Sofort verfügbar heißt das Zauberwort

Waldäcker Ost: Mühlacker, gewerbeflächenmäßig fast ausverkauft, ist als Standort gefragt.

Zitat des Flächenverantwortlichen eines großen Unternehmens: Die wesentlichen Standortentscheidungen zu den Technologien der Zukunft werden innerhalb der nächsten zwei bis fünf Jahre fallen. Wenn in der Region die hierfür erforderlichen Flächen nicht zur Verfügung stehen werden, werden zentrale Zukunftsentwicklungen an der Region vorbeigehen. Und diese Entscheidungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit irreversibel sein. Nein, das sagte niemand aus Mühlacker, sondern ein Firmensprecher aus der Region Stuttgart, wiedergegeben in einer Sitzungsvorlage des Verbands Region Stuttgart. Zur Jahresmitte hatte der Stuttgarter Regionalverband beklagt, das Angebot an Industrie- und Gewerbeflächen sei weiter zurückgegangen. Ein Bericht der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) vom Juni 2017 beziffert die sofort verfügbaren Flächen auf der grünen Wiese mit 97 Hektar, 23 davon entfallen auf die vom Verband Region Stuttgart als Regionale Gewerbeschwerpunkte ausgewiesenen Gebiete. Nach Auskunft der befragten Kommunen sollen dort planmäßig in den kommenden fünf Jahren insgesamt 61 Hektar zur Baureife geführt werden. Um mittelfristig die Nachfrage aus Industrie und Gewerbe erfüllen zu können, müssten in den Kommunen der Region jährlich über 100 Hektar neu ausgewiesen werden, heißt es in dem Papier.

Was hat das Mühlacker zu tun? Unsere Stadt gehört zur Region Nordschwarzwald und die verfügt - aus Stuttgarter Sicht - über genügend Flächen, um zusammen mit anderen Nachbarregionen der Region Stuttgart Konkurrenz zu machen. Das liest sich so: Die Region Stuttgart hat auch im Vergleich mit den umliegenden Regionen und ausgewählten Großstadtregionen das niedrigste Angebot an sofort verfügbaren Gewerbeflächen. Dabei weist die Region Stuttgart die höchste Beschäftigtendichte und damit eine, verglichen mit anderen Regionen, maximale Nutzungsdichte auf. Keine andere Vergleichsregion geht so effizient mit den Flächen um wie die Region Stuttgart. 

Die Realität? Knittlingen bleibt bisher auf Gewerbeflächen an der B35 sitzen. Die PZ - Ausgabe Mühlacker -  veröffentlichte am 1. Oktober 2016 auf Seite 25 ein Interview mit dem Knittlinger Bürgermeister Hopp. Auf die Frage: Weshalb es so lange dauere, das Gewerbegebiet „Knittlinger Kreuz“ an der B 35 zu besiedeln, antwortete Hopp unter anderem: Es ist ein Gewerbegebiet, das etwa schwerer zu besiedeln ist als ein Industriegebiet. Bei uns gelten andere Emmissions- und Immissionswerte, auch weil gegenüber ein Wohngebiet liegt. (…) Meine Anfrage an die Stadtverwaltung Mühlacker, wie diese Hopp'sche Erkenntnis bei der Standortsuche in Mühlacker zu bewerten sei, schickte OB Frank Schneider einen lapidaren Satz: Die näheren Rahmenbedingungen in Knittlingen sind der Verwaltung nicht bekannt.

Und die andere Realität? Mühlacker, gewerbeflächenmäßig fast ausverkauft, ist als Standort gefragt. Der Gemeinderat vergab die beiden letzten großen Flächen in den Waldäckern an zwei auswärtige Unternehmen, was durchaus auf Kritik stieß. Künftige Nachbarn von ICON - einer der beiden Ansiedler - veweisen darauf, eigentlich habe die Stadt immer wieder wissen lassen, diese letzte Fläche sei für kleinere Betriebe gedacht. Erst vor wenigen Tagen wurde dies bei einem Lokaltermin mit Vertretern aller Gemeinderatsfraktionen vorgebracht. Denn die Anlieger sollen nun die Folgen tragen: mehr Verkehr.

Mühlacker und die Region Stuttgart haben jedenfalls nun eine (weitere?) Gemeinsamkeit.

Es ist ein dringender Handlungsbedarf auf allen politischen Ebenen zu erkennen, erklärte WRS-Geschäftsführer Dr. Walter Rogg im Wirtschaftsausschuss des Verbands Region Stuttgart. Gemeinsam mit der Hochschule St. Gallen in der Schweiz arbeite die regionale Wirtschaftsförderung mit Hochdruck an Umsetzungsinstrumenten und konkreten Maßnahmen zur Förderung der Gewerbeflächenaktivierung in der Region. Mit der Vorstellung von Handlungsempfehlungen soll nach der Sommerpause die Diskussion auf regionaler Ebene fortgesetzt werden. Wenn wir nicht gegensteuern, zeichnet sich eine weitere Verschärfung der Angebotslücke ab. Wir laufen Gefahr, dass Entscheidungen über Zukunftsinvestitionen an uns vorbeigehen, skizzierte Rogg die möglichen Folgen. Insgesamt verfüge die Region Stuttgart über ein Gesamtpotenzial von 880 Hektar planungsrechtlich möglicher Neu- und Bestandsflächen, die nur bei vollständiger und rascher Aktivierung den Bedarf der nächsten fünf Jahre decken könnten. 

