1,62 Meter dick und vital: der Kreiselbaum von Lomersheim



Der Birnbaum krönt die Kreisverkehrsinsel

Birnen liegen in dem abgemähten Gras. An den Rändern der Insel des Kreisverkehrs grüßen nach Süden gelbe Rosen, ansonsten wachsen Sträucher und begrenzen sie zur Fahrbahn hin. Im nördlichen Drittel steht der Birnbaum, den es schon gab, bevor dieser Kreisverkehr am Ende der Fuchsensteige bei Lomersheim gebaut wurde. Es war der erste Kreisel in Mühlacker. Ein Anziehungspunkt der sanften Art: Am 1. Mai dieses Jahres picknickte eine Familie unter dem Baum. Aber just dieser soll im Herbst weg. Die Stadtverwaltung hat dies vorige Woche nochmals bekräftigt, wie ich in meiner Heimatzeitung las. Natürlich stützt sich die Verwaltung auf Paragrafen. Einer findet sich immer. Nach Abstimmung mit der Polizeidirektion Pforzheim und dem Regierungspräsidium Karlsruhe müsse der dortige Baum entfernt werden. Basta! Grund: Der Umfang des Baumstamms beträgt mehr als 25 Zentimeter. Dieser Baum sei jedoch schon nach dem Merkblatt für die Anlage von Kreisverkehren (Ausgabe 2006) der Forschungsgesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen unzulässig.
Ich bin jetzt mit einem Maßband losgezogen. Und siehe da: Der Stamm ist 1,62 Meter dick, also um 1,37 Meter zu dick. Über all die Jahre muss er zu dick gewesen sein. Wahrscheinlich schon, als um ihn herum der Kreisverkehr gebaut wurde. Aber nichts ist in all den Jahren passiert. Alle sahen diesen prächtigen Birnbaum rechtzeitig und nahmen die Kurve in den Kreisverkehr. Weshalb hat ein solcher Baum eigentlich keinen Bestandsschutz? Nun ja, weil sich Beamte hinter Paragrafen und Vorschriften verschanzen und niemand mehr die Verantwortung übernehmen will. Sicher ist sicher, da kann einem schon niemand etwas. Auf der Strecke bleibt der gesunde Menschenverstand.
Was ist eigentlich mit den Obstbäumen, die entlang der Fuchsensteige stehen? Müssen die dann auch weg? Und die Alleen in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern? Darf es dann keine Deutsche Alleenstraße mehr geben? Ist jeder Baum mit mehr als 25 Zentimeter Durchmesser ein potenzieller Unfallort? Und was ist mit den rot anzeigenden Ampeln, die gelegentlich missachtet werden?
Was sich hinter den Vorschriften und dem Verhalten der Verantwortlichen verbirgt ist die ewige Sehnsucht, dem Leben das Risiko zu nehmen. Pure Regelungswut.


Abgesehen davon: Da muss ein Autofahrer schon etwas zielen, um auf der großen Insel des Kreisverkehrs am Ortsausgang von Lomersheim den Baum zu erwischen. Ich finde das Risiko überschaubar. Um uns herum, in Deutschlands Nachbarländern, scheren sie sich einen Teufel um solche Vorschriften. Wer im Urlaub die fast schon inflationär vorhandenen Kreisverkehre auf Italiens Straßen anschaut und die "starren Hindernisse" im Kreiselinnern sieht, vor denen sich deutsche Straßenexperten und Verkehrsämter so fürchten, fragt sich: Müssen wir in Deutschland alles so streng und eng sehen?
Es ist nur ein Baum in Lomersheim. Ein vitaler Birnbaum. Aber gerade deshalb muss er stehen bleiben.





Er muss bleiben


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Kommentare

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Bertram Schaier am :

Diesen Paragrafen kann man sicher auch für den Mühlehof anwenden. Stellen Sie sich vor, einer der vielen tiefergelegten, von Testosteron statt von Hirn gesteuerten Autos mit röhrendem Auspuff, fährt mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Fußgängerzone und kommt nicht ums scharfe Eck ...

