Minus X?
Nachdem Ministerpräsident Hans Filbinger bei der Landtagswahl 1976 die südwestdeutsche CDU auf sagenhafte 56,7 Prozent hochkatapultiert hatte, lag die Messlatte für seinen Nachfolger Lothar Späth bei 50 plus x. Zweimal schaffte er es, sie zu überspringen. 1988 verfehlte Späth das Ziel mit 49 Prozent der Stimmen knapp, was ihm innerparteilich viel Kritik eintrug. Aber für eine erneute Alleinregierung der CDU reichte es allemal, schreibt Manfred Zach, Regierungssprecher unter Lothar Späth, in der Wochenzeitung Kontext. Muss diesmal die CDU mit 35 Prozent minus X zufrieden sein? Waren die 39 Prozent von Stefan Mappus demgegenüber das letzte gute Ergebnis? Ein Fundstück. Brauchen wir Mappus zurück? Beim Neujahrsempfang der CDU Mühlacker gab es viel Applaus - ganz wie in alten Zeiten. Erster öffentlicher Auftritt seit der Schlusskundgebung zur Landtagswahl 2011 in Mannheim. Ein paar Schlagzeilen gefällig?
Bis 2019 läuft sein Vertrag beim IT-Unternehmen pmone im Raum München. Politik? Das war doch noch nicht alles, sagt er und MdB Katja Mast von der SPD packt flugs der Schreck. So muss es sein.
Von Verantwortung, Analyse und Demonstrationen
Ich habe in mehr als 40 Jahren Siege und Niederlagen der CDU erlebt. Was immer auffällt: Verliert die Union die Regierungsverantwortung, öffnet sie sich plötzlich neuen Diskussionen und Themen. Das war 1969 so, als die CDU im Bund in die Opposition musste. Danach begannen interessante Debatten über damals elektrisierende Punkte wie Mitbestimmung in Unternehmen, Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand und Bodenreform. Die Union brach zu neuen Ufern auf, entwickelte sich zum Magneten für Menschen, die sich engagieren wollten. Und heute? Strobl redete davon, die Union müsse sich öffnen für Neues. Da ist sie wieder, die Öffnung. Hauk sprach davon, sich darauf zu besinnen, was die Union wolle und erst dann die Schnittmengen mit anderen Parteien zu suchen. Jedenfalls müsse sich die CDU aus der babylonischen Gefangenschaft mit der FDP befreien. Dass sich aber die CDU Hamburg in der Koalition mit den Grünen inhaltlich verbiegen musste und dafür bei den Wahlen im Februar die Zeche bezahlte, spielte heute keine Rolle. Gut war die klare Absage von Strobl an eine grün-rote Kreisreform und gegen das Durchregieren bis zu letzten Schule, um die Einheitsschule durchzusetzen und kündigte an, notfalls gegen die Einführung dieser Einheitsschule auf die Straße zu gehen. Da brandete Beifall auf. Demonstrieren lässt sich lernen, notfalls von den Grünen.
"Mappus' Welt"
Wie sieht ein CDU-Kreistagsfraktionsvorsitzender aus? Wie ich! So steht das heute in der taz. Ich, der Prototyp eines Kreistagsfraktionsvorsitzenden? Nun ja, da kenne ich andere. Aber das Gespräch mit taz-Chefreporter Peter Unfried über "den Stefan" war ganz freundlich und interessant. Dauerte statt geplanter einer Stunde dann doch zwei. Unfried hat nun "Mappus' Welt" beschrieben, die in Mühlacker begonnen hat. Deshalb kam wohl auch der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Knapp zu Wort. Er schilderte seine sorgsam gepflegten und gehegten Vorbehalte (Vorurteile?) gegen den Ministerpräsidenten. Brachte zudem den Mist von der Scheibe . . . Beide können eben nicht miteinander. Der Ministerpräsident könnte locker darüber stehen. Sollte das auch. Schließlich sind sie sich in einem einig: in Stuttgart 21. Wenigstens das. Ist doch sinnvoll.
"Bei den Grünen fällt der Unwille auf, Verantwortung zu übernehmen"
In einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung erklärt CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, warum die Grünen die "Dagegen-Partei" sind und warnt davor, sich auf den Weg in die Stimmungsdemokratie zu begeben. Gröhe: "Man muss für Politik noch besser werben, ob es nun um die Schule, um ein Infrastrukturprojekt oder um die Integration geht." Es sei wichtig, die Menschen mitzunehmen, um nicht immobil zu werden. "Wir sind zu stark fixiert auf Ängste und laufen Gefahr, unsere Chancen nicht wahrzunehmen", so Gröhe weiter.
