Heftiger Widerstand gegen Steinbrucherweiterung

Rohstoffsicherung nennt sich das Projekt des Regionalverbandes Nordschwarzwald. Die genehmigten und geplanten Erweiterungsflächen von Steinbrüchen in der Region sollen um weitere 122 Hektar ausgeweitet werden: Vorratssicherung. Eine Aufgabe, die das Land den Regionalverbänden übertragen hat. Ursprünglich wollten die Freien Wähler im Regionalverband sogar 150 Hektar, aber das haben die anderen Fraktionen abgelehnt. 15 Hektar entfallen auf den Steinbruch Enzberg. Dagegen gibt es heftigen Widerstand vor Ort. Auf meine Anregung hin fand gestern Abend eine Bürgerversammlung statt, bei der Vertreter des Regionalverbandes und der Betreiberfirma die Pläne erläuterten. Hauptkritikpunkt der etwa 180 Besucher in einer teilweise emotionalen und hitzigen Debatte: Die zusätzliche Belastung für das Wohngebiet auf den Spitzäckern, nun aber auch für den Weiler Sengach. Schon jetzt sind die Sprengungen wahrzunehmen, klirren Gläser im Schranken, haben - so die Aussagen - Wohngebäude Risse, und das, obwohl die Strengstärken deutlich unter den gesetzlichen Werten liegen.  Seit 80 Jahren wird in Enzberg Muschelkalk abgebaut, ein wertvoller Rohstoff, der sich unter anderem als Zusatzmaterial im Daimlermuseumsgebäude in Stuttgart befindet. Zwar war Ende der siebziger Jahre eine damals ebenfalls umstrittene Erweiterung nur mit dem Argument durch die Gremien gebracht worden, damit sei Schluss, aber dann ging es doch weiter. Der Regionalverband hat sich nie um Zusagen vor Ort gekümmert (die Stadt: "am Feldweg 54 ist Schluss"). Das ist es, was die Menschen so erbost: Dass Zusagen nicht eingehalten werden. Es ist also auch ein Stück Psychologie mit im Spiel. Nun sind gestern Abend zahlreiche ernsthafte Argumente gegen die Planung vorgetragen und alternative Standorte gefordert worden. Diese Liste abzuarbeiten, kann bis zur Sitzung des Planungsausschusses des Regionalverbandes am 20. Juni nicht gelingen, wenn sich der Regioinalverband nicht dem Vorwurf aussetzen will, nie eine ergebnisoffene Diskussion gewollt zu haben. Man braucht also noch Zeit. Ob nun dieser Standort derweilen ausgeklammert und gesondert behandelt wird, während die unumstrittenen Erweiterungen in der Region schon einmal auf den Weg gebracht werden, muss sich zeigen. 

Tatsache ist jedenfalls, dass die Betroffenen die feinen rechtlichen Unterschiede zwischen Vorratssicherung und einem Genehmigungsverfahren zum Abbau nicht interessiert. Der Landesentwicklungsplan (LEP) Baden-Württemberg und das Landesplanungsgesetz verpflichten die Regionalplanung zur Rohstoffsicherung: Die raumordnerische Festlegung von Gebieten für den Abbau oberflächennaher Rohstoffe (Gebiete, die im Geltungszeitraum des Regionalplanes - bis 2015 - für einen Rohstoffabbau genutzt werden können) und zur Sicherung von Rohstoffen (Gebiete, die für einen darüber hinausgehenden Zeitraum von weiteren ca. 15 bis 20 Jahren für einen zukünftigen Abbau gesichert werden sollen). Um den letzten Punkt - 15 bis 20 Jahre - geht es in Enzberg. Der erste Punkt ist bereits erfolgt mit dem seit 12.05.2000 verbindlichen „Teilregionalplan Rohstoffsicherung 2000-2015“.  Tatsächlich ist aber die Sicherung einer Erweiterungsfläche auch in der zweiten Stufe schon eine Vorentscheidung, auch wenn die inhaltlichen Themen erst in einem Genehmigungsverfahren geklärt werden. Mit solchen juristischen Feinheiten lässt sich aber vor Ort kein Blumentopf gewinnen. Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, was kommt, wenn erst einmal im Regioinalplan ein Standort "gesichert" ist. Das machte den Vertretern des Regionalverbandes die Argumentation zusätzlich schwer.

Von Traktoren, Treckern und Schleppern: alles Bulldog?