Ähnliche Worte hört man Mühlackers OB und anderen Befürwortern einer 25 Hektar großen zusätzlichen Gewerbe- und Industriefläche. 

Meine Fraktion sprach sich vor dem Bürgerentscheid für ein neues Gewerbe- und Industriegebiet aus - auch ich. Wir stehen auch im Gemeinderat zu unserem Wort.  Doch damit ist keine Entscheidung über einen Standort verbunden. Apropos Standort:  Zu verweisen ist auf die im Regionalplan auf Wunsch der Stadt Mühlacker geschaffenen Möglichkeiten zur Ausweisung eines Gewerbe- und Industriegebietes südlich der Waldäcker. Das wäre der schnellste  Weg. Sofort verfügbar heißt das Zauberwort. Doch eine Mehrheit des Gemeinderates will diese Möglichkeiten nicht nutzen. Dabei wäre es sinnvoll, eine Gewerbeentwicklung an einem vorhandenen Standort zu konzentrieren und nicht die Landschaft mit immer neuen Standorten zu belasten.

Wer einerseits die Entwicklung eines Gewerbegebietes für dringlich hält, andererseits sich den Möglichkeiten des Regionalplanes verweigert, widerspricht sich selbst. Das trifft auch auf die Stadtverwaltung zu. Eine gefühlte Mehrheit des Gemeinderats setzt wohl als letztes Aufgebot auf die Hart an der B35 als Kombination aus Wald und Offenland. Sie übersieht dabei, dass der Regionalplan diesen Freiraum sichert und eine Bebauung untersagt. Diese Position wird durch den neuen Landschaftsrahmenplan des Regionalverbandes zusätzlich untermauert. Für die Hart steht dort: Erhaltung und Weiterentwicklung einer durchlässigen Landschaft innerhalb der Verbundräume des Offenlandes, es ist eine Landschaft mit hoher Erlebnisqualität. Der Regionalplan ist kein Spielmaterial örtlicher Gemeinderäte. Wer die Festsetzungen nicht ernst nimmt, wird scheitern. Oder spüren, an Grenzen zu stoßen. Der Zeitpunkt ist möglicherweise ganz nah. Hinzu kommt, was Esslingens OB  Jürgen Zieger (SPD) so formuliert: Die öffentliche Meinung sei angesichts der Vollbeschäftigung davon geprägt, nicht immer mehr Flächen auszuweisen. Das Ergebnis des Mühlacker Bürgerentscheids lässt grüßen.

Auch Illingen sucht Flächen, hat fast nichts mehr. Hoffnungen auf ein gemeinsames Gewerbegbiet erfüllten sich bisher nicht. Zahlenmäßig verfügt die Region Nordschwarzwald über genügend Gewerbeflächen, nur sind manche am falschen Standort und lassen sich schwerlich vermarkten. Mühlacker ist nachweislich ein gefragter Gewerbebauland-Platz. Doch das ist keine Garantie, dass rasch neue Flächen zur Verfügung stehen. Aber an diesem Punkt waren wir ja schon...

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Oliver Mestenhauser am :

Guten Tag Herr Bächle,
es geht nicht um die Ausweisung NEUER Gewerbe- und Handelsflächen, es geht viel mehr um eine Flächen schonende Verwaltung vorhandener Gewerbe- und Handelsflächen ! Billig, Billiger, möglichst Umsonst bauen, dass ist die Devise bei Handel und Gewerbe und die Stadt Mühlacker macht mit, GELDGIER ? (siehe u.a. neuen Toom Baumarkt, Thyssenkrupp). Betrachten Sie einmal das Verhältnis Bebauung und Freifläche ( Lieferverkehr und Stellplätze ). Schauen Sie sich doch einmal Luftbilder von Handels- und Gewerbegebieten an. Bsp. Toom Baumarkt 8000 zu 17000 m², einfach Wahnsinn. Massive, Mehrgeschossige Gewerbehallen, gemeinsam mit Fremdfirmen, incl. Parkhaus, bzw. Tiefgarage. Vorhandene Gebiete umstrukturieren. Fa. Chraiss Neubau mehrgeschossig für Büro und Wohnungen, Fremdfirmen, Toom Baumarkt verbinden mit Edeka und Aldi, gemeinsames Parkhaus und Lieferverkehr, ggf. großflächige Tiefgarage für mehrere Anwohner und ggf. neues Mehrgenerationenhaus.
Wir alle brauchen Ortsnahe landwirtschaftliche Flächen unter Berücksichtigung der kommenden zusätzlichen Weltbevölkerung. Wir müssen in vielen Bereichen umdenken, wobei die Geldgier einzelner nicht weiter hingenommen werden kann. Eine Politik muss für alle da sein, nicht nur für einzelne Klientel, welche heute schon über 80% des Vermögens Weltweit besitzen. Stellen Sie ein Parkhaus, incl. Tiefgarage mit Büroflächen auf den Mahle Parkplatz und die Fa. Dobler hat ein neues Domizil. Jetzt gebe ich Ihnen den Freiraum für eigene Gedanken.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Mestenhauser
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