Lehrstück Waldäcker oder Wo wären heute die Betriebe?
Gewerbe- und Industriegebiet Waldäcker
In der Sitzungsvorlage 60/69/97 für den Gemeinderat zum Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan "Waldäcker" waren auch die Einwände aufgelistet: "Des weiteren werden durch neue Gewerbebetriebe keine weiteren Arbeitsplätze geschaffen, sondern durch die Rationalisierung bei Neuansiedlungen werden Arbeitsplätze abgebaut. Die neu geordneten Gewerbeflächen sind überteuert und daher unverkäuflich. Durch Subventionierung darf die Stadt nicht noch mehr verschuldet werden" (S.A.) "Weitere Reduzierung landwirtschaftlicher Fläche. Erschließungspreis, der nicht mehr zu bezahlen ist. Als Folge der Versiegelung der Waldäcker eventuell das Austrocknen des Lugwalds." (F.G.) "Erschließung zu teuer, landschaftsplanerisch abartig und finanzpolitisch gefährlich."(R.)
32 Hektar groß ist die Waldäcker-Gewerbe- und Industriefläche, 25 Hektar konnten unter anderem wegen des hohen Grünanteils baulich genutzt werden. Waren diese 25 Hektar notwendig? Das war immer umstritten (wie die derzeit diskutierten 25 Hektar Bedarfsanmeldung wieder). Im Juli 1996 legte die Liste Mensch und Umwelt ein Papier vor, das 11 ha Gewerbeflächen-Reserven ausweist (ohne Waldäcker). Man müsse sie nur geschickt nutzen und verwerten, so der Tenor. Die Verwaltung nannte die Zahl realistisch, bezweifelte aber, ob alle Flächen dem Markt zur Verfügung stehen. Die LMU greift die Aussage der Stadtverwaltung auf, "keinerlei ernsthafte Interessenten" für die Waldäcker zu haben (MT vom 2.5.1996).
Zwischenfazit: Für ein angeblich nicht notwendiges und teures, deshalb unverkäufliches Gewerbegebiet stehen jetzt, knapp 20 Jahre später, doch viele Betriebe dort. Und trotzdem tauchen diese Argumente in der jetzt anstehenden Entscheidung des Gemeinderats wieder auf.
Wie sich die Dinge wiederholen: "Die Stadt Mühlacker tut sich schwer mit der Planung ihrer Zukunft ... Die Entscheidungsträger sind nicht zu beneiden" (Thomas Sadler, MT vom 23.9.1995, "Waldäcker: Mühlacker in der Klemme").
Im Stadtteil Mühlhausen gab es am 22.2.1995 eine Versammlung der Stadt als Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan Waldäcker. 80 Besucher kamen. Zu diesem Zeitpunkt gehörten nur 7 der 32 ha der Kommune. Neben der Vorstellung der Pläne drehte sich die Debatte stark um den künftigen Quadratmeterpreis für Flächen ("Der spätere Verkaufspreis kann nicht unter 150 Mark pro Quadratmeter liegen", Überschrift MT vom 24.2.1995). In dem Bericht heißt es im letzten Absatz: "Den Bedenken eines Bürgers, das Gebiet könnte später - eventuell nach Süden hin - weiterwachsen, vermochten auch die Experten nicht restlos zu zerstreuen. Bislang sei dies laut Flächennutzungsplan ausdrücklich ausgeschlossen und kein Mensch denke an eine entsprechende Erweiterung. 'Wie allerdings in 20 Jahren darüber gedacht wird', räumte (Bürgermeister) Pisch ein, 'darüber kann man nur mutmaßen:'"
Bei der Entscheidung für die Waldäcker am 12. März 1991 lehnte Stadtrat Manz diesen Standort mit der Begründung ab, damit werde der Sprung über die B 10 präjudiziert. Ausweislich des Protokolls widersprach niemand.
Jetzt, 20 Jahre nach der Bürgerversammlung in Mühlhausen, steht der Gemeinderat vor der Entscheidung. Eine zentrale Frage lautet: Wo wären die Unternehmen, die sich in den Waldäckern angesiedelt haben, wenn die Stadt diese Fläche nicht hätte anbieten können? Teilweise sind es alteingesessene Betriebe. Das Beispiel Firma Münch zeigt, wie Nachhaltigkeit in der baulichen Entwicklung aussieht: Die Firma machte ihr Gelände an der Goldshaldenstraße frei - dort entstehen nun zentrumsnah Wohnungen, die sonst möglicherweise auf der grünen Wiese entstanden wäre.
Welche Stationen hatte eigentlich das Gewerbe- und Industriegebiet Waldäcker? Es war jedenfalls ein langer (Leidens-)Weg. Zwischen der Standortentscheidung (12. März 1991) und dem Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan (27. November 1997) lagen mehr als sechs Jahre. Nicht eingerechnet die gut dreijährige Vorgeschichte.
30.8.1988: Die Stadt startet die Standortuntersuchung mit drei Varianten: Hardt, Schönenberger Tal, Lug/Fuchsensteige
4.7.1989: Neue Standortvarianten Waldäcker, Ziegelhäule, Lug/Fuchsensteige
12.3.1991: Entscheidung für die Waldäcker (GR 29 ja, 5 nein)
1990/1993: Der 1989 genehmigte neue Regionalplan für die Region Nordschwarzwald hielt als Gewerbeflächen zwei Standortvarianten frei: Hardt und Lug/Fuchsensteige. 1992 stellte die Stadt den Antrag auf Änderung des Regionalplanes zugunsten der Waldäcker. Erschwerend kam hinzu, dass die Geschäftsstelle des Regionalverbandes einen "durchgrünten Gewerbe- und Industriepark Mühlacker/Illingen" anregte - von der Osttangente bis zum Illinger Eck mit 60 bis 80 Hektar. Das stieß in Mühlacker auf Ablehnung. Das Ergebnis der Diskussionen: Mühlacker bekommt 32 Hektar Waldäcker-Fläche genehmigt, Illingen 7 Hektar Gewerbefläche am Illinger Eck. Die Grünzäsur zwischen beiden Kommunen wurde entsprechend reduziert. Das war die Basis für die Zustimmung des Landes zur Änderung des Regionaplanes am 9. Mai 1993.
6.12.1992: Aufstellungsbeschluss im Gemeinderat für den Bebauungsplan Waldäcker
März 1993: Gemeinderat beschließt ein Kaufpreisangebot für die privaten Flächen, die auch weitgehend erworben werden konnten
23.7.1996: Auslegungsbeschluss für den Bebauungsplan (GR mehrheitlich bei 5 nein > LMU und 2 Enthaltungen > je ein CDU- und ein SPD-Rat
1997: Einleitung Umlegungsverfahren
25.11.1997: Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan (GR mehrheitlich bei 4 Nein und 2 Enthaltungen)
16.01.2001: Beginn der Vermarktung des ersten Bauabschnitts.
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