Farbenprächtige Lienzinger Pietà

Die Lienzinger Pietà in ihren Anfangszeiten. Farben von Hannah Backes aufgrund der von ihr am Torso noch gefundenen Reste rekonstruiert (Quelle: Präsentation der Ergebnisse bei der VHS-Veranstaltung am 28. April 2022 in der historischen Kelter in Mühlacker)

So prächtig dürfte sie ausgesehen haben, die Pietà aus dem Chor der Frauenkirche, rekonstruiert aus den Farbenresten des Originals. Das Geheimnis lüftete gestern in der historischen Kelter in Mühlacker Hannah Backes. Sie schrieb ihre Masterarbeit im Fach Konservierung und Restaurierung von Gemälden und gefassten Skulpturen an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart über die geheimnisvolle Lienzingerin.

Hannah Backes, aufgewachsen in der Nähe von Trier, wechselt jetzt beruflich an die Documenta in Kassel. Sozusagen zwischen Umzugskartons und -terminen lieferte sie im Heimatmuseums Mühlacker komprimiert die in ihrer Meisterarbeit dargestellten Forschungsergebnisse ab - innerhalb der sechsteiligen Veranstaltungsserie der Volkshochschule mit diesmal deutlich höherer Besucherzahl als beim ersten Termin vor einer Woche.

Kunsthistorische Aufarbeitung und kunsttechnologische Untersuchung eines spätgotischen Skulpturen-Fragments nennt sich das Projekt. Pietà steht für Frömmigkeit und  Mitleid, unsere Herrin vom Mitleid. Auch Vesperbild genannt, ist es in der bildenden Kunst die Darstellung Marias als Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus Christus. Das wohl bekannteste Beispiel schuf Michelangelo. Doch die Pietà im Petersdom ist aus Marmor gefertigt.

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Markant und äußerst stark: Friedenstraße 9, Lienzingen. Das Glanzstück aus dem Dreißigjährigen Krieg liebevoll saniert

Das Dorf der Superlative:

Friedenstraße 10, Rathaus (links), Friedenstraße 9 (rechts) - buntes Fachwerk-Ensemble. Schmuckstücke wie auf einer Perlenschnur. (Fotos: Günter Bächle)

Ein weiterer Prachtbau, ein besonderer schon gar: Den das Ende April 2022 auslaufende, vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Mühlacker seit 2006 gemeinsam gestemmte   Sanierungsprogramm Ortskern Lienzingen im wahrsten Sinne des Wortes in seiner gesamten Schönheit voll zu Tage förderte. Einer der Juwelen des Lienzinger Ortskerns nennt der Bauforscher Tilman Marstaller dieses Anwesen an der Friedenstraße mit der Hausnummer 9. Zumal es auch für fast 400 Jahre Ortsgeschichte steht. 

Vor vier Jahren unterschrieben die jetzigen Eigentümer aus Vaihingen an der Enz, Michaela und Klaus Küchle, den Kaufvertrag für das damalige Ölschläger‘sche Haus. Inzwischen wohnen sie nach der liebevollen Sanierung in den historischen vier Wänden, fühlen sich sichtlich wohl.  Dies, ihr neues Zuhause, steht vis-a-vis des 1719 errichteten Rathauses, heute mit Etterdorfstube und städtisches Museum mit einer Sammlung der schönsten Christbaumständer.

Seit wenigen Tagen ist das inzwischen sanierte Wohnhaus entrüstet - das Gerüst abgebaut, der Blick frei auf die herausgeputzte Fassade des 1624 und damit bereits zuzeiten des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) gebauten Fachwerkhauses. Zum Ensemble gehört die rückwärtige Scheuer. Deren Baujahr laut dendrochronologischer  Datierung: plus/minus 1560.

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Der von der Hinteren Gasse und die Frischzellenkur für Kulturdenkmale

Quartiers-Report Hintere Gasse.