Einblick in die Bulldog-Welt


Zum zehnten Mal Traktorenschau in Mühlacker: Heute fand bei der Freien Evangelischen Gemeinde Mühlacker (FEG) an der Ziegeleistraße der Trecker-Gottesdienst statt, verbunden mit einem Stelldichein von landwirtschaftlichen Zugmaschinen. Für mein Grußwort namens der Stadt Mühlacker wollte ich wissen, wie viel Traktoren es noch gibt, die zugelassen sind. Ich habe einmal beim Landratsamt Enzkreis nachgefragt. Stand 15. Mai waren bei der Kfz-Zulassungsstelle im Enzkreis 1192 Zugmaschinen gemeldet, davon in Mühlacker (mit Ortsteilen) 123. Auch wenn sie weniger geworden sind: Zum Bild unserer Gemeinden gehören sie, sowohl die kleinen als auch jene, die fast eine halbe Straßenbreite brauchen.

Bei der Gelegenheit noch ein kleiner Namensexkurs: Schwaben sagen ja nicht Trecker, sondern lieber Bulldog. Der Bolldog steckt quasi in uns. Trecker kommt aus der plattdeutschen Sprache und die wird bekanntlich im Norden gesprochen. Abgeleitet wird das Wort von trecken, was ziehen heißt. Traktor wiederum leitet sich ab vom lateinischen Wort trahere, was für ziehen steht. Bulldog war eigentlich nur eine Verkaufsbezeichnung für Traktoren oder Ackerschlepper der Firma Lanz in Mannheim, die längst von John Deere übernommen wurde.

In Deutschland lautet die amtliche verkehrsrechtliche Bezeichnung für einen Traktor oder Schlepper wiederum Zugmaschine. Und was amtlich festgestellt wird, gilt schließlich. 

Und wenn wir im Auto auf der Straße hinter einem Bulldog herunterschalten müssen, sollten wir nicht gleich schimpfen (auch wenn es schwer fällt, wenn es eilt). Schließlich wollen wir von unseren Landwirten, dass sie für Nahrungsmittel sorgen - oder für Energiestoffe. Doch die Trecker-Freaks von heute, die bei der FEG ihre Oldtimer zeigten, haben meist keinen Hof, sondern "nur" eine unbändige Freude an diesen Liebhaberstücken, die sie pflegen und hegen, mit denen sie Ausfahrten unternehmen wie andere Leute mit dem Motor- oder Fahrrad. Wo die Liebe eben hinfällt...


Ach so: Ziehen und Zugkraft gehören zueinander. Das  kann durchaus symbolisch verstanden werden: Auch eine Stadt und ein Land brauchen Zugkraft, um vorwärts zu kommen. 

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Junge Menschen sehen ihre Stadt: "Ich mag Mühlacker"



"Jugend Mühlacker 2.011"

