Naturschutz versus Windkraft -was wiegt schwerer?



Windatlas Baden-Württemberg.

Die ehrgeizigen Pläne der Bundesregierung zur Energiewende bedürfen auch der regionalen und lokalen Unterstützung. Dass sich dabei aber Konflikte der seltenen Art - eine gute Sache steht gegen die andere gute Sache - ergeben, erleben wir in der Region Nordschwarzwald. Der Regionalverband hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Windkraftstandorte auszubauen. Er legt auf der Basis von Windmessungen, in Verbindung mit weiteren Kriterien, die "Bauplätze" für regional bedeutsame Windmühlenanlagen fest. Wir hofften, durch den Windatlas der Landesregierung einen entscheidenden Schritt voranzukommen. Doch die Daten waren überraschend: An weniger Stellen als gedacht bläst der Wind so kräftig, dass es sich wirtschaftlich erlaubt, eine Windkraftanlage zu betreiben. Jüngst riet ein Vertreter von TÜV Süd, der den Windatlas erstellt hat, in der Sitzung des Planungsausschusses des Regionalverbandes NSW in Empfingen, Standorte auszuwählen, an denen der Wind in 140 Meter Höhe über Grund mindestens 5,5 Meter pro Sekunde "schnell" ist. Auf 140 Meter Höhe gebe es ein steigendes Potenzial um cirka 0,2 bis 0,3 Meter je Sekunde. Der TÜV-Mitarbeiter meinte, die Windmühlen in Simmersfeld - derzeit größte Anlage in Baden-Württemberg - seien zu niedrig gebaut.


Doch inzwischen erschließen sich uns neue Konfliktfelder. Denn etwa die Hälfte aller Standorte auf der Basis 140 Meter Höhe liegen in der Region vor allem dort, wo sich entweder Vogelschutzgebiete der Europäischen Union,  Flora-Fauna-Habitat-Gebiete oder Flächen für ein geplantes Schutzgebiet für das Auerhuhn - immerhin das Wappentier des Kreises Freudenstadt - breit über die Landschaft legen. Diese Schutzflächen "erschlagen" eigentlich die Windkraft, schließen solche Anlagen aus. Gar alle Standorte in der Region Nordschwarzwald mit einer Windgeschwindigkeit von mindestens 6,5 Meter pro Sekunden befinden sich in diesen Schutzgebieten, vor allem in den Bereichen Freudenstadt, Baiersbronn, Bad Herrenalb und teilweise auch Bad Wildbad. Behalten die Schutzgebiete höchste Priorität, kann die Region das Kapitel "Windkraft" weitgehend zuschlagen.



Naturschutz ist gut, Windkraft aber auch. Gutes kontra Gutes. Was wiegt in Zeiten der Energiewende mehr? Bin gespannt, wie die grün-rote Landesregierung die Gewichte verteilt. Denn sie muss den Teilregionalplan Windkraft auch der Region Nordschwarzwald genehmigen. Wenn uns die Energiewende wichtig ist, müssen wir jeden Standort auch in diesen Schutzgebieten einzeln bewerten und abwägen, welchem Wert letztlich das höhere Gewicht beigemessen wird. Das wird eine politische Entscheidung. Das Bundesamt für Naturschutz sagt, zur Vermeidung möglicher Beeinträchtigungen von z.B. Fledermaus- oder Vogelarten sei die Wahl von geeigneten Standorten sehr wesentlich. Hierbei seien im Vorfeld der Errichtung von Windkraftanlagen entsprechende Untersuchungen vorzunehmen. Heißt: Jeden Einzelfall prüfen. Auch wenn das einen zusätzlichen Zeitaufwand bedeutet.



Eines steht schon jetzt fest: Bei der Energiewende knirscht es mancherorts ganz schön.

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Kommentare

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Gerhard Waldbauer am :

Hallo Herr Bächle,

ich bin beim Googeln auf Ihren Blog und Ihre Beiträge zur Windkraft gestoßen. Meine Frage: Steht in der Gegend von Heimsheim/Friolzheim ein Windrad?

Ich sehe nämlich von meiner neuem Wohnung in Remseck aus am Horizont im Westen ein Windrad und meine Suche anhand der Top. Karte hat mich zum Betzenbuckel zwischen Heimsheim und Friolzheim geführt. Allerdings habe ich im Web keine Hinweise auf eine dort stehende Windkraftanlage oder gar Fotos gefunden.

Viele Grüße
Gerhard Waldbauer
Antwort

Günter Bächle am :

Hallo Herr Waldbauer, ich komme erst heute dazu, auf Ihren Kommentar zu antworten. War drei Wochen in Urlaub in Italien und habe mich dabei auf Online-Abstinenz gesetzt. Zwischen Heimsheim und Friolzheim gibt es kein Windrad. Könnte es Schömberg sein?

Viele Grüße
Günter Bächle
Antwort

Thomas Stadtlander am :

Hallo Herr Bächle,
wir haben im Süden des Landkreises Calw mehrere Windvorranggebiete vorgeschlagen, die aus Sicht des Naturschutzes mit WEA genutzt werden können, wenn diese mindestens 180 Meter Nabenhöhe bekommen, weil dann die Fledermäuse und Rotmilane genügend Platz unter den WEA behalten. Unsere Segelflugplätze und der Kranichkorridor liegen dann außerhalb dieser Vorranggebiete.
Grus von Thomas Stadtlander
Antwort

Günter Bächle am :

Für uns als Regionalverband ist es wichtig, mit unseren umfassenden - mit dem Erlass des Landes jedenfalls in Teilen übereinstimmenden - Kriterien, einen regionsweiten "Suchlauf" zu starten (was wir ja bereits auch gemacht haben (Planungsausschuss-Vorlage für den 15.02)). Für die naturschutz- und artenschutzrechtliche Beurteilung von Potenzialen sind die Aussagen des Landes (auf die wir noch warten) relevant. Im Einzelfall können zusätzlich natürlich die Vor-Ort-Kenntnisse der eingetragenen Naturschutzverbände sehr hilfreich sein. Wir würden im Verfahren die privaten Naturschutzverbände auf jeden Fall ins Boot holen (Bietet sich im Rahmen des Scoping der SUP an)! Die Erkenntnisse des privaten und des amtlichen Naturschutzes wären auf jeden Fall miteinander zu vergleichen. In einer Gesamtschau müsste man sehen, was zum Schluss heraus kommt.

In der Konsequenz heißt dies für Verbandsdirektor Dirk Büscher, wie er mir heute mitgeteilt hat: die naturschutz- und artenschutzfachlichen Kenntnisse des privaten Naturschutzes sind für uns wertvoll und wir werden sie "einbauen", ob bei einer Standortsuche unter Berücksichtigung aller Kriterien dann Ihre Vorschläge herauskommen, bleibt aber abzuwarten.

180 Meter Nabenhöhe ist technisch derzeit nicht Standard. Die Nabenhöhe liegt bei 135 Metern, 180 Meter ist eher die Gesamthöhe
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