Hintere Gasse, Herzenbühlstraße – der Stoff für meine ganz eigene Quartier-Geschichte.  Gemischt, durchmischt, Notizen von Menschen mit Empathie für Fachwerk, ihrer aktuellen Frischzellenkur für die frühere Zehntscheuer und den Häusern Nummer 3 und 4. Meine Geschichte, weil ich dort in einer der schönsten Gassen des Enzkreises aufwuchs, um Streiche nie verlegen und ständig auf Tour. Dort starb an einem trüben April-Sonntag mein Vater, dort startete ich aber auch in den Journalismus, fand die Arbeit in der Jungen Union plötzlich interessanter als Unterricht und Vokabeln pauken (heute weiß ich, dass die Rangfolge falsch war) . . . In einer Arbeiterfamilie von damals konnten die Eltern dem Filius selten bei den Hausaufgaben helfen. Die Sache mit der Herkunft und ihre Folgen. 

Die frühere Zehntscheuer wandelt sich zu einem Wohnhaus.(Aufnahme Februar 2022)

Aus dem gleichen Blickwinkel: die Scheuer im Jahr 2019

Die Hintere-Gasse-Story bunt, persönlich, kommunal. Dabei plante ich eigentlich nur Bild + Text für den Blog zu den aktuell größten Projekten vor dem Auslaufen des Sanierungsprogramms Ortskern Lienzingen Ende April 2022 (dem möglichst 2023 ein neues folgen soll). Mächtig stolz können wir sein über dieses private Engagement. Ergänzen sie doch mit ihren Schmuckstücken in spe die vorhandene prächtige Fachwerkfront zur Straße hin.  

Der, der aus der Herzenbühlstraße kam. Zwischen heutiger Knittlinger Straße, nördlichem und östlichem Scheunengürtel, sowie Scherbentalbach von 1952 bis 1957 in der heutigen Knittlinger Straße 8, danach bis Ende November 1970 in der Herzenbühlgasse 25 (dann noch zwei Stationen: später Brühlstraße und seit 1984 Lohwiesenstraße -  eigenes Häusle, mit Fachwerk und aus Holz auch in einem Neubau? Bewusst ja, wiewohl sich damit selbst Zimmerleute vor mehr als vier Jahrzehnten schwertaten. Handwerkskunst verschludert: Stadt der herkömmlichen Zapfenverbindung zwischen den Balken schnell Metallstücke über das Eck angeschraubt. Mich schaudert dies heute noch - so klein sie auch sind, manchmal geraden sie doch ins Blickfeld.

Immer der Heimatort. Scherzhaft die Frage: Aus Lienzingen nie hinausgekommen?  - Die Antwort: Doch, aber bald immer zurückgekehrt. Muss einen Grund haben. Anderen geht es wohl auch so.

Etwa1954 auf dem Traktor von Landwirt Kontzi in der Hinteren Gasse: Gerhard vorwitzig am Steuer. Beate mutig, Rolf und Günter trauen den Fahrkünsten dann doch nicht

 

Der aus der Hinteren Gasse: als Lienzinger Kandidat für den Mühlacker Gemeinderat im September 1975

Hintere Gasse? Amtlich ist die Gasse auf jeden Fall eine Straße. Das steht fest. Was gilt nun?  In einem alten Plan, der auch im kleinen Saal der Gemeindehalle Lienzingen an die Wand projiziert wurde, war es die Hintere Gasse - und alte oder auch jüngere Lienzinger verwenden heute noch gerne dieses Wort. Mir rutscht dieser Name  auch öfters heraus.

Doch eine Akte aus dem Stadtteilarchiv Lienzingen enthält eine Straßenaufstellung für Lienzingen vom 22. Dezember 1969, unterzeichnet von Bürgermeister Richard Allmendinger. Dort ist noch die Herzenbühlgasse aufgeführt, aber bereits handschriftlich mit Bleistift in „-straße“ geändert worden. So blieb es auch 1972 im Zuge der Umstellung von durchlaufenden Gebäude-Nummern auf straßenweise vergebene Haus-Nummern.

Jetzt kommt der aus der Hinteren Gasse, murmelte Bernhard Braun, sozialdemokratisches Urgestein, Eisenbahner, verdienstvoller Stadtrat und zeitweise stellvertretender Bürgermeister so vor sich hin, dass ich seine Worte hören sollte.