Eine interessante Ausstellung über die Fotodokumentation "Jugend Mühlacker 2.011" wurde heute Abend im Rathaus eröffnet. Der Arbeitskreis Jugend Mühlacker will damit die Vielfältigkeit von Lebenswelten und -weisen von jungen Menschen als Sozialraum dokumentieren. Professor Dr. Walter Specht aus Sternenfels, Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Mobile Jugendarbeit, entwarf das Bild einer Jugend, die eben nicht nur die Schule braucht, sondern auch die "nicht formale Bildung" und warb dafür, den Stellenwert der außerschulischen Jugendbildung zu stärken. Oberbürgermeister Frank Schneider und Michael Gutekunst (Evangelisches Jugendwerk) für den Arbeitskreis Jugend hoben darauf ab, wie differenziert junge Menschen ihre Stadt Mühlacker sehen. In der Ausstellung und einem 52-seitigen Heft geben 23 Jugendliche und junge Erwachsene Einblicke.
Es ist beileibe keine repräsentative Befragung, aber ein kleiner, aufschlussreicher Querschnitt, der eine grundsätzlich positive Einstellung der jungen Menschen zu "ihrer" Stadt verrät. Das geht nicht ohne konträre Positionen ab. "Einige Busverbindungen sind sehr schlecht", sagt Christina (20), während Giu (19) gute Verkehrsanbindungen lobt. Positiv fällt durchweg die Bewertung des Jugendhaus Pro Zwo aus, verbunden mit dem Wunsch nach einem neuen Jugendhaus (dessen Planung läuft). Freizeitaktivitäten werden abgefragt, Treffpunkte mit Freunden, was an Mühlacker gefällt beziehungsweise nicht gefällt, was für Jugendliche in der Stadt gewünscht wird und welche Ziele die Einzelnen für die Zukunft haben. 
Zehra (18) beklagt: "Die Erwachsenen stecken auch alle Jugendlichen in eine Schublade." Und was gefällt? "Dass man alles um sich hat, was man braucht" (Maurice, 13). Wiederum Johannes (23) kritisiert, dass die Politiker lieber Geld im großen Stil im Mühlehof und in der Bahnhofstraße vergraben statt sich um wirklich wichtige Sachen zu kümmen - was wirklich wichtig ist, bleibt allerdings offen. Als Pluspunkte der Stadt werden die Burg Löffelstelz genannt, Tanzkurse, Eisdiele, Einkaufsmöglichkeiten, das Straßenfest. Gleichzeitig setzen sich andere für mehr Treffpunkte und für eine Disco ein. Es ist das gesamte Spektrum an Wünschen und Vorstellungen. In der Rubrik "An Mühlacker gefällt mir nicht" schreibt Giu: "Ich mag Mühlacker!" Sie wünscht sich aber mehr Akzeptanz und Toleranz von den Erwachsenen - und steht damit nicht allein. 
Fotos und Texte, die sich lohnen angeschaut und gelesen zu werden. Die Ausstellung ist bis 24. Mai im Foyer des Rathauses zu sehen. "Junge Menschen sehen ihre Stadt: "Ich mag Mühlacker" " vollständig lesen

Das Gehörtwerden im Alltag


Ein Jahr Grün-Rot in Baden-Württemberg. Alles gut. Alles gut? Mein Kreistagskollege Michael Seiss, Bürgermeister von Friolzheim im Enzkreis, hat dazu Interessantes gebloggt - als Antwort auf einen Facebook-Eintrag der SPD-Bundestagsabgeordneten Katja Mast. Und was meint der Pforzheimer Oberbürgermeister Gert Hager vor dem Hintergrund ausbleibender Hilfen des Landes bei der Integrationsarbeit mit der schwierigen Zuwanderergruppen junger Iraker? Gestern stand es in der PZ: "Die Nackenschläge aus Stuttgart wirken da nicht motivierend. Die Arbeitsagentur sei abgezogen, der Zuschlag für ein Polizeipräsidium verweigert worden. Und nun ,weiß Öney nicht, wovon sie redet, und Kretschmann interessiert es nicht', sagt Hager. Überhaupt: der Ministerpräsident, der immer von der Bürgergesellschaft redet und vom Gehörtwerden. Doch wie sieht es mit dem Gehörtwerden aus? Beispiel: Änderung des Landesplanungsgesetzes mit Ausweisung von Windkraftstandorten. Hier hat die Koalition ihre Position durchgeboxt, ohne auch nur einen Deut auf die Änderungswünsche von vor Ort einzugehen. Und die Polizeireform? "Kein Rückzieher", so der Regierungschef - egal, was draußen aus dem Land an gut begründeten Korrekturvorschlägen kommt, zum Beispiel aus Pforzheim, dem Enzkreis oder aus den Kreisen Calw und Freudenstadt. Auch hier werden die Anhörungsrunden zur Farce. Aus dem Gehörtwerden wird kein Erhörtwerden. Natürlich lassen sich von der Landesregierung nicht alle Wünsche umsetzen. Doch dass stur an allem immer festgehalten wird, was auf den Weg gebracht wurde, entgegen der eigenen Ankündigungen, ist Politik nach Gutsherrenart. Die selbst ernannten Gutmenschen vor allem der Grünen wissen, was gut ist für die Menschen. Bevormundungspolitik statt Politik des Gehörtwerdens. So sieht die Bilanz von Grün-Rot aus. Und das ist wirklich der Politikwechsel.

