Erster Weltkrieg - eine lokale Spurensuche



Ein Kriegsspiel für Erwachsene und die reifere Jugend - aus den ersten Kriegsmonaten. (Stadtarchiv Maulbronn)

Vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus. Wie wirkte sich dieser auf einen kleinen Ort wie Lienzingen aus? Welche Spuren gibt es in der eigenen Familie, die aus dem Württembergischen und Badischen stammt? Eine Suche.          
In dem 1970 erschienenen Heimatbuch "Lienzingen" von Friedrich Wißmann findet sich zwar auf Seite 340 eine Liste der aus Lienzingen stammenden 24 Gefallenen, aber sonst sind die Informationen eher spärlich, müssen aus einzelnen Kapiteln zusammengetragen werden, ergeben aber dann doch ein Gesamtbild. Da findet sich im Kapitel "Schule" der Hinweis, dass 1916 Hauptlehrer Burkert "eingezogen" wurde (weshalb, muss der Leser selbst wissen). Sein Stellvertreter, der schwerbeschädigte unständige Lehrer Schwarz, angewiesen auf ein Taggeld von 3,40 Mark, forderte die Einführung von Abteilungsunterricht. Denn er war nun mit 160 Schülern alleiniger Lehrer. Der Gemeinderat beschloss dann, für 20 Mark monatlich vier Stunden Abteilungsunterricht zu genehmigen, was vom Oberamt in Maulbronn befürwortet wurde. Burkert nahm 1919 den Unterricht wieder auf, Schwarz war von 1915 bis 1919 in Lienzingen. Knapp 900 Einwohner zählte der Ort. Bürgermeister (Schultheiß) war damals Adolf Fallscheer, dessen jährliche Bezüge am 1. Oktober 1916 genau 3000 Mark betrugen. Fallscheer, 1907 mit 127 von 158 Stimmen gewählt, war zuvor Assistent des Stadtschultheißenamtes in Großsachsenheim. Er blieb bis 1920 im Amt. 


Die Pfarrstelle Lienzingen blieb von 1914 bis 1918 unbesetzt. Pfarrverweser Immanuel Pfisterer, seit 1914 am Ort, wurde zum Militär eingezogen - für ihn versah Otto Solleder, Basler Missionar in Heilbronn, den Dienst. Manchmal halfen auch der Pfarrverwalter aus Schmie und der Pfarrer aus Zaisersweiher aus. Wegen des Krieges konnte der 1918 bestellte neue Pfarrer Hans Wiest aus Tübingen seinen Stelle erst zum 15. Januar 1919 antreten, weil er zunächst "noch beim Heer stand" (Wißmann). Schultheiß Fallscheer beklagte 1918, dass die Gemeinde seit längerer Zeit keinen ständigen Geistlichen mehr habe. 

Noch ein Hinweis findet sich, und zwar bei der Geschichte des Turnvereins. Das für den 2. August 1914 angesetzte Gauturnfest musste abgesagt werden: "Der zum Ausbruch gekommene 1. Weltkrieg setzte dem Vereinsleben fürs erste ein Ende."  Erst nach Kriegsende lebte der TV wieder auf - die erste Versammlung fand am 19. Juni 1919 im "Hirsch" statt. Seinen gefallenen und vermissten Mitgliedern widmete der Turnverein eine am 8. Mai 1920 eingeweihte Gedenktafel. Ähnliches ist vom Männergesangverein "Freundschaft" Lienzingen zu berichten: Bis zum Ersten Weltkrieg habe ein reges Vereinsleben geherrscht. "Als aber viele Sänger zum Heeresdienst eingezogen wurden, ruhte während der Kriegszeit der Verein." 1919 knüpften die heimgekehrten Sänger an die Zeit vor dem 1. August 1914 an. 
In Karl Knöllers "Unser Dürrmenz-Mühlacker" wird ein ganzes Kapitel dem Ersten Weltkrieg gewidmet und darin unter anderem beschrieben, was an den Mobilmachungstagen (2. bis 6. August) am Bahnhof Mühlacker ablief.  Freiwillige verteilten belegte Brote, Kaffee und Tee in den Truppenzügen.  "Die Naturalien wurden mit Vorliebe von den Gemeinden selbst zur Austeilung gebracht."  In den Zeitungen erschienen in den Wochen darauf die ersten Verlustlisten, schreibt Knöller. 

Die Folgen des Ersten Weltkriegs beschrieb jetzt  am Jahrestag des Ausbruchs am 1. August bei einem Vortrag  im Museum auf dem Schafhof Maulbronns Bürgermeister Andreas Felchle unter dem Titel „1914 – Die europäische Katastrophe“. Er schilderte darin die Folgen für die kleine Klosterstadt, in der auch das für Lienzingen zuständige Oberamt seinen Sitz hatte. Manches galt sicherlich auch für das wenige Kilometer entfernte Dorf Lienzingen. Die vorherrschende Meinung: An Weihnachten 1914 ist der Krieg wieder vorbei. Ein Irrtum! Es war der Arbeitskräftemangel, den die Menschen bald spürten, weil die Männer eingezogen wurden. Und auch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Im eisernen Buch der Stadt Maulbronn sind die Namen der 55 Gefallenen bei damals 1500 Einwohnern aufgelistet.

Und wie war das in der eigenen Familie? 

Mein Opa: Der Vater meiner Mutter (geboren 11. August 1916) fiel am 15. September 1916 in Péronne m französischen Département Somme: Gotthilf Ernst Schrodt, geboren am 26. Oktober 1887 in Schützingen. Der Gipsermeister lebte mit seiner Familie in Schützingen und war verheiratet mit Marie, geborene Bahnmeier.  (Quelle: Totenkarteien im Hauptstaatsarchiv Stuttgart) 

Mein Onkel: Der Bruder meines Vaters (geboren 2. Mai 1899) fiel in den letzten Kriegstagen am 4. Oktober 1918 in in Frankreich, bei Sommerance im Département Ardennes: Wilhelm Bächle aus Langenordnach bei Neustadt im Schwarzwald, geboren am 9. Mai 1891 in Neustadt, lediger Fabrikarbeiter, Sohn von Dyonis und Berta Bächle. Die Eintragungen in der Kriegsstammrolle der 12. Kompagnie Infanterie Regiment Nr. 170 weisen die Stationen des Soldaten aus: Von den ersten Kriegstagen an dabei, 10. November 1915 verwundet, März 1917 Kriegslazarett. Der Gefreite habe sich mehrfach durch Mut und Tapferkeit ausgezeichnet, heißt es in der Begründung zur Verleihung der silbernen Verdienstmedaille am Bande der militärischen Karl-Friedrich-Verdienstmedaille des Großherzogtums Baden am 16. Dezember 1917. Da hatte er schon das Eiserne Kreuz II. Er war 1,65 Meter groß, hatte blondes Haar, einen Schnurrbart, war an beiden Armen tätowiert. Was ihm fehlte, war das Quäntchen Glück, um lebend das Kriegsende zu erreichen. (Quelle: Generallandesarchiv Karlsruhe)


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