Für Nein entschieden

Mehrheit ist etwas anderes. 15 dafür, 10 dagegen, 6 beteiligten sich nicht an der Abstimmung und werden deshalb nicht mitgezählt. Die formale Mehrheit war im Verwaltungsausschuss des Gemeinderates von Mühlacker erreicht, um die Stelle des Integrationsbeauftragten bei der Stadtverwaltung für die restlichen zwei Jahre wieder auszuschreiben, nachdem sich der bisherige Stelleninhaber nach lediglich  fünf Monaten verabschiedet hatte. Doch wirklich dafür waren nur 15 von 31, also weniger als die Hälfte. Enthaltungen zählen eben nicht. Die Stadt nutzt ein auf drei Jahre befristetes Förderprogramm des Landes. Dessen Anspruch: "Das Land unterstützt die Kommunen bei der strukturellen Verankerung ihrer Integrationsaufgaben. Nachhaltige Strukturen können zum Beispiel durch die Einrichtung einer zentralen Ansprechstelle, den Aufbau eines Integrationsnetzwerks oder die interkulturelle Öffnung der Kommunalverwaltung geschaffen werden." Einzelfallhilfe ist nicht vorgesehen, praktische Integrationsarbeit im Alltag auch nicht. Der bisherige Beauftragte beschränkte sich auf das Erheben von Statistiken und der Sondierung der Migrantengruppen.Der Integrationsbeirat schlummerte weiter. Die Kritik an dieser Aufgabenstellung richtet sich deshalb eher an die Adresse des Landes. Trotzdem tat ich mir mit der Entscheidung schwer, habe mich aber nach dem Abwägen von Pro und Contra für das Nein entschieden, genauso wie die ganze CDU-Fraktion und ein Kollege der Freien Wähler (die anderen FW-Räte enthielten sich).
Ausschlaggebend für  das Nein war, dass inzwischen auch ein Inklusionsbeauftragter für die Stadt von einem Arbeitskreis gefordert wird. Das Land debattiert über Gleichstellungsbeauftragte. Es ist ein Beauftragten-Unwesen, das Geld kostet. Ich bezweifle auch, dass die Stelle des Integrationsbeauftragten nach zwei Jahren gestrichen werden kann, weil sich dann alle, die auch diesmal Mails schrieben, sich wieder melden und den Posten für unverzichtbar erklären, aber dann bezahlen wir die Kosten voll aus der Stadtkasse (jetzt gibt es 50 Prozent vom Land). Gleichzeitig steigen die Personalausgaben für unsere ureigenen Bereiche (siehe Forderungen von Verdi für die Erzieherinnen an kommunalen Kindertagesstätten). In den vergangenen Jahren wuchs unser Personaletat von 11 auf 15 Millionen Euro - es wird Zeit, sich auf die ureigenen Bereiche zu beschränken und nicht am Personal zu sparen, das die Kernaufgaben der Verwaltung zu erledigen hat. Zweifel sind auch vorhanden, ob jemand Qualifiziertes zu gewinnen ist für eine 50-Prozent-Stelle, befristet auf zwei Jahre (so lautet der Beschluss). 

Hat der Integrationsbeauftragte nur eine Alibifunktion für die Verwaltung? Ist das Nein dazu ein Nein zur Integration? Keineswegs! Integration muss gelebt werden. Den entscheidenden Ausschlag für mein Abstimmungsverhalten gab eine Antwort von Gökay Sofuoglu, Co-Vorsitzender des Bundesvorstandes der Türkischen  Gemeinde in Deutschland, in einem Interview [Ludwigsburger Kreiszeitung, 9. Februar 2015]. Auf die Frage "Bringen uns kommunale Integrationsbeauftragte weiter?" seine Antwort: "Ich bin kein Freund von solchen Beauftragten, weil Migrationsthemen Querschnittsthemen sind. Eigentlich müssten alle Ämter in ihren Planungen die Vielfalt in der Kommune gleich mit berücksichtigen und danach zum Beispiel die Kulturarbeit planen oder die Wohnungspolitik gestalten. Wir Migranten sind in der Lage Kommunalpolitik zu machen, wenn man uns von Anfang an miteinbezieht. Wenn ich mit den Leuten gemeinsam essen will, dann will ich auch mit ihnen kochen."

Integration braucht Bereitschaft. Integration ist keine Einbahnstraße. Wer sich integrieren will, braucht keinen Beauftragten. Ob ein Beauftragter bei Leuten, die sich verweigern, etwas erreicht? Praktische Kommunalpolitik, die zur Integration beiträgt, bringt die Sache eher voran. Integration als Querschnittaufgabe - nicht alle hatten das mit der Querschnittsaufgabe im Ausschuss verstanden.

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