Enzkreis im Minus

Das sagen die Statistiker: In Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Landesamtes rund 107.500 Kinder lebend geboren und damit zirka 7200 mehr als 2015. Somit lag die Zahl der Lebendgeborenen zum fünften Mal in Folge höher als im jeweiligen Vorjahr. 
Ursachen des Überschusses: Die Ursache für diesen positiven Trend wird vom Statistischen Landessamt in der in den vergangenen Jahren enorm angestiegene Zuwanderung gesehen, die auch zu einer Zunahme der Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter geführt hat. Hinzu kommt, dass nun Kinder der geburtenstarken Jahrgänge Anfang der 1960er-Jahre, die so genannten Babyboomer, selbst wieder Kinder bekommen. Schließlich ist in den vergangenen Jahren auch die Geburtenrate, also die durchschnittliche Kinderzahl je Frau, angestiegen.
Weniger Todesfälle: Gleichzeitig sank im vergangenen Jahr die Zahl der Gestorben gegenüber 2015 um etwa 1400 auf knapp 106.700. Damit lag die Zahl der Sterbefälle erstmals wieder seit dem Jahr 2005 nieriger als die Geburtenzahl.
Stadt- und Landkreise: Aufgrund der gestiegenen Geborenenzahlen konnten im vergangenen Jahr immerhin 19 der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs ein Geburtenplus erzielen; im Jahr zuvor gab es diese günstige Konstellation lediglich in acht Kreisen. Die Spitzenstellung beim Geburtenüberschuss nahm im Jahr 2016 die Landeshauptstadt Stuttgart ein (1591 mehr Geborene als Gestorbene), gefolgt vom Landkreis Böblingen (+743) und dem Stadtkreis Freiburg im Breisgau (+730). 
Enzkreis im Defizit: 25 Stadt- und Landkreise im Südwesten wiesen weniger Geborene als Gestorbene auf. Dazu gehört auch der Enzkreis mit minus 152 (Lebendgeborene 1.758, Gestorbene 1.910), die Stadt Pforzheim ist leicht im Plus. Die höchsten Geburtendefizite waren 2016 im Zollernalb- und im Rhein-Neckar-Kreis sowie im Landkreis Karlsruhe zu registrieren. 
Gründe für die Unterschiede: Die unterschiedliche Bilanz aus der Zahl der Geborenen und der der Gestorbenen in den einzelnen Kreisen wird wesentlich durch die Altersstruktur der Bevölkerung beeinflusst, schreibt das "Stala" heute. Aber auch die Geburtenhäufigkeit – also die durchschnittliche Kinderzahl je Frau – und die unterschiedliche Lebenserwartung in den einzelnen Teilräumen bestimmen das Verhältnis von Geburten zu Sterbefällen.

 

Im Heckengäu gehen die Busse ab

Das Heckengäu-Liniennetz.

