Skurriler geht's nimmer

Mühlehof
Mutig, mutig, was sich ab und zu in den Leserbriefspalten findet:  Im untersten kalkulierbaren Bereich für Abriss und Neubau kann man ab zwölf Millionen Euro aufwärts rechnen. Das wird sicher nicht reichen. Es ist Geld, das die Stadt nicht besitzt . . . Der Gegner eines Mühlehofabbruchs sieht dunkle Wolken auf die Stadt zutreiben. Aber offenbar nur, wenn jenes eintrifft, das er noch abzuwenden hofft. Der Aufwand für die Sanierung schenkt einem der Himmel - das Wort Gutachter, die diesen weitaus höheren Aufwand errechneten, setzt er in Gänsefüßchen, um ihnen die Glaubwürdigkeit zu nehmen. Doch dann schlägt der Verfasser einen Haken, der selbst den gestählten Leser der etwa 80 Zeilen, verwirrt zurücklässt. Wozu brauchen wir in Mühlacker einen Theater- beziehungsweise Ballsaal mit Platz für bis zu 800 Menschen? Die wirklich klein bemessene Schar von Menschen, die großes Theater, Ballett und Oper lieben, haben die Möglichkeit, diese Events in Pforzheim, Ludwigsburg, Stuttgart und Karlsruhe zu erleben. Im Übrigen müssen auch diese genannten Kulturhäuser subventioniert werden. Weshalb dann Mühlacker? Reduziert die Kapazität auf die Hälfte, das ist ausreichend und mindert die Auflagen des Brandschutzes beträchtlich. Ein geschrumpfter großer Saal? Büros, Ärzte, Heilpraktiker in die abgezwackten Sälekapazitäten. Ein Total-Umbau der oberen Geschosse. Darunter Ladenzeilen mit einer Art Hofläden. Das ist nun die neueste Variante. Mit Geld, das die Stadt aber nun plötzlich doch hat?! Der nach vorne geneigte Leser bleibt verwirrt zurück, obwohl ihm zur Kenntnis gegeben wird: Beispiele, wie das funktioniert, gibt es genügend im Lande. Auf die Nennung selbiger verzichtet der Bürger, der in herer Absicht getextet hatte, aber großzügigerweise. Skurriler geht's nimmer.

Oder sollte die Zuschrift im MT ein Satire-Versuch sein? Da fällt mir ein anderer Leserbrief ein, den vor Tagen die PZ veröffentlichte: Endlich handle der Gemeinderat und setze den Abriss des Mühlehofs um, jubelte die Enzbergerin. Ich will noch nachschieben, die öfters zu vernehmende Behauptung, ein Privatmann saniere sein Häusle und breche es nach 40 Jahren nicht ab, stimmt auch nicht (mehr). In der Lienzinger Straße und an der Hohenstaufenstraße mussten jetzt Gebäude, entstanden in den Nachkriegsjahren, neuen Wohnhäusern Platz machen. Ganz einfach so. Weil der Neubau wirtschaftlicher ist, der Standard zur Zeit passt. Die Ausschreibungen für den Mühlehofabriss laufen, die (Vor-)Arbeiten sollen noch im Juli beginnen, das Konzept dazu ward Ende April dem Gemeinderat wieder und der Öffentlichkeit erstmals vorgestellt worden.  Es war höchste Zeit! Ende 2018 soll der Kupfer-Koloss weg sein. Wie lange die Übergangsphase zwischen Abbruch Mühlehof und Neubau einer Stadthalle auf dem frei werdenden Areal in der Stadtmitte andauern wird, vermochte noch niemand vorhersagen. Die Weichen, ließ der OB durchblicken, müsse der Gemeinderat vor Weihnachten im Zuge der Haushaltsberatungen stellen. Er weiß auch: Mit dem Konzept für eine neue Stadthalle kann die Verwaltung zügig rüberkommen. Wohlgemerkt für eine neue Stadthalle, nicht für einen amputierten Gottlob-Frick-Saal.

 

Update 20. Mai 2018, neuer Leserbrief:

Der  Leserbrief hat zwei Bruchstellen in der Argumentation:

- von 2005 bis 2011 gehörte der ganze Mühlehof der Firma Echo in Berlin, die angetreten war, zwölf Millionen Euro in den Komplex zu investieren. Dass daraus nichts geworden ist, wissen wir, wird aber leider immer wieder vergessen.

- Er spricht zwar von Rücklagen-Notwendigkeiten für den kulturellen Teil, übersieht aber, dass damit nichts gewonnen gewesen wäre, weil die gewerbliche Fläche weitaus größer ist. Und die letzten privaten Eigentümer des gewerblichen Teils waren finanziell schwach auf der Brust, erledigten nur mit Müh und Not ihren Anteil an den laufenden Verpflichtungen aus dem gemeinschaftlichen Bereich.

Grundsätzlich zu den Rücklagen im 2020 auslaufenden kommunalen Kameralistik-Haushaltsrecht. Das sieht nur die Bildung allgemeiner und keiner zweckgebundenen Rücklagen vor. Ausnahme: z.B. Ablösebeträge für Parkplätze. Deshalb heißt sie  Allgemeine Rücklage und dient dem Haushaltsausgleich (Stand 2017: 15 Mio Euro bei der Stadt Mühlacker).

Zum neuen Haushaltsrecht, der Doppik, heißt es in der Kommentierung Aker/Hafner/Notheis: "Wegen der Wirkung auf den auszuweisenden Überschuss oder Fehlbetrag und um eine Atomisierung der Kapitalposition zu vermeiden, sollte von der Bildung zweckgebundener Rücklagen sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht werden. Deswegen ist eine Begründung für die Notwendigkeit der Bildung einer zweckgebundenen Rücklage erforderlich. Die Gründe sollten im Anhang nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 angegeben werden."

Eigentlich muss die Erneuerung des Werteverzehrs von Gebäuden etc. aus Abschreibungen finanziert werden. Nach dem bisherigen Haushaltsrecht waren Abschreibungen  nur für kostenrechnende Einrichtungen zu veranschlagen. Für andere Bereiche war die Veranschlagung freigestellt. (Aker/Hafner/Notheis).

Mit der Doppik kommt die Verpflichtung, Abschreibungen zu erwirtschaften, und zwar projektbezogen. Aker/Hafner/Notheis: Die Situation ist nun eine völlig andere. (…) In Ergebnishaushaltsplan und -rechnung werden mit den Abschreibungen alle Wertminderungen des Sachvermögens als Aufwendungen ausgewiesen. Der anzustrebende Ausgleich des Ergebnishaushalts bewirkt, dass sie durch Ressourcenaufkommen wieder zu erwirtschaften sind. Im Erfolgsfall ist die Bilanz von Ressourcenverbrauch und -aufkommen ausgeglichen. In das nun zu beurteilende Ergebnis fließen alle Werteverzehre ein, nicht nur die, welche durch Entgelte erwirtschaftet werden konnten. Die Möglichkeiten für Beurteilungskriterien der Finanzsituation haben sich dadurch verbessert.

Allerdings: Manche Kommunen fällt die Erwirtschaftung aller Abschreibungen schwer.

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