Seien wir ehrlich, leben ist immer lebensgefährlich. (Erich Kästner)
Antwort

Günter Bächle am :

Stimmt. Selbst wer nicht mehr aus dem Haus geht, kann auf der Kellertreppe stürzen
Antwort

Hans Schmidt am :

Ich habe mir mal das zitierte Merkblatt für Kreisverkehre durchgelesen und wage zu behaupten, meine Amtsbrüder, Stadtverwaltung usw. irren sich!
Das Merkblatt besagt in Pkt. 8.1: "...Auf starre Hindernisse gegenüber den Knotenpunktzufahrten ist aus Sicherheitsgründen zu verzichten." Dabei wird aber davon ausgegangen, dass dies den Einbau, Aufbau usw. während des Neuaus des Kreisverkehrs betrifft. Der Baum war doch aber schon vor dem Kreisverkehr da und ist -ein wenig um die Ecke gedacht- deshalb kein Bestandteil des Neubaus...
Somit ist der Baum zwar ein potentielles Verkehrshindernis, kann aber bleiben, weil er mit der damaligen Neuanlage gar nichts zu tun hat.
Antwort

Günter Bächle am :

Danke für den Tipp. Greife ich gleich auf. Grüße nach Leipzig
Antwort

Uwe Rücker am :

Hallo Herr Bächle, komme gerade aus Südfrankreich zurück. Die Franzosen scheren sich einen Dreck drum, was Brüssel entscheidet, die "können" halt einfach Kreisverkehr. Hier ein paar besonders schöne Beispiele aus Google Streetview:

Sommières mit gleich 2!!! Lokomotiven
und einem Tunnel!!!!! auf dem Kreisverkehr:

https://maps.google.fr/?ll=43.788926,4.082344&spn=0.004198,0.009645&t=h&z=17&layer=c&cbll=43.78909,4.082307&panoid=qvp7o16oNT4akjDQvbVZ9A&cbp=12,239.06,,0,13.52

Oder hier aus St. Mathieu de Trévieres, die haben eine kleine
Languedoc-Landschaft mit Garrigue, Olivenbäumen, Steinmauer und Wengert!!!

https://maps.google.fr/?ll=43.774208,3.870277&spn=0.001906,0.009645&t=h&z=17&layer=c&cbll=43.774451,3.870216&panoid=W0kHbXzJnfzDC54YQd9IYg&cbp=12,241.16,,0,29.53

https://maps.google.fr/?ll=43.774526,3.870135&spn=0.001057,0.002411&t=h&z=19&layer=c&cbll=43.774575,3.870031&panoid=ZXpihSf_Ck18ItKwp4btmw&cbp=12,212.09,,0,27.53

https://maps.google.fr/?ll=43.774526,3.869487&spn=0.001057,0.002411&t=h&z=19&layer=c&cbll=43.774526,3.869487&panoid=whf63y9VGgHv-4IGDsK3Gg&cbp=12,144.4,,0,18.33

Habe mich bei S21 für die Bäume eingesetzt und möchte das hier auch tun. Ich habe entsprechendes auch an Markus Rösler geschrieben, vielleicht ergibt sich ja die Gelegenheit zu einer kreis- und parteiübergreifenden Initiative, das wäre ja mal was neues und positives. Also auf jeden Fall mit dem Einsatz nicht nachlassen.
Antwort

Günter Bächle am :

Hallo Herr Rücker, herzlichen Dank für die Hinweise. Ich konfrontiere damit gleich die tangierten Ordnungsämter der Stadt und des Kreises.
Viele Grüße
Günter Bächle
Antwort

Bertram Schaier am :

Ich fürchte nur: So ungehorsam ist unsere Verwaltung nie!
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