Der Fall Friedenslinde und seine Folgen

Die Friedenslinde prägte über Generationen das Bild der heutigen Knittlinger Straße, gesäumt von Fachwerkhäusern. Die Aufnahme entstand 1963. (Stadtarchiv Mühlacker)

Dreizehn war ich, als diese Partie der heutigen Knittlinger Straße in Lienzingen 1963 fotografiert wurde. Nur einen Steinwurf davon entfernt wohnten meine Eltern und ich in der Herzenbühlgasse. Generationen von Lienzinger wuchsen im Schatten des Pracht-Baumes auf. Das verhindet. Dass die Stadtverwaltung die nach Ende des deutsch-französischen Krieges 1871/72 gepflanzte Friedenslinde am Dienstag Nachmittag klammheimlich fällen ließ, ist seitdem das Aufregerthema nicht nur in unserem Dorf. Emotionen hängen an dem lokalgeschichtlichen Objekt. Wenigstens den in mehrere Teile zerlegten Stamm  ließ OB Frank Schneider gestern sichern, denn sonst überlässt die Stadt jener Firma, die auf ihre Order hin einen Baum fällt, das Holz zur Verwertung. Die Lienzinger Holzbildhauerin Susanne Bosselmann zeigte  Interesse. Das Holz der Lienzinger Friedenslinde hat Qualität, ist weder verfault noch hohl. Weshalb stand das Prachtstück  dann auf der Abholzliste der Stadtverwaltung? Kaum jemand kann sich einen Reim darauf machen. Umso größer die Wut über die überstürzte Aktion der Stadt. Unabhängig voneinander waren meine Gemeinderatskollegen Klemens Köberle und Dr. Ulrike Fuchs (beide LMU) am "Tatort". Beide konnten nicht verstehen, warum diese Linde gefällt werden musste. Nach deren Aussagen (immerhin beides Biologen) hätte die Linde durchaus noch viele Jahre bis Jahrzehnte stehen könnnen, da lediglich im Kern kleine Beschädigungen vorhanden sind (Durchmesser circa 12 Zentimeter und auch nicht durchgehend). Meine Ratsfraktion begrüßte heute  die Ankündigung des OB, den Fall im zuständigen Gemeinderatsausschuss aufzuarbeiten. Dabei  muss auch offengelegt werden, wer die Verantwortung für den Auftrag an eine Fachfirma zum Absägen gegeben hat und auf welchen Grundlagen. Wir wollen auch wissen, ob vor der Aktion der rechtlich verankerte Ensembleschutz für den historischen Ortskern des Etterdorfes geprüft worden ist und wie es sich mit dem Denkmalschutz verhält: Gilt der nur für Private? Mit Blick auf die Zukunft muss  der Gemeinderat eine Reglung treffen, um solche klammheimlichen Abholzaktionen prägnanter Bäume künftig zu verhindern. Jedenfalls muss vorher in den Gremien beraten und die Öffentlichkeit beteiligt werden. Aber Fingerspitzengefühl kann man nicht vorschreiben, das müssen die Verantwortlichen einfach haben. Daran hat es im Fall Lienzingen vollkommen gefehlt.

"Der Fall Friedenslinde und seine Folgen" vollständig lesen