Das war im Herbst 1975 im Saal der Feuerwache an der Rappstraße in Mühlacker. Mit gerade 24 Jahren war es meine erste Sitzung als Ratsmitglied, quasi als die eine Hälfte der Lienzinger Vertretung, die mehr als ein Vierteljahr nach der Zwangseingemeindung im September 1975 gewählt worden war.

Ja, ich war der aus der Hinteren Gass. Dabei wohnten meine Mutter und ich damals schon seit fast sechs Jahren in der Brühlstraße 14. Hintere Gasse? Im Flecken das andere Wort für Herzenbühlgasse oder -straße. Hintere Gasse als Synonym für das Letzte? Der Braun`sche Ausspruch blieb ein Rätsel. Bei ihm hatte ich jedenfalls meinen Ruf weg.

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Kommunale kämpften für Tempo 15 auf der Ortsdurchfahrt und mit vergiftetem Hafer gegen Feldmäuse in den Kleeäckern

Gemeinderat Geissler erhielt 1931 einen wichtigen Posten in dem seinerzeitigen Bauerndorf - als Schweinezähler. So bunt, vielfältig, aber auch skurril waren Themen, über die in dem dicken Buch geschrieben steht und die die Lienzinger Gemeinderäte in den vermeintlich Goldenen Zwanzigern und zu Beginn der 19-dreißiger Jahren beschäftigte: Pumpen und Leitungen für die Wasserversorgung, die Zucht-Stiere, das Vergiften von Feldmäusen in den Kleeäckern - für eine Abwechslung, wenn auch keine gewollte, sorgte 1930 der Blitz, denn er schlug in den Dachreiter der in kommunalem Eigentum stehenden Frauenkirche ein. Ein besonders kritischer Punkt schafft es aber auch heute noch garantiert auf die Tagesordnungen in den Ratssälen - die Verkehrsbelastung, denn die Motorisierung blieb auf Wachstumskurs. Zudem begann zum Ende dieser demokratisch legitimierten Ratsarbeit eine Ära: Im Frühjahr 1933 pachtete der Mühlacker Fabrikant Friedrich Münch die Gemeindejagd - sie blieb bis 2018 in der Familie Münch.

Zehn Mitglieder zählte der Lienzinger Gemeinderat im Jahr 1925 – dem Jahr, als das neue Protokollbuch beschafft wurde, sechs Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs und der Ausrufung der deutschen Republik. Bis einschließlich 1943 – und damit vier Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges - finden sich darin alle Beschlüsse und Beratungen des Ortsparlaments der bis 1975 selbstständigen Kommune.  Immer eingetragen, fast durchweg handschriftlich, von einem Einzigen: Bürgermeister Karl Brodbeck. Als Element der Kontinuität bezeichnet ihn der Historiker Konrad Dussel (Ortsbuch Lienzingen, 2016. S. 172 f).

Handgeschrieben vom Schultes: Ratsprotokoll hier mit der Forderung nach Tempolimit 15 km/h auf der Ortsdurchfahrt
1925 bis 1943: Die Einträge des fleißigen Bürgermeisters, der nicht nur die Ratssitzungen und die Verwaltung leitete, sondern auch das Protokollbuch immer aktuell hielt (Foto: Sandra Schuster)

Was die Lienzinger damals beschäftigte, lässt sich noch heute nachlesen im Stadtarchiv Mühlacker (STAM, Li B 322). Denn die akribische Fleißarbeit des Mannes, der von 1920 bis 1945 Schultes war in dem Bauerndorf mit nicht einmal tausend Einwohnern, ist gleichzeitig Nachschlagewerk über die großen und kleinen Probleme, über den Alltag von Bauern, Händlern und Arbeitern in Krisen- und Kriegsjahren, aber auch freudiger Anlässe in dem zum Oberamt Maulbronn und von 1938 an zum Kreis Vaihingen gehörenden Gemeinwesen.