Lienzingen-Seiten im Netz

Vor fünf Jahren gab es hier einen ersten Internet-Spaziergang: Was steht im Netz zu Lienzingen? Hier ein paar aktuelle Seiten: 

FC Bayern Fanclub - Die Schnecken aus Lienzingen im Enzkreis

Tennisfreunde Lienzingen 

Hotel Restaurant Nachtwächter 

Geissel GmbH 

THW Mühlacker mit Sitz in Lienzingen

FV Lienzingen 

Evangelische Kirchengemeinde Lienzingen

TV Lienzingen 

GenWiki

Kirchenburggasse 5

Wetter Lienzingen

Ortsplan 

Naturparkführer 

Fahrplan Haltestelle Friedenstraße

Gefallendenkmal auf dem Friedhof 

Knittlinger Straße 20 

Radtouren 

Feuerwehr Lienzingen 

Hirsch Lienzingen 

Lepple Druckguss 

Historische Ortsanalyse 

Frauenkirche 

Musikalischer Sommer Frauenkirche

Panoramabild Knittlinger Straße

Service für Lienzingen 

Roth-Grün 

Metallbau Lepple

GMR 

Lienzingen im Landkreis Vaihingen 

und noch etwas auf Spanisch  "Lienzingen-Seiten im Netz " vollständig lesen

Tiefbauer verlegen jetzt die Glasfaserkabel



Tiefbauarbeiten in der Friedenstraße

In Lienzingen wird schon eifrig gebuddelt: Die Tiefbauarbeiten haben begonnen, um die Glasfaserkabel zu den neun Kabelverzweigern zu verlegen, an denen die Outdoor DSLAM aufgestellt werden. Noch müssen eineinhalb Kilometer Glasfaserkabel in die Erde gebracht werden. Die von den Stadtwerken Mühlacker GmbH beauftragte Firma ist gerade im Bereich Friedenstraße/Ringstraße tätig. Es kann davon ausgegangen werden, dass vom Oktober 2012 an unser Stadtteil schnelles Internet durch Datenübertragungsraten von bis zu 50 MB/sec hat: dank Stadtwerken und Neckarcom. Inzwischen ist auch die Web-Seite www.mühlacker.net geschaltet, auf denen potentielle Wechsler die notwendigen Informationen erhalten (Daten, Tipps, Hotlinenummer, Antragsformulare). Bei der Mühlacker Messe Ende April informierten sich viele Menschen nicht nur aus Lienzingen, sondern auch aus Enzberg und Mühlhausen, die nächsten Stadtteile auf der schnellen Datenautobahn. In Gesprächen höre ich immer wieder, dass das Interesse an den neuen Angeboten groß ist. Jetzt sind die Tage des Schnecken-Internets gezählt.

Bürohaus Wertle: Relikt eines verlorenen Kampfes



Wertle-Gebäude: Der Abbruch hat begonnen.


Abschied vom Ex-Bürogebäude im Wertle in Mühlacker, zuletzt Domizil für Jugendhaus Pro Zwo, Familienbildung und Vereine. Abschied von einem Pappendeckelgebäude, wie es der frühere Stadtrat Joseph Mayer bezeichnetge. Denn die Immobilie im Quadrat - 35 mehr lang und 35 Meter breit - war die Produktion einer Fertighausfirma in Ölbronn und als Provisorium für 20 Jahre gedacht. Inzwischen sind es 40 Jahre geworden. Damit ist es so alt wie der Enzkreis. Und mit dessen Zustandekommen hängt seine Geschichte zusammen. Das Bürohaus ist Relikt eines verlorenen Kampfes, den um die Selbstständigkeit des Landkreises Vaihingen und ums eigene Kfz-Schild mit dem Kürzel VAI. Zum 1. Januar 1973 entstand der Enzkreis, dessen östlicher Teil der westliche Teil des Kreises Vaihingen war. Um Balsam auf die wunden Seelen im Raum Mühlacker zu streichen, gab es dann dieses Bürogebäude als Außenstelle des Landratsamtes - ein Holzständerbauwerk mit Pressspanplatten und Betonwänden. In einem Teil residierte die Außenstelle der Kfz-Zulassung, die Statthalter einiger Enzkreis-Ämter, in einen anderen Teil zog die vom Posten zum Revier gewordene Polizei ein. 


Eigentlich hatte der letzte Vaihinger Landrat Erich Fuchslocher zusammen mit einer Mehrheit des Kreistages gehofft, den gesamten Kreis Vaihingen dem Enzkreis zuschlagen zu können. Fast wäre es auch gelungen, doch kurz vor der dritten und entscheidenden Lesung im Landtag gingen die Vaihinger mit dem Ruf "Auf nach Ludwigsburg, nicht zu den Gelbfüßlern!" auf die Barrikaden und schließlich entschied sich das Landesparlament dafür, VAI zweizuteilen und den Westen dem Kreis Ludwigsburg zuzuordnen (Oberderdingen landete als nördlicher Zipfel im Kreis Karlsruhe). Erinnerungen werden wach, so an eine Podiumsdiskussion in der Kreisberufsschule Mühlacker unter anderem mit Fuchslocher, die ich als Vorsitzender der Jungen Union im Kreis Vaihingen geleitet hatte und bei der es schon nicht mehr um den Erhalt des Kreises als selbstständige Einheit ging, sondern darum, wenigstens vereint zum Kreis Pforzheim zu kommen, um dort auch Einfluss zu haben.


