Eine Prise Glanz-Verlust

OB-Wahl am 22. Oktober 2017 in Mühlacker: Auch in Lienzingen das Warten auf den Wähler.
Wenn man nur wüsste, warum Wahlbeteiligungen bei Bürgermeisterwahlen so ausfallen wie sie ausfallen. Manches lässt sich erklären, aber ein Teil bleibt Kaffeesatzleserei. Einleuchtend ist, wenn es an der Auswahl auf dem Stimmzettel mangelt -  Allleinkandidaten drücken auf des Bürgers Lust zum Besuch des Wahllokals wie jetzt in Mühlacker: 18,27 Prozent stimmten ab in einer Stadt mit 26.000 Einwohnern. Dagegen am selben Tag in der 3000-Seelen-Gemeinde Vörstetten im Landkreis Emmendingen fast 46 Prozent Beteiligung trotz eines Alleinkandidaten, ebenso Titelverteidiger nach den ersten acht Jahren wie in Mühlacker. Wenn man im Staatsanzeiger die Stimmbeteiligung bei Bürgermeisterwahlen verfolgt, fällt auf: Je kleiner die Gemeinde umso höhere Beteiligungen selbst bei einer One-Man-Show (m/w). Der Bezug zur Kommune, die Identifikation mit ihr ist größer. Umgekehrt, je größer umso niedriger: Vor einem Jahr Nagold, nur Amtsinhaber angetreten, 20,5 Prozent oder Nachbar Vaihingen vor gut drei Jahren 19,1 Prozent. Selbst Pforzheim brachte es nur auf 38 Prozent trotz starker Konkurrenz zum Titelverteidiger. Und in Ulm, wo sich 2015  gleich mehrere Bewerber um die Nachfolge des nicht mehr angetretenen OB bemühten, herrschte Unzufriedenheit mit 42,5 Prozent. Wahlbeteiligung sinkt weiter und weiter, titelte dort die Lokalzeitung. Wenn überhaupt, ist die Wahlbeteiligung in diesem Fall höchstens ein Indiz für das Freizeitverhalten der Bevölkerung, kommentierte das MT nach dem Wahltag in Mühlacker. Wirklich? Ist es in der Senderstadt  nicht auch der hohe Migrantenanteil allein in der Innenstadt mit fast 40 Prozent (die Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2014 im Stimmbezirk Rathaus: 22 Prozent - jetzt bei der OB-Wahl halbierte sich die Zahl  der Abstimmenden). Wenn wir dann die weitere Gemengelage sehen ("der wird doch gewählt", "ich hätte gerne einen Gegenkandidaten", "ich bin (un)zufrieden, aber der Sieger steht schon fest"), rutscht man schnell auf 20 Prozent oder darunter. Dabei sollte von einem Bürger erwartet werden können, dass er einmal in acht Jahren ein paar Minuten für eine Bürgermeisterwahl aufwendet, ob er/sie mit dem Alleinkandidaten zufrieden ist oder nicht. Der Gesetzgeber weiß, weshalb er für Bürgermeisterwahlen kein Quorum vorschreibt wie bei Bürgerentscheiden, sonst bekäme manch  größere Kommune keinen OB mehr. Oder das Quorum könnte Anreiz sein zum Urnengang zumindest für all jene, denen dies nicht egal wäre. Sehen wir getrost, dass manche das (BM-)Wählen nicht verlernt haben, so  in dem 3000-Einwohner-Ort Au am Rhein im Kreis Rastatt: 73,4 Prozent im April. 
Wahlbeteiligungen sind Momentaufnahmen, bezogen auf sie verliert der Sieg im ersten Wahlgang ein wenig an Glanz - oder gewinnt zusätzlich. Nur: Bald redet kaum noch jemand von diesem Prozentsatz, je größer der Abstand zum Wahltag, um so mehr verblasst die Erinnerung. Entscheidend ist allein, wer auf dem Chefsessel im Rathaus Platz nehmen darf. 

Um Mühlhausen gewachsen

Die Trendwende ist geschafft, die ursprünglichen Prognosen der Statistiker können in die Tonne getreten werden: Mühlacker wächst wieder. Mit einem Plus von 4,1 Prozent liegt die Senderstadt kreisweit im Mittelfeld, aber deutlich über dem Enzkreis-Wert (+ 2,9 Prozent) und exakt im Durchschnitt des Landes Baden-Württemberg. Von 2011 bis 2016 vergrößerte sich Mühlacker um ein 1000-Seelen-Dorf und damit mehr als in der Größe von Mühlhausen

Mit einem 8,4 Prozent hält Friolzheim den Zuwachsrekord im Enzkreis, gefolgt von Neuenbürg und Wimsheim. 21 Kreiskommunen melden jeweils ein Plus, das mehr oder minder deutlich über einem Prozent liegt.  Vier stagnieren weitgehend. Leicht im Minus stehen drei: Sternenfels, Ötisheim und Birkenfeld. 
Zum Vergleich: Stadtkreis Pforzheim +7,3 Prozent. Unsere weiteren Nachbarn befinden sich auch stärker auf Wachstumskurs als der Enzkreis: die Kreise Böblingen +5,5 Prozent, Ludwigsburg +5,1 Prozent, Heilbronn +4,2 Prozent, Karlsruhe 3,8 und Calw 3,2 Prozent. Die Bevölkerungszahl in Baden-Württemberg stieg nach Angaben des Statistischen Landesamtes innerhalb von fünf Jahren um 432.000 auf 10,9 Millionen. Die Statistiker: Das Gros des Anstiegs entfiel auf die ausländische Bevölkerung (+422.000), die Zahl der Deutschen nahm in diesem Zeitraum um knapp 10.000 zu. Im Enzkreis leben jetzt 197.029 Menschen (5561 mehr als 2011), in Mühlacker  25.751  - fast ein Fünftel des Kreis-Zuwachses in absoluten Zahlen geht aufs Konto der einzigen großen Kreisstadt. Spiegelt sich darin ein landesweiter Trend wider?

 

"Um Mühlhausen gewachsen" vollständig lesen