Sonnenkönig? Kreis-Fürst? Chef!
Manche Landräte wie der Ludwigsburger dürfen öfters nach Brüssel, weil sie in EU-Gremen sitzen, um dort die Fahne der kommunalen Selbstverwaltung hoch zu halten. Der inzwischen dienstälteste nordbadische Kreis-Chef Röckinger begnügte sich mit der nationalen Ebene: Vorsitzender des Kommunalverbandes Jugend und Soziales Baden-Württemberg (als ehemaliger Sozialdezernent passend), Vizepräsident des Landkreistages Baden-Württemberg, Präsidiumsmitglied des Deutschen Landkreistages, im Vorstand des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg. Und so weiter und so fort. Es ist nicht nur das Amt, das einen Reiz ausübt, sondern auch das Drumherum, wobei die Neben-Funktionen einem im Laufe der Amtszeit zuwachsen. Beileibe nicht alle warten quasi schon beim Start.
Zuvörderst leitet der Landrat (oder die Landrätin) die Verwaltung und sitzt (wenn auch ohne Stimmrecht) dem Kreistag vor, ist Rechtsaufseher über die Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern (27), Chef(in) von im Enzkreis etwa 770 Personen (ohne die Mitarbeiter der Kliniken) - sie verschaffen ein Jahresbudget von derzeit 212 Millionen Euro (auch ohne die Krankenhäuser). Also ein größerer mittelständischer Betrieb. Und der sucht nun einen neuen Leiter oder eine Leiterin. Noch ist die Stelle nicht ausgeschrieben, das muss ein spezieller Kreistagsausschuss am 14. September beschließen. Die Wahl durch den 55köpfigen Kreistag ist auf den 14. Dezember terminiert. Doch wie auf einen Paukenschlag waren allein heute die Lokalzeitungen voll mit möglichen Kandidatennamen, mal mit weniger, mal mit mehr: Erster Landesbeamter Kleih will Landrat im Enzkreis werden - Ambitionen auf den Job des Landrates - Zwei mögliche Kandidaten - Wachsende Lust am Landratsposten, gleich drei Personalien im Gespräch
Den Draht nach Stuttgart hat ein extra gebildetes Spezial-Gremium des Kreistages mit der sperrigen Bezeichnung Besonderer beschließendenr Ausschusses zur Vorbereitung der Landratswahl. Der Ausschuss legt dem Innenministerium die eingegangenen Bewerbungen mit den dazugehörigen Unterlagen unverzüglich vor. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist führt der besondere beschließende Ausschuss die Verhandlungen über die Benennung von mindestens drei geeigneten Bewerbern mit dem Innenministerium. Können das Innenministerium und der Ausschuss keine drei Bewerber nennen, so ist die Stelle erneut auszuschreiben – es sei denn, der Ausschuss verzichtet auf die Benennung weiterer Bewerber. (zitiert aus dem Arbeitspapier der Kreisverwaltung)
Wie wäre es eigentlich mit der Volkswahl der Landräte auch in unserem Land so wie in den meisten Bundesländern? Die grün-rote Landesregierung (2011/16) hatte sich das aufs Panier geschrieben. Doch sie gab den Plan auf. Die Gründe: Angst vor extrem niedrigen Wahlbeteiligungen, aber doch vor allem, weil das Land in der Personalsache nicht mehr mitreden könnte.Sonnenkönig gesucht? Das würde ein zutiefst patriarchalisches Verständnis von Politik verraten, das heute weder vorstellbar noch wünschenswert ist. Genauso wie Kreis-Fürst - auch wenn mancher Landrat sich schon als solcher wähnt(e). Karl, der Große gehört nicht dazu.
Kommentare
Noch keine Kommentare