"Protest zu bedienen, ist nicht nachhaltig. Damit ist kein Staat zu machen"
Das Interview im Wortlaut:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Herr Gröhe, schauen Sie sich die Umfragewerte der
Grünen an. Wachsen die Bäume in den Himmel?
Hermann Gröhe: Die Grünen haben bereits während der Großen Koalition vom Unmut über so manche Entscheidung profitiert. Jetzt sind sie die Dagegen-Partei. Denn die FDP ist nicht mehr Opposition, und die SPD wird zunehmend als eine rückwärtsgewandte langweilige Partei betrachtet. Bei den Grünen fällt aber der massive Unwille auf, Verantwortung zu übernehmen. Die Grünen sind mehr und mehr ein Wohlfühlangebot für die Anhänger der Dagegen-Republik...
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Für den Stuttgart 21-Protest.
Hermann Gröhe: Protest zu bedienen, ist nicht nachhaltig. Damit ist kein Staat zu machen. Das ist auch der Grund, warum die Grünen weit davon entfernt sind, Volkspartei zu werden.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Was bedeutet "Stuttgart 21" über die Region hinaus?
Hermann Gröhe: Das Projekt ist für Baden-Württemberg und darüber hinaus sehr wichtig. Wir als Union sind davon überzeugt und stehen auch bei Gegenwind dafür ein. Ganz im Gegensatz zu Herrn Gabriel und seiner SPD, die einen Eiertanz aufführt und sich wegduckt. Allerdings nehmen wir auch wahr, dass wir uns noch mehr anstrengen müssen, die Bürger bei wichtigen Projekten mitzunehmen. Gerade aus der Mitte der Gesellschaft sträuben sich immer mehr Menschen gegen Veränderungen. Es wäre allerdings verantwortungslos, sich auf den gefährlichen Weg in die Stimmungsdemokratie zu begeben.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Das Bürgertum steht für Maß, Mitte, gute Umgangsformen. Stimmt das noch in Hamburg und Stuttgart, in der Sarrazin-Debatte?
Hermann Gröhe: Jeder Fall ist anders, wobei sie eines gemeinsam haben: Man muss für Politik noch besser werben, ob es nun um die Schule, um ein Infrastrukturprojekt oder um die Integration geht. Wir reden viel über Veränderungen, während der Beharrungswille bei vielen nimmt. Wir dürfen als Gesellschaft aber nicht immobil werden. Wir sind zu stark fixiert auf Ängste und laufen Gefahr, unsere Chancen nicht wahrzunehmen.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Erklärt die Union denn ausreichend bei der Wehrpflicht?
Hermann Gröhe: Wir diskutieren intensiv über die Wehrpflicht. Endgültig werden die Parteitage entscheiden. Andererseits gab es schon in den letzten Jahren viele Veränderungen, etwa im Hinblick auf die Wehrpflichtdauer. Faktisch ist der Wehrdienst heute schon fast ein Freiwilligendienst. Ich bin Karl-Theodor zu Guttenberg sehr dankbar dafür, wie intensiv er für seine Auffassung wirbt. Konservativ heißt: Wertschätzung für das Bewährte, Beweislast für die Veränderung.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Was ist daran falsch, wenn sich CSU-Chef Horst Seehofer keine zweite Welle der Zuwanderung aus fremden Kulturkreisen wünscht?
Hermann Gröhe: Schaut man genau hin, hat er nur deutlich gemacht, dass wir Integrationsprobleme haben und den Fachkräftemangel zunächst vor allem durch Qualifizierung lösen müssen. Da hat es viel gespielte Empörung Linker gegeben, um vom Scheitern von Multi-Kulti abzulenken.
Westdeutsche Allgemeine Zeitung: Maria Böhmer, die Integrationsbeauftragte, war "schockiert". Sie ist keine Linke.
Hermann Gröhe: Nein, das ist sie nicht. Und der Schock war auch schnell vorbei, als Horst Seehofer noch einmal erläutert hat, worum es ihm ging.
Das Gespräch führte Miguel Sanchez. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 14.10.2010
Wer darf von wem was fordern?
Wer darf also von wem was fordern? Ist es nicht eher so, dass wir von Abgeordneten, die der Steuerzahler gut dotiert, verlangen können, dass sie wenigstens für eine gute Infrastruktur zum Beispiel in der Kommunikationstechnik sorgen? Ich finde: Das dürfen wir nicht nur fordern, darauf müssen wir sogar pochen.