Kalt war's und trist dazu. Dabei hätte die  Sonne scheinen müssen, denn endlich gab es das offizielle Startzeichen für die Umsetzung eines mehrfach verschobenen Projekts: das Buskonzept Heckengäu. Ganz nach dem Geschmack des Kreistags bringt es mehr Busse auf die Straßen. Hoffentlich kommen nun auch die zusätzlichen Fahrgäste, wünschte sich Busunternehmer Alf Seitter zum Abschluss eines Pressegesprächs stilgerecht in einem seiner Busse. Zu der Runde hatte der Verkehrsverbund Pforzheim/Enzkreis (VPE) gebeten, der das Konzept entwickelt hat. 2015 legte der Verbund den Heckengäu-Bürgermeistern das erste Papier vor, verdonnerte sie jedoch zur Vertraulichkeit. Vertrug es zunächst das Schnaufen nicht? Zuerst erwies es sich als fragiles Gebilde, denn mit Porsche und Bertrandt solten zwei Unternehmen als Partner ins Boot geholt werden. Alles dauerte seine Zeit, Starttermine mussten verschoben werden. Mindestens drei Jahre verstrichen, bis die Realisierungsphase nun erreicht wurde. In der Zwischenzeit boomen die Gewerbegebiete von Heimsheim, Friolzheim, Wimsheim und Mönsheim - die Nähe zur Autobahn wirkt wie ein Magnet. Porsche erweitert sein Entwicklungszentrum Weissach in den Enzkreis hinein, Bertrandt siedelte sich an und expandierte. Die Folge: Mehr Autos auf den eh schon überlasteten Heckengäu-Straßen. Die Gegenstrategie heißt ÖPNV und passt in den Schwung, mit dem die Kreistagsfraktionen Druck machen auf Kreisverwaltung und VPE, um den Nahverkehr auszubauen (manchmal habe ich den Eindruck, als hätten beide nur darauf gewartet). Das Heckengäu-Bus-Paket bietet mehr als nur zusätzliche Buskilometer um 20 Prozent auf 953.000 und ein um 300.000 Euro höherer Zuschussbedarf (der Enzkreis trägt 60, die Stadt Pforzheim 40 Prozent, so der allgemeine Schlüssel im VPE). Es sind die Zutaten, die den Reiz des vorbildhaften Rezepts ausmachen: Porsche oder Bertrandt und andere Firmen lassen sich zu den Hauptverkehrszeiten in einem 30-Minuten-Takt erreichen. Porsche biete nun zusätzlich den Mitarbeitern ein Jobticket in den Enzkreis an (nach dem Vorbild im VVS), die Fahrpläne sind enger getaktet, die Busse lassen Kreisgrenzen (die Kunden orientieren sich nicht an solchen)  hinter sich und steuern den S-Bahnhof Leonberg  an (quasi als Brückenkopf in den Großraum Stuttgart), die Querverbindungen (ab Mönsheim) nach Pforzheim werden verbessert. Nebenprodukt ist eine neue Linie im Biet als Verbindung zwischen Neuhausen und Tiefenbronn, die zusätzliche Attraktivität erreicht, weil Tiefenbronn  erstmals Anschluss an das Heckengäu und an Leonberg erhält.

Attraktive Angebote sollen Autofahrer vom Nahverkehr überzeugen. Das Heckengäu-Bus-Paket ruft nach weiteren Fortschritten auch in anderen Kreisteilen. Mehr Fahrgäste (Umsteiger!) bei dem neuen Projekt wären ein zusätzlicher Anreiz.

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Aus zwei mach eins oder lass es bei zwei

Klare Botschaft
Blick zurück auf einen denkwürdigen Oktober-Abend in der Aula des Kreisberufsschulzentrums zwischen Lienzinger Straße und Kerschensteinerstraße in Mühlacker. Eine Informationsveranstaltung, die die Kreistagsfraktionen durchsetzten. Diese große Diskussionsveranstaltung über den von der Kreisverwaltung vor Monaten klammheimlich ausgeheckten Plan einer Fusion der beiden benachbarten Berufsschulen brachte eine klare Botschaft: Die überwiegende Mehrheit der 200 Besucher lehnt, gemessen an Beifall und Wortmeldungen, den Zusammenschluss der kaufmännischen Georg-Kerschensteiner-Schule mit der benachbarten gewerblichen Ferdinand-von-Steinbeis-Schule ab. Begeisternd war, wie sich Schüler, Lehrer und Eltern engagierten. Fast drei Schul-Stunden in lebendiger Demokratie.
Die Kerschensteiner-Schule sagt entschieden Nein, zumal die Kreisverwaltung bis jetzt den Eindruck nicht zerstreuen konnte, alles zusammen mit dem Chef der Steinbeis-Schule an den "Kaufmännern" vorbei eingefädelt zu haben. Der erste Weg der Verwaltungsspitze führte vor einem Jahr nicht nach Mühlacker zu beiden betroffenen Einrichtungen, sondern vom Landratsamt Pforzheim ins Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe - deren Vertreter in der Aula vom Landrat zwar als neutral vorgestellt wurden, die aber eindeutig Partei für eine Fusion ergriffen. Ein ziemlich nervöser Landrat ließ die von ihm sonst gewohnte Souveränität vermissen, als ein junger Mann die RP-Vertreter etwas flapsig anging, Schüler Fähnchen gegen die Fusion schwenkten und gleich zu Beginn ein Transparent gegen eine "Zwangsehe" in den Saal trugen (des Landrats Reaktion: "Ich kann gleich abbrechen"). 
Nachdem die Debatte voll gegen den Zusammenschluss lief und die "Kerschensteiner" dominierten (die waren zuhauf da), entfuhr der Referatsleiterin aus dem RP etwas hilflos die flehentliche Frage, ob von den  Befürwortern niemand im Saal sei. Der Chef der gewerblichen Schule hatte wohl die Lage unterschätzt, auf die Kraft seiner Pro-Rede gesetzt und ansonsten die Dinge laufen lassen. Gegen Ende der Debatte flüchtete er sich, immer wieder attackiert, in die Aussage, seine Schule brauche die Fusion eigentlich nicht (dafür steht auch ein im Netz stehendes Protokoll seiner Schule aus 2016). Im Gespräch mit Verwaltung, Vertretern der Kreistagsfraktionen und RP Ende Mai hatte er seine Schule noch als eine Art Sanierungsfall dargestellt und deshalb für das Zusammengehen plädiert. Sein Kollege von der kaufmännischen Schule, der im Sommer 2018 in den Ruhestand wechselt und damit ungewollt die Verschmelzungsdebatte auslöste, konnte sich in der Aula zurücklehnen und seinem Kollegen verschmitzt empfehlen, nach dem Vorbild der Kerschensteiner Schule das Marketing zu verstärken und so auch zusätzlich Vollzeit-Schüler zu gewinnen - bei seiner, der kaufmännischen Schule habe dieses Rezept Früchte getragen, was sich an steigenden Schülerzahlen belegen lasse, weshalb sie ihren Weg allein gehen wolle. "Aus zwei mach eins oder lass es bei zwei" vollständig lesen

