Aus zwei mach eins oder lass es bei zwei

Klare Botschaft
Blick zurück auf einen denkwürdigen Oktober-Abend in der Aula des Kreisberufsschulzentrums zwischen Lienzinger Straße und Kerschensteinerstraße in Mühlacker. Eine Informationsveranstaltung, die die Kreistagsfraktionen durchsetzten. Diese große Diskussionsveranstaltung über den von der Kreisverwaltung vor Monaten klammheimlich ausgeheckten Plan einer Fusion der beiden benachbarten Berufsschulen brachte eine klare Botschaft: Die überwiegende Mehrheit der 200 Besucher lehnt, gemessen an Beifall und Wortmeldungen, den Zusammenschluss der kaufmännischen Georg-Kerschensteiner-Schule mit der benachbarten gewerblichen Ferdinand-von-Steinbeis-Schule ab. Begeisternd war, wie sich Schüler, Lehrer und Eltern engagierten. Fast drei Schul-Stunden in lebendiger Demokratie.
Die Kerschensteiner-Schule sagt entschieden Nein, zumal die Kreisverwaltung bis jetzt den Eindruck nicht zerstreuen konnte, alles zusammen mit dem Chef der Steinbeis-Schule an den "Kaufmännern" vorbei eingefädelt zu haben. Der erste Weg der Verwaltungsspitze führte vor einem Jahr nicht nach Mühlacker zu beiden betroffenen Einrichtungen, sondern vom Landratsamt Pforzheim ins Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe - deren Vertreter in der Aula vom Landrat zwar als neutral vorgestellt wurden, die aber eindeutig Partei für eine Fusion ergriffen. Ein ziemlich nervöser Landrat ließ die von ihm sonst gewohnte Souveränität vermissen, als ein junger Mann die RP-Vertreter etwas flapsig anging, Schüler Fähnchen gegen die Fusion schwenkten und gleich zu Beginn ein Transparent gegen eine "Zwangsehe" in den Saal trugen (des Landrats Reaktion: "Ich kann gleich abbrechen"). 
Nachdem die Debatte voll gegen den Zusammenschluss lief und die "Kerschensteiner" dominierten (die waren zuhauf da), entfuhr der Referatsleiterin aus dem RP etwas hilflos die flehentliche Frage, ob von den  Befürwortern niemand im Saal sei. Der Chef der gewerblichen Schule hatte wohl die Lage unterschätzt, auf die Kraft seiner Pro-Rede gesetzt und ansonsten die Dinge laufen lassen. Gegen Ende der Debatte flüchtete er sich, immer wieder attackiert, in die Aussage, seine Schule brauche die Fusion eigentlich nicht (dafür steht auch ein im Netz stehendes Protokoll seiner Schule aus 2016). Im Gespräch mit Verwaltung, Vertretern der Kreistagsfraktionen und RP Ende Mai hatte er seine Schule noch als eine Art Sanierungsfall dargestellt und deshalb für das Zusammengehen plädiert. Sein Kollege von der kaufmännischen Schule, der im Sommer 2018 in den Ruhestand wechselt und damit ungewollt die Verschmelzungsdebatte auslöste, konnte sich in der Aula zurücklehnen und seinem Kollegen verschmitzt empfehlen, nach dem Vorbild der Kerschensteiner Schule das Marketing zu verstärken und so auch zusätzlich Vollzeit-Schüler zu gewinnen - bei seiner, der kaufmännischen Schule habe dieses Rezept Früchte getragen, was sich an steigenden Schülerzahlen belegen lasse, weshalb sie ihren Weg allein gehen wolle.
Die Aula füllt sich (am 17. Oktober 2017)

Die Zwischenbilanz: Konfrontation, Streit, Polarisierung. Ergebnis einer gründlich schief gelaufenen Strategie der  Behörden. Wird der Kreistag die Fusion trotzdem erzwingen? Man mag im Zusammenschluss das alleinige Konzept vermuten, um beide Schulen für die Zukunft konkurrenzfähig aufzustellen, wie es das "neutrale" RP tut. Oder man sieht die Chancen in dem Motto "klein, aber fein" für beide Schulen (wofür unter anderem eine Schülerin schwärmte, die das große Berufsschulzentrum in Bietigheim verließ, um an die kleinere Kerschensteiner Schule in Mühlacker zu wechseln). Eines aber ist sicher: Nachdem inzwischen viel Porzellan zerschlagen wurde, sind alles andere als gute Voraussetzungen für einen Zusammenschluss gegeben. Zwang ist keine Triebfeder für ein gutes Miteinander. Beim Hinausgehen kam eine Frau auf mich zu und fragte, ob es denn keinen Mittelweg gebe. Den zu finden, müsste nun Aufgabe der Kreisverwaltung sein, damit eine ungewöhnlich unprofessionell gestartete Aktion doch noch als Meisterstück endet. Kooperation statt Zwangsfusion könnte die goldene Mitte sein. Aus zwei mach eins oder lass es bei zwei?
Jedenfalls spielte bei all dem die Schulverwaltung des Landes keine rühmliche Rolle. 
In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Landtagsabgeordneten Dr. Erik Schweickert (Drucksache 16 / 2079) schreibt Kultusministerin Susanne Eisenmann:

„Es gibt vonseiten der Landesregierung keine gezielten Bestrebungen für solche Fusionen
(…) Bislang liegt nach Information des Regierungspräsidiums Karlsruhe dort lediglich
eine Voranfrage zu einer möglichen Zusammenlegung vor. Mit dem Schulträger
werden auf dieser Basis Gespräche geführt. Eine konkrete Bewertung kann vorgenommen werden, wenn der Schulträger einen Antrag mit allen erforderlichen Unterlagen eingereicht hat. Bisher liegt ein solcher Antrag nicht vor.“

In der Sitzungsvorlage der Kreisverwaltung über ein am 30. Mai stattgefundenes Gespräch der Kreisverwaltung mit Vertretern der Schulen, des RP und der Kreistagsfraktionen steht: 

„Die Referatsleiterin 76 (Berufliche Schulen) und stellvertretende Abteilungsleiterin der Abteilung Schule und Bildung des RP Karlsruhe, Frau Höninger hat in ihrem Vortrag betont, dass aus schulfachlicher und personeller Sicht alle Sachargumente für eine Zusammenlegung sprechen und das RP die Initiative der Schulverwaltung des Enzkreises unterstützt. Eine Zusammenlegung beider Schulen ist sehr wichtig für die Stabilisierung und Zukunftsfähigkeit der Beruflichen Schulen. Aus Sicht des RPK entstehen bei einer Zusammenlegung vielfältige Synergien, die insgesamt - im Gegensatz zur Beibehaltung der Eigenständigkeit der beiden Schulen - zu einem leistungsfähigeren, innovativeren und konkurrenzfähigeren Bildungsangebot führen.“

Der Kreistag hat in der Sache noch nicht entschieden. Es stellt sich die Frage, wie sich der entschiedene Einsatz von Frau Höninger für die Fusion mit Eisenmanns Aussage verträgt,  eine konkrete Bewertung könne erst nach einer Antragstellung durch den Enzkreis erfolgen. Offenbar ist aber diese Prüfung schon erfolgt, um den Kreistag unter Druck zu setzen, sich für die Fusion zu entscheiden. Deshalb lobe ich mir die Courage, mit der in der Aula auch Lehrer ihre Meinung wider der von Höninger vertraten. Immerhin die Herrin über ihre Personalakten.

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