Städtetag entdeckt jetzt auch die Gemeinderäte

Der Städtetag Baden-Württemberg gehört zum Trio der kommunalen Spitzenverbände. Die Stadt Mühlacker gehört ihm auch an. Das kostet jedes Jahr 9000 Euro. Der Städtetag vertritt die Interessen der Städte gegenüber dem Land und der Öffentlichkeit, sorgt für Serviceleistungen, die die Kommunen nutzen können. Der Städtetag als gesammelter Sachverstand (es gibt noch den Gemeindetag, der uns 6800 Euro kostet). Alle zwei Jahre finden die Hauptversammlungen statt: 20 Minuten Formalien, zwei Stunden Reden, dann Mittagessen. Stadträte sind auch eingeladen - als Staffage. Hauptsache der Saal ist voll. Denn den Kurs des Städtetags (und des Gemeindetags und des Landkreistags) bestimmen die Verwaltungschefs, so als sei der Gemeinderat nicht das Hauptorgan einer Stadt. Doch jetzt hat der Städtetag Baden-Württemberg doch die Ratsmitglieder entdeckt. Wenn es um www.abgeordnetenwatch.de geht. 

Der Städtetag Baden-Württemberg hat die Betreiber des gemeinnützigen Web-Portals abgeordnetenwatch.de beim Hamburgischen Datenschutzbeauftragten angezeigt. Wie im Newsletter von abgeordnetenwatch.de zu lesen ist, lautet die Begründung: Die Interessen der Kommunalpolitiker seien höher zu gewichten als die durch abgeordnetenwatch.de erzeugte Transparenz. Der Städtetag Baden-Württemberg komme daher zu dem Schluss, dass Kommunalpolitiker anders als Bundestags- oder Landtagsabgeordnete nicht ohne deren Einwilligung für Bürger befragbar gemacht werden dürfen. Dem stimmen die Portalbetreiber nicht zu. In deren Newsletter heißt es: „Es kann nicht sein, dass man von einem Volksvertreter zunächst eine Genehmigung einholen muss, damit er oder sie öffentliche Bürgerfragen entgegennimmt.“ Auch lasse man sich vom Städtetag Baden-Württemberg nicht einschüchtern und sei mit elf weiteren Kommunen gestartet. Derzeit können auf abgeordnetenwatch.de Politiker aus 38 Kommunen öffentlich befragt werden.
In welcher Welt lebt denn eigentlich der Städtetag? Meint der Spitzenverband wirklich, die Bürger müssen sich vorher eine Frage an ihre Bürgervertreter genehmigen lassen? Wenn jemand eine Frage oder ein Anliegen hat, werden alle Kommunikationsmittel benutzt: Telefon, Mail, Internet oder einfach das Gespräch morgens beim Bäcker. Alles ganz ohne vorherige Genehmigung. Weshalb nicht auch über abgeordnetenwatch.de? Kommunalpolitik braucht Transparenz. Und wer sich zur Wahl stellt, muss bereit sein, Öffentlichkeit zu akzeptieren. Das spricht sich hoffentlich bald bis zum Städtetag um. Vormund für die Ratsmitglieder muss er nicht spielen. Ob die OBs und BMs dahinter stecken? Diese bestimmen doch die Politik des Verbandes.

Also, lieber Städtetag: Einfach umdenken. Pragmatisch denken. Nicht Verhinderer sein. Und nicht so viele Briefe schreiben für Gemeinderäte, die eh keinen Einfluss auf die Politik des Städtetags haben. Raus aus den exklusiven OB- und BM-Runden, frische (Transparenz-)Luft atmen und in der Realität auch der Kommunalpolitik ankommen. Wir haben doch eine Bürgergesellschaft.

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