Immer wieder standen damals schon Verkehrsthemen auf der Tagesordnung. Kein Wunder, zweigeteilt durch die große Überlandverbindung von Stuttgart in die Rheinebene nach Speyer, der damaligen Reichs- und heutigen Bundesstraße 35, litt Lienzingen unter Lärm und Abgasen, zog aber auch wirtschaftliche Vorteile daraus...

Erst seit 1951/52 entlastet die Umgehungsstraße. Weil durch den Ort, am Adler-Eck (heute Bäckerei Schmid) und damit einem Unfallschwerpunkt vorbei, für jene Zeit viele Fahrzeuge über die gepflasterten Straßen donnerten, lohnten sich auch zwei Tankstellen, 1928 und 1929 montiert in der heutigen Friedensstraße, obwohl in Lienzingen nur zwei Kraftfahrzeuge amtlich gemeldet waren.

Lienzinger Geschichte(n) in Serie. Kurt Brodbeck, von 1920 bis 1945 Bürgermeister (zuvor in Schützingen). Zeitweise versah er den Chefposten im Lienzinger Rathaus mit dem in Zaisersweiher. Seine Ratsprotokolle als Tagebuch des Lebens in einem schwäbischen Dorf von 1925 bis 1943

Autos brauchen Sprit. Zwei erkannten darin eine Chanche auf zusätzliche Einnahmen. Beiden Anträgen stimmte der Gemeinderat zu: Den ersten reichte Albert Schnabel - Gemischtwarenhändler - für den Standort nahe Rathaus ein  (Hauptstraße 60, heute Friedenstraße 12), den zweiten dann für einen Platz vor dem jetzigen Anwesen Link, seinerzeit Lehr Witwe (Hauptstraße 111, jetzt Friedenstraße 26).

So steht im Protokoll der Ratssitzung vom 6. Juli 1929:

 Nr. 3 Friederike Lehr hier beabsichtigt durch die Deutsch=Amerikanische Petroleum Gesellschaft Mannheim auf ihrem Hofraum vor dem Geb. No. 7-111 eine Dapolin=Pumpanlage errichten zu lassen. Der Gemeinderat hat hiergegen nichts einzuwenden  (STAM, Li B 322, S. 170). (Dapolin war ein Kraftstoff).

Bürgermeister Karl Brodbeck, aufgenommen etwa 1934. Geboren 9. Juli 1886 in Vellberg, bei Schwäbisch Hall, gestorben 8. Juli 1967 in Lienzingen. Bürgermeister in Lienzingen 1922-1945. (Smlg. Kuno Brodbeck)

Doch die Lienzinger sahen ihre gute Verkehrsanbindung auch kritisch, weshalb sie Tempo 15 auf der Ortsdurchfahrt forderten und dies beim württembergischen Innenministerium  auch beantragten. Heutzutage dagegen wird das Tempolimit eher bei 30 Stundenkilometern gesehen. Die aktuelle Frage im Jahr 2022: Muss weiterhin nur auf einem Teilstück der Durchgangsstraßen Friedenstraße und Zaisersweiherstraße Tempo 30  eingehalten werden oder wird diese Geschwindigkeitsbremse auch für die restlichen Teile noch angeordnet, wie es im Lärmaktionsplan für die Stadt Mühlacker verlangt wird. Wie sich die Probleme ähneln, auch wenn rund 90 Jahre dazwischen liegen.

So heißt es im Protokoll der Ratssitzung vom 12. Februar 1929 (S. 150 f):

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Lienzinger Premiere anno 1928: Erste Tankstelle im Dorf, zweite folgte im Jahr drauf - Durchgangsverkehr brachte den Umsatz

