühlacker hohe Wellen geschlagen, schreibt der PZ-Autor. Das muss im Verborgenen geschehen sein.

Die Alternative lautet: Ca. 30 Millionen Euro für die Sanierung oder ca. 13 Millionen Euro für eine neue Kulturhalle ohne Abstriche in der Qualität des jetzigen Kultursaals. Weshalb ist die Investition in einen Neubau schlechter angelegtes Geld als jenes für eine Sanierung?

Nein, der neueste Beitrag stellt keine Kehrtwende zum Abriss-Beschluss des Gemeinderats dar. Die Vorschläge sind nur geeignet, die Hängepartie noch weiter zu verlängern und neue Luftballons aufzublasen für all jene, die gerne den Mühlehof erhalten würden, und diese gibt es natürlich. Hoffnungen werden genährt - bis auch diese Luftballons platzen. Luftballons als Teil einer "strategischen Weiterentwicklung der Stadt" sind mir zuwenig. Egal, welche Haltung die einzelnen Bürger in puncto Mühlehof-Abbruch haben, sie wollen Klarheit und nicht nochmals zehn verschenkte Jahre. Aber da ist der mangelnde Brandschutz vor, der die Stillegung des Gebäudes zum 16. Januar 2016 bringt, wie der OB schon öffentlich angekündigt hat. Ich erwarte weitere Beschlüsse des Gemeinderats noch vor der Sommerpause in öffentlicher Sitzung. 

Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Harald Töltl am :

Lieber Günter,

vielen Dank für diesen Beitrag. Dem kann ich nur zustimmen.

Die ewigen Vergangenheits-Lobhudler werden nichts bewegen, aber Stillstand zementieren.

Eine moderne und nachhaltige Stadt braucht eine moderne und nachhaltige Infrastruktur. Das Erhalten von maroden Bausünden gehört nicht dazu.
Antwort

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.