Ackerland oder Flächen nur für Lebensmittel nutzen?

Über die Ferienzeit wurde auf der Baustelle kräftig geschafft: Die Biogasanlage im Gewerbegebiet Waldäcker in Mühlacker ist sehr weit gediehen, nächsten Montag können Landwirte erstmals Biomasse anliefern. Doch der Einsatz von Pflanzen stößt immer wieder auf Widerspruch. Äcker seien dazu da, der Ernährung zu dienen, schrieb mir ein besorgter Bürger. Eine ethische Frage, die sehr ernst genommen werden muss. Ich habe unsere Entscheidung im Aufsichtsrat der Stadtwerke Mühlacker GmbH ihm gegenüber mit diesen Argumenten verteidigt:

Wir setzen nur in Teilen "Lebensmittel" ein. Beim Mais sind es lediglich die Körner, der Rest dient nicht als Lebensmittel, aber als Energiemittel. Getreide wird nur Minderwertiges (mit allem Spreu und was dazugehört) eingesetzt, welches sich nicht zu Mehlproduktion eignet. Ein nicht unerheblicher Teil - bei uns zwischen 25 und 30% !! - unserer Biomethanproduktion wird aus Gras gewonnen. Also aus Wiesen, deren Gras seither oftmals nutzlos verrottet ist. Desweiteren werden Stilllegungsflächen (dies ist laut EU erlaubt) für die Biomassegewinnung genutzt.



Verhältnis Lebensmittel - Dritte Welt:

Es nutzt uns nichts, bei uns Weizen anzubauen und in die sogenannte "Dritte Welt" zu schicken oder gar zu verkaufen. Eine richtige Entwicklungshilfe muss einen anderen Ansatzpunkt haben, nämlich die Herstellung von Produktionsmitteln dort (nicht die in Deutschland hergestellte Hacke verkaufen, sondern die Leute die Hacke selbst produzieren zu lassen) und in diesem Falle, beim Lebensmittelsanbau zu helfen, also Hilfe zur Selbsthilfe (Beispiel Karlheinz Böhm). Flächen hat die Dritte Welt wirklich genug.

Verwerflich finde ich es natürlich, dass ganze Regenwälder abgeholzt zur Produktion unserer Möbel mit nachfolgendem Palmenanbau und Produktion von Palmöl zum Betreib von Palmölkraftwerken in Deutschland verwendet werden, welche auch noch nach dem EEG gefördert wird.



Erzeugerpreis Landwirtschaft, "Geregelte Armut":


Es ist höchste Zeit, dass die Landwirte endlich auskömmliche Preise bekommen. Daran sind jedoch die Biogasproduzenten nicht schuld. Vielmehr sind die Rohstoffmärkte in der ganzen Welt leergefegt, in Australien gab es eine Missernte, Inder und Chinesen haben auf einmal die Milch entdeckt. Die Biomasse welche für die Biogaserzeugung notwendig ist, hat hier nur geringsten Anteil an der Steigerung.

Jahrzehntelang wurden die Erzeugerpreise gedrückt. Zum Vergleich: 1950 kostete ein Kilo Brot 0,22 Euro, heute 2,40 Euro. Der Preis für den Mehlanteil an diesem Kilo Brot betrug 1950 0,13 Euro, heute 0,10 Euro. Oder der Anteil der Braugerste am Bier beträgt 2,5% oder 4,1 Cent. Selbst bei einer Steigerung des Braugerstepreises um 60% beträgt der Anteil erst 6,56 Cent. Was das Bier kostet wissen wir ja. Vielleicht schlägt das Bier jetzt um 2,56 Cent auf?, oder, mit erhobenem Zeigefinger auf uns, doch um 50 Cent?.

Die Preise, welchen wir unseren Landwirten für die Biomasse bezahlen, sind auskömmlich und verursachungsgerecht. Beim Mais sind es 23,50 Euro pro Tonne, keine 21 Euro. Auch sind die Preise als Kompensationspreise zu sehen; für Gras bezahlen wir sogar 16 Euro die Tonne (darüber hat sich noch keiner aufgeregt).



Bioethanol:

Die Herstellung von Bioehtanol aus Weizen halte ich auch für falsch. Zum Einen muss die Weizenqualität dafür gut sein (nicht wie bei Biogas), zum Anderen ist der Flächenbedarf mehr als dreimal so hoch wie bei der Herstellung von Biomethan.

Ich sehe die Notwendigkeit, uns von den großen Gaslieferanten unabhängiger zu machen. Bei den Stadtwerken haben wir einen nicht unbeträchtlichen Teil des Tätigkeitsfeldes, der auf Gas entfällt. Ich verweise noch auf die Ziele von Bund, Land und EU, die den Anteil erneuerbarer Energie auf 20 Prozent ausbauen wollen (wir erreichen in Mühlacker durch die Biogasanlage 10 Prozent, eine Verdoppelung gegenüber bisher). Landes- und Bundesregierung propagieren den Einsatz von Biomasse.

Welche Möglichkeiten haben wir in Mühlacker? Holz wäre auch noch verwertbare Biomasse. Es war aber auch die Überlegung, der Landwirtschaft ein zweites Einkommensbein zu verschaffen. Windkraft bietet sich in Mühlacker nicht an, Solarenergie wird von den Stadtwerken schon genutzt, wird auch weiter ausgebaut.


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