Ein lang gesuchtes Foto, im Januar 2022 von Lore Rieger, Neuwiesenstraße, in ihrer Bildersammlung entdeckt. Aufgenommen 1930. Stolz auf die neue Technik im Dienste der Mobilität stehen um die Benzin-Nachfüll-Station Gottlob und Luise Common, die den Gemischtwarenladen und die Poststelle im rückwärtigen Gebäude betrieben unter der Adresse Hauptstraße 60, heute Friedenstraße 12. Es war die erste Tankstelle im Dorf, 1928 gebaut. 1929 entstand vor dem Hause Lehr, Hauptstraße 111 (heute Friedenstraße 26) eine zweite Zapfsäule, die der Milchhändlerin und Witwe Friederike Lehr gehörte, die im Haus dahinter lebte. (Smlg. Lore Rieger)

Zwei Tankstellen, und das bei zwei Kraftfahrzeugen im Ort? Kein Witz, keine Satire, sondern Realität.  Eine Milchhändlerin, die auch Benzin anbietet. Was wie diese Kombination skurril wirkt, gehört zu einer Momentaufnahme von Lienzingen anno 1937. Und ist ein Stück weitgehend unbekannter Ortsgeschichte: Das landwirtschaftlich geprägte 700-Einwohner-Dorf, die Motorisierungswelle und ihre Auswirkungen im Alltag. Antworten auf Fragen nach diesen ungewöhnlichen Folgen finden sich in einem Aktenbündel im Staatsarchiv Ludwigsburg, das Überraschendes zutage fördert. Ein halbes Jahrhundert lokaler Historie, dokumentiert durch Anträge auf Genehmigung von Zapfsäulen, Pläne, Schriftwechsel zwischen Mineralölkonzernen, Gemeinde, Oberamt und Behörden, alles beginnend 1926. Eher durch Zufall entdeckt – bei meiner Online-Suche auf der Webseite des Landesarchivs Baden-Württemberg (StAL FL 20--18_Bü 214).


Lienzinger Geschichte(n) – die Fortsetzung mit einem weitgehend unbekannten Kapitel: Das Dorf und seine Tankstellen. Folgen der Motorisierung - Erfolgreich im Fundus des Staatsarchivs Ludwigsburg und im Stadtarchiv Mühlacker gestöbert.

Das Oberamt Maulbronn genehmigte 1926 die Aufstellung eines Benzin-Fasses im Hause von Emil Ölschläger, Fahrradhändler in Lienzingen (wenn nichts anderes vermerkt: Repro aus dem Fundus des Staatsarchivs Ludwigsburg, Signatur StAL FL 20--18_Bü 214).

Genau genommen begann das Kapitel vom Bauerndorf und dem Kraftstoff schon am 17. Juli 1926 – mit einem Benzinfass. Ein Sekretär des württembergischen Oberamtes Maulbronn legte eine neue Akte an unter der Nummer 3999/1. Benzinlagerung bei Emil Oelschläger, Lienzingen, stand auf dem Deckblatt. Der Fahrradhändler Oelschläger hatte am 17. Juni 1926 im Rathaus den Wunsch vorgebracht, ein Fass mit 190 bis 200 Liter Benzin der Marke Strax von Olex aufstellen zu dürfen. Aber offensichtlich nicht für eine Tankstelle, sondern als Betriebsstoff für das eigene Geschäft im Haus seiner Mutter (heute Schützinger Straße/Ecke Zaisersweiherstraße).

Das Schultheißenamt reichte den Antrag an das Oberamt weiter, das wiederum Oberamtsbaumeister Aeckerle in Mühlacker um eine Stellungnahme bat. Bereits einen Monat später traf bei dem Antragsteller via Gemeinde nicht nur ein Merkblatt ein mit der Überschrift Vorschriften betreffend Lagerung von Benzinmengen unter 600 Kilogramm, sondern auch die Erlaubnis zur Lagerung von 200 Liter Benzin-Betriebsstoff. Laut Punkt 8 durften in Wohnräumen, Küchen und den anschließenden Vorratsräumen, Geschäftsräumen und Werkstätten nicht mehr als 2 kg in dichten Gefäßen aufbewahrt werden.

