"Street-Scooter" und andere Stromer

Drei Stromer im Test. (Quelle: "obs/Touring Club Schweiz/Suisse/Svizzero - TCS/TCS")

Ob Mühlackers OB Frank Schneider es seinem Namensvetter, dem Bürgermeister von Langenfeld gleichtun wird? Denn in der  Kommune im Rheinland solllen bis zum Jahr 2022 rund 1000 E-Autos fahren. Der "Street-Scooter" hat es Frank Schneider angetan: der gelbe Transporter mit Elektro-Antrieb, ein Eigenfabrikat der Deutschen Post, mit dem die Briefträger auch in Mühlacker unterwegs sind. Mehr als 3000 rollen deutschlandweit. Die Post produziert ihn nicht nur für sich selbst, sondern nun auch für Fremdfirmen. Und so zitiert RP Online den Langenfelder  Bürgermeister. "Die Erfolgsgeschichte dieses Autos zeigt, wie viel Potenzial in der Elektromobilität steckt", sagt Frank Schneider. Die Stadt habe den Scooter für ihren Betriebshof getestet und werde nun zwei davon anschaffen - mit den Haushaltsmitteln, die eigentlich für neue Transporter mit Verbrennungsmotor vorgesehen waren. Denn die Stadt müsse mit gutem Beispiel vorangehen, wolle sie die 1000er-Marke reissen. Dagegen realisierte die Gemeinde Ehrenkirchen in Südbaden ihr spezielles Modell: Ein Stromer samt Schnellladesäule mit zwei Anschlüssen gibt es am Rathaus. Während der Dienstzeiten nutzen den Wagen Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung, außerhalb der Arbeitszeiten im Rathaus steht der Renault Zoe 400 allen Bürgern zur Verfügung. Carsharing der besonderen Art. Anbieter ist die my-e-car GmbH.  (Irgendwie bringt man das in Mühlacker nicht auf die Reihe.)

Trotzdem: Elektromobilität bleibt (noch) der Markt der kleinen Zahlen. Exakt 16.433 reine Stromautos sind in den ersten drei Quartalen 2017 in Deutschland zugelassen worden. Eine Nische?  Eher eine Nische der Nischen. Vom Start des Förderprogramms des Bundes 2016 sind bis zum 31. Oktober 2017  beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) 37.697 Zuschussanträge eingereicht worden. Seit Ende September kamen damit 4037 Anträge neu hinzu. Für reine Batterie-Elektroautos gab es bisher insgesamt 21.963 Anträge auf einen 4000-Euro-Zuschuss. Für mit 3000 Euro subventionierte teilelektrische Plug-in-Hybride mit Verbrenner, E-Maschine und begrenzter Elektro-Reichweite liegen dem Bafa 15.730 Anträge vor. Für Wasserstoff-Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle sind weiter erst 4 Anträge eingegangen (Förderung: 4000 Euro).

Immerhin: Für ein Ranking reichen die Zahlen. Die Modell-Top-10-Liste führt der Renault Zoe an, der von mir gefahrene Leaf von Nissan belegt einen Platz nach zehn. Immerhin sieben der zehn Top-Modelle stammen von deutschen Autobauern. Ein Silberstreif am Himmel. Zumal die Mehrheit der Verbraucher an den Elektroantrieb glaubt: 59 Prozent der Befragten traut rein batterieelektrischen Antrieben und Plug-in- Hybriden eine dominante Rolle zu; weitere 10 Prozent setzen auf Wasserstofffahrzeuge. Das zeigt eine Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag der Deutschen Energieagentur (Dena) im August 2017. Unterdessen rät der Wissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker zur Gelassenheit, was konkrete und verbindliche Terminvorgaben betrifft. In einem Interview mit der Heilbronner Stimme„Bitte kein Schnellschuss beim Verbrennungsmotor“. Trotzdem müsse man „natürlich die E-Auto-Technik vorantreiben“, so der Präsident des Club of Rome und frühere SPD-Politiker. Und das planen die Autohersteller: lautlose Fahrzeuge.

