Von Heimatgefühl und Bildungsauftrag - eine Grundschule
Ein schönes Schulfest ging heute Abend zu Ende: Die Grundschule Lienzingen feierte "ihren" Altbau, der vor 50 Jahren (genauer 50,8 Jahren) eingeweiht wurde. Es war damals der neue Schulstandort für unseren Ort. Schule gibt es in Lienzingen aber seit mindestens 435 Jahren.
Blick zurück in den Oktober 1960: Ich war zehn, als wir das neue Schulgebäude am damaligen Mühlweg (heute Friedrich-Münch-Straße) bezogen. Vieles änderte sich dadurch. Vorbei waren die Zeiten mit den im Holzboden fest fixierten Sitzmöbel für jeweils zwei Schüler, bei dem die Sitzgelegenheit fest mit der schrägen Schreibplatte verbunden war (ein Exemplar steht noch im Flur des ersten Stocks unserer Grundschule) und von dem der Ausdruck herrührt, die Schulbank zu drücken. Vorbei war es mit der Kirchenburggasse als verlängertem Schulhof für die große Pause, mit den auf kombinierte Jahrgangsklassen ausgerichteten großen Räume. Uns erwarteten nun richtige Tische mit Stühlen, die man auch mal verschieben konnte, große Fenster, mehr Schulräume und ein richtiger Pausenhof. Doch eines galt im alten wie in den ersten Jahren auch im neuen Schulhaus: Allzu renitente Schüler oder kleine Störenfriede im Unterricht bedachte der Lehrer mit Tatzen auf die Innenhand oder zog ihnen den Hosenboden stramm. Ein Pfarrer soll auch schon mal den Zeigestock dafür verwendet haben – auf meinem Po ging dieser dann entzwei.
Noch ein Blick zurück: Die Lienzinger Schule hat alle Reformen gut überstanden, auch die Schulgebietsreform Ende der sechziger Jahre. Zwar waren es danach nicht mehr acht, sondern nur vier Klassen, aber wenigstens blieb die Schule – nun als Grund- statt als Volksschule – im Dorf. Kleine Kinder, kurze Wege. Das war gut so. Für die Kinder ist so das ihnen vertraute Lienzingen auch durch die eigene Schule immer der Lebensmittelpunkt. Unsere Grundschule kann als bester Beweis dafür herangezogen werden, dass gerade eine solche überschaubare Bildungseinrichtung pädagogisch fit bleiben kann. Das zeigt ganz aktuell das Bildungshaus als gemeinsames Dach für Schule und Kindergärten. Kernzeit- und Nachmittagsbetreuung sind wiederum Belege, wie auch Schule auf veränderte gesellschaftliche Anforderungen reagiert – selbst auf dem Dorf.
Blick voraus: Trotz sinkender Geburtenzahlen, die schon zur Schließung einer Kindergartengruppe in Lienzingen führten, müssen wir alles tun, damit die Schule im Dorf bleibt und Teil eines funktionierenden sozialen Gefüges ist. Wir brauchen das Miteinander von Schule, Vereinen, örtlichen Gruppen und Kirche, um auch als Dorf stabil zu bleiben. Und Profil zu haben. Gut ist, dass Stadtverwaltung und Gemeinderat in ihrem Schulentwicklungsplan die Schule im Ort lassen und dafür mit Nachdruck eintreten. Ob sich die Rahmenbedingungen durch die Landespolitik ändern und gegebenenfalls wie, müssen wir abwarten. Aber sie dürfen nie dazu führen, kleinere Grundschulen aufzugeben. Schule ist im ländlich geprägten Bereich ein Infrastrukturfaktor. Und sie schafft zusätzlich Heimatgefühl. Das ist neben ihrem Bildungsauftrag das, was sie so liebenswert macht.