Weil Mühlacker zum 1. Januar 1973 Große Kreisstadt wurde und das Rathaus für die zusätzlichen Ämter nicht ausreichte, musste auch Platz geschaffen werden im noch neuen Bürohaus Wertle. Die Konstruktion blieb einige Jahre, bis der Enzkreis seine Zweigstelle abmagerte und vor allem die Kfz-Zulassung in die Vetterstraße 21 verlegte. Nun konnte sich die Stadtverwaltung ausweiten, denn sie brauchte wegen des Abbruchs des alten Rathauses an der B 10 und den Bau des neuen Verwaltungssitzes an selbiger Stelle einige Ausweichquartiere. Nach der Einweihung des neuen Rathauses 1990 war dann der Weg frei für den Umzug des Jugendhauses vom früheren Jugenddorf im rückwärtigen Bereich der Firma Metzler ins Wertle im August 1990.

Eigentlich ist das eine eigene Geschichte wert. Denn wie das Bürohaus war das Jugendhaus ein Provisorium: Zuerst in den siebziger Jahren im Kelteranbau (heute Bücherei) und damit vor der Sanierung der Kelter untergebracht - eine Einrichtung in Selbstverwaltung, was gründlich schief lief und zur abrupten Schließung durch die Stasdt führte, weil Gerüchte über Drogen die Runde machten. Einen Neuanfang (und erstmals einen Sozialarbeiter) gab es dann im früheren Jugenddorf des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland, das in der Historie als erstes Provisorium gebucht wird, obwohl es eigentlich das zweite war. Im Wertle nannte sich das Jugendhaus Pro Zwo. Die Polizei zog 1998 in die Goldshalde und machte Räume frei für Vereine, unter anderem den Bouleclub.


In den nächsten drei Wochen verschwindet das Bürohaus, das Gelände wird Teil der kleinen Gartenschau 2015 und damit schließt sich der Kreis: Eigentlich hatten einst die Krautgärtenbesitzer die Fläche an die Kommune verkauft, um einen Stadtpark anzulegen. Die Kreisreform und das Pappendeckelgebäude kamen dazwischen. 2015 erfüllen sich die alten Wünsche. Inzwischen ist das Jugendhaus in sein viertes Provisorium umgezogen, in den alten Badischen Bahnhof. Ende 2015 wechselt es - auf Dauer - in ein neues Gebäudes im nördlichen Gartenschaugelände auf Höhe B 10, das während der Gartenschau als Baden-Württemberg-Treff dient.  Die Familienbildung wechselt in den Mühlehof und damit in ein neues Provisorium, der Bouleclub kommt im Vereinsgebiet beim Wullesee unter.


Heute habe ich mir die Abbrucharbeiten angeschaut und auch die Kunst am Bau, soweit noch nicht Opfer der Abrissbirne. Es ist Abschied von einem Stück jüngerer Stadthistorie, die zwar nicht mit der der Burg Löffelstelz, die über dem Gebäude thront, konkurrieren kann, aber doch Arbeitsplatz oder Treffpunkt für mehr als eine Generation war. Ein Platz für Partys, Feste und Weiterbildung. Fürs Diskutieren und Chillen. Ein bisschen Wehmut darf man sich auch bei einem Provisorium erlauben. Die Jugendhausleiterin Gudrun Sautter wird heute in der Zeitung mit der Aussage zitiert, sie nehme Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wobei das weinende Auge im Moment deutlich größer sei. Ich finde: das trifft's!

Dabei wussten wir alle, dass der bauliche Zustand nicht auf Dauer bleiben konnte und eine Sanierung sich auch nicht lohnte.  

Hier die Wertle-Chronik des Stadtarchivs Mühlacker: Wertle-Chronik.pdf "Bürohaus Wertle: Relikt eines verlorenen Kampfes" vollständig lesen