Im Jahr 1928 erlebte Lienzingen eine Premiere: die erste Zapfsäule, ein Jahr später die zweite, beide an der damaligen Hauptstraße, Nummer 16 und 111 (heute Friedensstraße 12 und 26). Pläne, diese zweite Anlage 1937/38 zu erweitern, scheiterten am Nein des Generalinspekteurs für das deutsche Straßenwesen. Die beiden Sprit-Ladestationen überdauerten das Kriegsende von 1945 nicht.  In den Akten finden sich keine Hinweise darauf, wann genau der letzte Liter Benzin verkauft wurde. Nach einer längeren Pause in den ersten Nachkriegsjahren folgte das zweite Kapital: 1959 an der Zaisersweiherstraße. Es endete 1980. Pläne, an der Bundesstraße 35 eine Tankstelle einzurichten, scheiterten. Nach 52 Jahren war alles vorbei. Das Dorf hatte endgültig keine Zapfstelle mehr. Was blieb, sind Akten im Staatsarchiv Ludwigsburg, teilweise auch im Stadtarchiv Mühlacker

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Strategien, die gegensätzlicher nicht sein könnten - VPE macht das Busfahren teurer, VVS lockt mit Gratisangeboten

Zwei Schlagzeilen, zwei Programme, zwei Philosophien. Beide Schlagzeilen von heute. Jene über die Strategie des Verkehrs- und Tarifverbundes  Stuttgart (VVS) auf Seite 1 im Mühlacker Tagblatt, die zweite im Regionalteil der Pforzheimer Zeitung über das Weiter-so des Verkehrsverbundes Pforzheim/Enzkreis (VPE). Beide leiden unter dem gleichen Problem, die Fahrgastabwanderung in Pandemie-Zeiten. Doch die Rezepte dafür, die einstigen Kunden zurückzugewinnen, können unterschiedlicher nicht sein.

Die Stuttgarter Strategie (VVS) ...

Der VVS versuchte es mit Gratis- und Lockangeboten, der VPE setzt zum Dezember 2021 die Tarife um durchschnittlich 1,4 Prozent hoch. Gezweifelt werden darf, ob die Rechnung des VPE aufgeht. Abschreckung statt attraktiver Offerten. Wie zu hören ist, meldeten im Aufsichtsrat des VPE am Mittwoch der Landrat des Enzkreises und der Stadtbus-Unternehmer von Mühlacker Bedenken gegen diesen Kurs an. Der Landrat stimmte dann trotzdem zu.

Das Pforzheimer Rezept (VPE)

Was mich besonders ärgert: Zwei Tage zuvor verabschiedete der Kreistag in Remchingen den Nahverkehrsplan 2025 für Stadt Pforzheim und Enzkreis. Der Abstimmung gingen Erklärungen voraus über die Notwendigkeit, Busse und Bahnen attraktiver zu machen. Kein Wort davon, dass das Fahren mit ihnen teurer werden soll. Der Gemeinderat von Pforzheim wird wenigstens über solche Pläne informiert, der Kreistag nicht einmal das. Das Hauptorgan des Landkreises ist als Gremium ganz außen vor.

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Weniger Wald, mehr Fläche für Landwirtschaft, Wohnen und Arbeiten

Ist-Zustand: Eine gescheiterte Suche nach einem neuen Gewerbe- und Industriegebiet, ein inzwischen weitgehend erfolgtes Ausschöpfen von Wohngebietsreserven, damit auch die Notwendigkeit, bald den Flächennutzungsplan fortzuschreiben. Ein Blick auf die Zahlen über die Nutzung der Gesamtmarkung von Mühlacker: Mühlackers Anteile von Landwirtschaft, Wohnen, Verkehr sowie Gewerbe und Industrie an der Markung mit ihren 5432 Hektar liegen prozentual über denen des Landesdurchschnitts. Gleichzeitig ist unser der Waldanteil prozentual weit unter dem Mittelwert von Baden-Württemberg - da wirken sich landesweit Schwarzwald und Schwäbische Alb statistisch deutlich aus und drücken den Wert nach oben. Deshalb: Lokale Daten in einen Gesamtzusammenhang zu stellen, ist gut und schafft Orientierung, umfasst aber nie alle Aspekte, die für politische Entscheidungen vor Ort gegeneinander abgewogen werden müssen.

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