Der Aischbühl, Mühlacker und die Belgier



Im Jahr 2002: Vor-Ort-Termin der CDU-Gemeinderatsfraktion mit Bürgern im Aischbühl.

Eine Geschichte, wie sie möglicherweise nur in Mühlacker passieren kann: Im Jahr 2000 beschloss der Gemeinderat, für Aischbühl-Ost einen Bebauungsplan aufzustellen. Doch dann meldeten sich Eigentümer von Flächen in Aischbühl-West und regten an, ihren Bereich gleich einzubeziehen. Denn der gesamte Aischbühl war seit vielen Jahren im Flächennutzungsplan als Bauland ausgewiesen. In einer Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik kam die Forderung aus der SPD-Fraktion, eine Gesamtkonzeption für das gesamte Areal zu entwickeln. Das führte zu einem Aufstellungsbeschluss im Gemeinderat am 19. Februar 2002, nachdem der Fachausschuss im Januar auf Antrag der FW die Abgrenzung fixiert hatte (13 Ja, fünf Nein, eine Enthaltung). Die CDU hat all diese Vorschläge unterstützt und sich auch vor Gemeinderatswahlen zur Bebauung des Aischbühl bekannt.

Einige der folgenden Stationen: 2003 Beratung des städtebaulichen Vorentwurfs, 2005 Beauftragung eines Erschließungsträgers und Beauftragung eines städtebaulichen Entwurfs, dazwischen immer wieder Eigentümergespräche (bis auf wenige Ausnahmen wollten alle diesen Bebauungsplan und warteten darauf, dass das Verfahren schneller vorangeht), städtebaulicher Wettbewerb, 2007 Vorentwurfsbeschluss, 2008 Entscheidung über die Abgrenzung des Plangebiets (reduziert auf zwei Drittel des ursprünglichen Umfangs), Lärmgutachten, naturschutzrechtliche Untersuchung, dazwischen eigenartig lange Pausen und - ja dann: Plötzlich stellte voriges Jahr Wienerberger die Ziegelproduktion in Mühlacker ein, die belgische Firma Koramic versucht das Areal unter anderem für Wohnbebauung zu vermarkten, die Stadtverwaltung redet plötzlich Aischbühl-West schlecht und will die Hoffnungen der dortigen Eigentümer den Gewinninteressen des belgischen Unternehmens unterordnen ("die Zinsuhr tickt", hieß es gestern Abend von der Verwaltungsbank herab). Koramics wirtschaftliche Interessen wiegen offensichtlich mehr als die jahrelangen Hoffnungen von Mühlackerer Bürger, die auf die Zusagen zur Bebauung des Aischbühls setzten. Eine neue Politik in unserer Stadt?

Ja, gestern Abend: Die CDU-Fraktion versuchte, einen einheitlichen Bebauungplan für Aischbühl-West und -Ost zu retten, obwohl sich schon in der nichtöffentlichen Beratung im Ausschuss zeigte, dass es Absetzbewegungen anderer Fraktionen gab (die LMU war eh schon immer dagegen, die SPD vollzog auf dem langen Weg eine Kehrtwende). Mit neun gegen 21 Stimmen unterlagen wir von der CDU. Nun stehen wir als Stadt dort, wo wir schon 2000 Jahren: Es gibt nur einen Bebauungsplan für Aischbühl-Ost. Das hätten wir schneller und billiger haben können. 

 Was blieb in dem elfjährigen Verfahren auf der Strecke?




  • 166.000 Euro Steuergelder. Bei der Bebauung Ost kann nach Angaben der Stadtverwaltung maximal ein Drittel über die Erschließungsbeiträge refinanziert werden, den Rest muss die Stadt abschreiben


  • Die Stadt hat 7100 qm Fläche im Aischbühl, die sie hätte vermarkten können, was selbst bei einem höheren Erschließungsaufwand (bedingt durch Lärmschutz und topografische Lage) machbar gewesen wäre. Die Fläche bleibt nun weiterhin totes Kapital, gleichzeitig wird aber über Steuererhöhungen geredet

  • Vertrauen von Grundstückseigentümern, denen seit Jahrzehnten Hoffnung auf die Bebauung gemacht wurde

  • Eine Wahlaussage des OB-Kandidaten Frank Schneider für die Bebauung des Aischbühl in der Zwei-Drittel-Lösung (er stimmte gestern trotzdem gegen unseren Antrag)

  • Unnütz geleistete Arbeit, vergeudete Kraft für kontroverse Debatten

  • Raum für rund 15 Häuser statt der einst vorgesehenen rund 80. 



Und alles nur, weil sich die Stadtverwaltung überschlägt, der belgischen Firma die Steine aus dem Weg zu räumen für ein Wohnareals, direkt neben einem Industriegebiet (attraktiv?), in einer Fläche mit vielen Konflikten, von denen niemand weiß, ob sie gelöst werden können. Ich bin überzeugt, der Aischbühl wäre als innenstadtnahe Fläche schneller zu bebauen gewesen (so lange noch Einwohnerzuwächse unter den Kommunen zu verteilen sind) als die Ziegelei. Ob die Firmen, die im ins Visier genommene Areal derzeit vorhanden sind, alle umgesiedelt werden können, wie manche im Rathaus träumen, um ein reines Wohngebiet zu entwickeln? Zweifel sind erlaubt.
Schon sollten die Grundstückseigentümer in Aischbühl-West gestern Abend wieder vertröstet werden mit dem Hinweis, die Fläche bleibe ja im Flächennutzungsplan. "Irgendwann" oder wenn aus der Ziegeleibebauung nichts werde, könne darauf zurückgegriffen werden. Der Aischbühl als Spielball.


Die unendliche Geschichte einer Hoffnung, die sich nie erfüllt, weil dem Gemeinderat die Kraft fehlt, gefasste Beschlüsse durchzutragen und die Verwaltung nicht in der Lage (oder willens?) ist, diese zügig umzusetzen (war auch bei der Ausweisung von Gewerbeflächen so). Aber, seien wir ehrlich: Für Aischbühl-West wird es, solange Widerstand gegen die Bebauung besteht, keine Mehrheit mehr geben. Irgendwann erledigt sich das auch durch den demografischen Wandel. Aber dann muss auch ein Schlussstrich unter dieses traurige, lange und teure Kapitel gezogen werden statt wieder anzufangen, die Eigentümer hinzuhalten: Deshalb ist es nur konsequent und ehrlich, die Fläche nun aus dem Flächennutzungsplan zu nehmen. Das sollten wir bei nächster Gelegenheit tun. Denn wo sollen "irgendwann" die Menschen herkommen, die vielleicht 2020, 2030 oder 2040 auf den Aischbühl ziehen? Wäre das Verfahren zügig abgewickelt worden, hätten wir als Stadt noch etwas vom Kuchen der Wanderungsgewinne abschneiden können. Aber so...


Pech gehabt.

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