Nicht nur das: Mit der jetzigen Gründung des Gemeinschaftsunternehmens IONITY stellen die BMW Group, Daimler AG, Ford Motor Company und der Volkswagen Konzern mit Audi und Porsche die Weichen für den Aufbau eines neuen Schnellladenetzes für Elektrofahrzeuge in Europa. Die Errichtung und der Betrieb von insgesamt rund 400 Schnellladestationen bis 2020 sind wichtige Schritte, um Elektromobilität auch auf Langstrecken zu gewährleisten und sie damit im Markt zu etablieren.

Kein Gespräch über die Mobilität der Zukunft im Freundes- und Kollegenkreis ohne Häme wegen mangelnder Reichweite, lückenhaftem Netz an Ladestationen, Fehlen eines Gesamtkonzepts auch beim entstehenden Mehrbedarf an Strom. Die Diskussionen sind jedenfalls immer lebhaft. Da passt, dass sich Unternehmen neue Dinge einfallen lassen, so  die Firma Energie 360°, die zu 96 Prozent der Stadt Zürich gehört, mit einer App, die Zugang zu allen Ladestationen ermöglicht. Auf der interaktiven Karte werden alle europaweit verfügbaren Ladestationen mit unterschiedlichen Farben und Piktogrammen dargestellt. So weiss der E-Autofahrer jederzeit, welche Tanksäule frei, bereits zum Tanken reserviert oder ausser Betrieb ist. Ladestationen von Drittanbietern, bei denen Gebühren anfallen, sind mit Blitzen markiert.

Ja, es gibt ihn, den Reichweitentest. Kilometer pro Akkuladung. Elektrofahrzeuge fahren immer weiter - aber nicht so weit wie die Werbung verspricht, heißt es in der Bilanz des Touring Clubs Schweiz. Getestet und verglichen wurden ein Renault Zoe, ein Nissan Leaf und der Opel Ampera-e (Foto oben). Die Batteriekapazitäten der getesteten Elektrofahrzeuge reichen von 30 kWh bis 60 kWh und ermöglichen laut Herstellerangaben Reichweiten bis 520 km. Diese Reichweiten werden wie bei Verbrennungsmotoren auf dem Prüfstand und unter Laborbedingungen ermittelt. Ziel des TCS Tests war es die unter Realbedingungen möglichen Reichweiten und Verbrauchswerte der Fahrzeuge zu ermitteln. Zu diesem Zweck wurde die Beladung der Fahrzeuge einer Ferienfahrt nachempfunden.

Und dann noch ein Blick auf jene, die mehr mäkeln als loben. Elektrofahrzeuge sind lokal emissionsfrei. Zum Beispiel in der Umweltzone in Mühlacker, in der ein Diesel-Fahrverbot droht. "Jede Form von Kraftfahrzeugantrieb verursacht Probleme, das gilt auch für den Elektroantrieb“, schreiben 15 ehemalige Verkehrsprofessoren. Sie haben den Eindruck, dass bei "dieser Diskussion die Gesetzmäßigkeiten der Physik außer Acht gelassen werden." Den Abrieb von Bremsen, Reifen und die Wiederaufwirbelung gibt es beim E-Auto genauso wie bei Autos mit Verbrennungsmotor“, erklärte Dekra-Fachmann Clemens Klinke. Die Professoren fordern in ihrer neuen Studie von der Politik, Effizienzstandards für E-Autos einzuführen. Sonst bestehe die Gefahr, dass Hersteller keine sparsamen Elektroautos produzieren, sondern die „Null-Emission“ ausnutzen, um gerade große und schwere Verbrenner mit hohen CO2-Emissionen durch entsprechend große und schwere (oder noch schwerere) Elektrofahrzeuge zu ersetzen“. 
Da sind wir wieder an dem kritischen Punkt. Ein Gesamtkonzept fehlt. Doch das spricht nicht grundsätzlich gegen E-Mobilität. Auf Stromautos erst dann zu setzen, wenn alle Probleme und Schwachstellen beseitigt sind, hieße, nie zu starten. 

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