Ein Tausender pro Einwohner mehr

Der Enzkreis handelt nicht nach dem Motto "Wir gebet nix!", wenn die Stadt Pforzheim anklopft. Zuletzt gab der Kreistag 100.000 Euro pro Jahr zugunsten des geplanten Zentrums für Präzisionstechnik frei. Erstmals engagiert sich damit der Landkreis, wenn auch nach zäher Diskussion, für ein Projekt im Hochschulbereich. Seitdem sind wir nicht mehr gefragt - die Planungen sind allein Sache des Pforzheimers Gemeinderats. Typisch Goldstadt! Nun, sie muss ihren Haushalt kräftig entlasten, steht unter der Fuchtel der gestrengen Kommunalaufsicht beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Als dieser Tage der neue OB Peter Boch bei der Liga der Wohlfahrtsverbände sprach, schloss er nicht aus, den Rotstift auch bei den Sozialausgaben anzusetzen.Allerdings blieb er im Unkonkreten, löste aber sofort den Pforzheimers Reflex aus. Der Enzkreis sei reich, die Stadt Pforzheim demgegenüber arm, so die Geschäftsführerin eines Wohlfahrtsverbandes. Auf meinen Widerspruch hin zeigte sie sich verunsichert. Vor längerer Zeit pochte die Liga auf eine Fusion von Stadt- und Landkreis, forderte vom Enzkreis kräftige Subventionen fürs Pforzheimer Drei-Sparten-Theater. Sitzt der Enzkreis auf einem voll gefüllten Geldsack und verteidigt ihn gegenüber der armen Verwandtschaft aus dem Oberzentrum? Knausrig, herzlos gar. Eine Recherche lohnt. Tatsächlich nimmt Pforzheim je Einwohner mehr Steuern ein als die kommunale Familie im Enzkreis.
Das bestätigt sich erneut durch aktuelle Daten des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg im Rahmen seiner kommunalen Jahresrechnungsstatistik. Immer wenn die Städte, Gemeinden und Kreise ihre Jahresabschlüsse vorgelegt haben, berechnen die Statistiker die Steuerkraft und brechen sie pro Einwohner herunter. Das letzte abgeschlossene Jahr ist 2015. Je Kopf kassierte Pforzheim einen Tausender mehr als aufsummiert die Kommunen im Enzkreis. Ist nur die Frage, für was das Geld ausgegeben wird. Aber dafür ist der Landkreis nicht zuständig.