Nervenstrapazen, Strom-Krimi und Happy end

Gesimst

Stress beim Praxistest: Mit dem Nissan Leaf, reiner Stromer mit Reichweiten pro Ladung von rund 165 bis 180 Kilometer, auf großer Fahrt - Freunde besuchen,182 Kilometer von Lienzingen nach Usingen im Taunus, drei Personen im Fahrzeug, zudem Gepäck. Beim Start ist der Akku zu 95 Prozent gefüllt. Die Tour via Bundesstraßen und Autobahnen beweist: E-Mobilisten brauchen starke Nerven und viel Geduld trotz Reichweitenschwund, eine fast leerer Batterie gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge. Berechnungen und Pläne werden schon mal von der Realität überrollt. Und doch gibt es das berühmte Happy end. Aber der Reihe nach.

Weil nicht nur eine Stadtfahrt ansteht, am Vorabend längere Internetrecherche. Goingelectric empfiehlt das Stromtanken an der A5 in Richtung Frankfurt nach 116 Kilometern bei der Autobahnraststätte Alsbach West - weisst aber nicht ausdrücklich daraufhin hin, dass ich dazu auf die Gegenrichtung wechseln müsste. So kommt es auf der Hinfahrt wie es kommen muss. Willkommen in der Realität! Keine Anzeichen von Alsbach West. Auf Höhe Darmstadt liegt die Reichweite nur noch bei 22 Kilometern. Die im Cockpit angeklickte Nissan-Datenbank der "Ladestationen in der Nähe" lässt wissen: Keine Daten für diese Gegend. Meine Nervosität wächst, je mehr die Rest-Reichweite schrumpft. Doch dann ist die Raststätte Gräfenhausen Ost in Sicht. Hoffnung! Doch der Mann hinter der Kasse sorgt für den Schock: "Wir haben keine Elektrotankstelle." Ich muss so leidend dreingeschaut haben, dass er meine flehentliche Frage, ob wenigstens an eine einfache Steckdose angeschlossen werden könne, bejahte. Wir tun's, vertreiben uns solange die Zeit.

Nach mehr als einer Stunde ist die Reichweite auf 30 Kilometer gestiegen. Immerhin so viel, dass es zu der inzwischen gegoogelten elf Kilometer entfernten Ladestation am Bahnhof Walldorf reicht, die dann auch frei ist. Die Ladeweile vertreiben wir uns in einem benachbarten Cafe bei Eis und Espresso. Nun aber ist klar, dass der Terminplan für den Tag voll in die Binsen ging. Dass aber eine 22 kw-Zapfsäule keine ausreichende Lösung in solchen Fällen ist, zeigt sich nach gut 60 Minuten: Der Akkustand verdoppelte sich auf nur 30 Prozent, zuwenig für die restlichen 50 Kilometer bis Usingen. Wir schließen nochmals an, harren lesend oder handyspielend im Auto aus. Um 17.30 Uhr - eigentlich wollten wir schon längst am Ziel sein - starten wir mit 46 Prozent. Das Navi meckert auch nicht (wenn es mit dem Strom möglicherweise nicht reicht, kommt beim Start die Ansage einer freundlichen Frauenstimme: Sie erreichen unter Umständen ihr Ziel nicht).

Hätten wir nur länger gewartet! 

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