Fordern und verlangen von Mitgliedern, die Freizeit opfern und dafür auch noch Beitrag bezahlen, passt nicht in die Landschaft. Überzeugen wäre besser. Wer will schon gerne in eine Partei und sich auf Kurs trimmen lassen? Ich jedenfalls denke selbst, lasse nicht denken und bin mir da mit anderen sehr einig.
*) Der Bund ist größter Anteilseigner der Telekom: 14,83 Prozent werden direkt, 16,87 Prozent über die dem Bund und den Ländern gehörende KfW Bankengruppe gehalten.
An den Gedanken könnte ich mich gewöhnen
Heute Mittag, am Katz-Verkaufsstand bei Schramml in Mühlacker-Enzberg, flackerte plötzlich ein Gespräch über die Bundespräsidentenwahl auf. Ganz kurz zwar, aber immerhin so lange, dass gegenseitig die Sympathie für Joachim Gauck klar wurde. Die Menschen beschäftigt, wer ihr Staatsoberhaupt werden soll. Ich stimme dem SPD-Vorsitzenden Siegmar Gabriel höchst selten zu, aber diesmal traf er ins Schwarze: Gauck bringe ein ganzes Leben ins Amt, Wulff eine politische Karriere. Die bürgerlichen Medien wie WELT und FAZ sympathisieren unverhohlen für den Pfarrer und früheren Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde: Der Überraschungskandidat der SPD und der Grünen für das Amt des Bundespräsidenten verkörpert die Werte, die in der Zukunft zählen werden. So die FAZ. Und in der WELT steht: Es war sein erster Auftritt nach der Kandidatur – und Gauck überzeugte. Er sprach über die Politik, wie er sie sich vorstellt. Die WELT kommentierte ganz klar, warum Gauck ihrer Meinung nach die bessere Wahl wäre. Inzwischen findet sich auf YouTube die Berliner Rede Gaucks zur Freiheit am 21. April 2009 vor dem Brandenburger Tor.
CDU, CSU und FDP hatten sich schnell auf Christian Wulff festgelegt. Ich habe dazu gebloggt. Und wer auf die Internetseiten der CDU Niedersachsen klickt, reibt sich verwundert die Augen und überlegt, ob die Präsidentenwahl womöglich schon war und man das selbst gar nicht gemerkt hatte. Denn die Landes-Union kürte schon den Nachfolger von Wulff als Ministerpräsident. So wenig Respekt vor der Entscheidung der Bundesversammlung gibt es selten, denn diese tagt wirklich erst am 30. Juni. Das Fell des Bären sollte erst verteilt werden, wenn dieser erlegt ist. Ein Grundsatz, den auch Parteien beherzigen sollen.
Zwar geht Wulff mit besseren Chancen ins Rennen, weil CDU, CSU und FDP über eine deutliche Mehrheit in der Bundesversammlung verfügen. Doch schon gibt es erste Stimmen vor allem aus dem freidemokratischen Lager, die sich auch Gauck gut als Präsident vorstellen können. Gauck, der das bürgerliche Lager spaltet?
Mit Thomas Bareiß schmückt sich ein baden-württembergischer CDU-Bundestagsabgeordneter auf seiner Internetseite mit Joachim Gauck.
Stimmen zur Präsidentenwahl sammelt die Merkel-Biografin Margaret Heckel ("So regiert die Kanzlerin") auf ihrer Twitter-Seite. Dass die Linken den früheren DDR-Bürgerrechtler nicht wählen wollen, ehrt diesen - und zeigt wieder einmal ganz klar, welch Geistes Kind und politische Nachfahren die Linken sind. Die direkte Linie wird deutlich: SED, dann PDS, die in der Partei Die Linke aufging.
Am 30. Juni fällt die Entscheidung, wer neuer Präsident wird. Im Vorfeld ist nicht mit offenen Karten gespielt worden, selbst mögliche Kandidaten in der Union litten unter dem Mangel an Transparenz.
Ob sich die CDU Niedersachsen zu früh freute? Ist zum Glück nicht auszuschließen. Und mit Gauck bekämen wir zwar wieder einen Seiteneinsteiger mit allen Risiken für die Berliner Polit-Macht-Zentralen, aber vor allem eine Schlüsselfigur der jüngsten deutschen Geschichte. Ich könnte mich an diesen Gedanken gewöhnen. Schließlich müssen wir CDU-Mitglieder nicht immer so denken, wie es die da oben in Berlin vorgeben. Und einen exzellenten Bundespräsidenten würde Gauck auch abgeben.