Stuttgart 21 erreicht auch die Enzkreis-Politik

"Sie sind doch auch bei der CDU", begann gestern Abend eine Bürgerin aus Lienzingen ihren Anruf bei mir. Sie sprach vom Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner und wollte ihren Unmut darüber zum Ausdruck bringen. So könne man doch nicht vorgehen.
So sind wir Gemeinderäte und Kreisräte die Adressen vor Ort, um sich den Kropf zu leeren - auch wenn wir weder über polizeitaktische Überlegungen zum Umgang mit Demonstranten noch über die PR-Arbeit für Stuttgart 21 zu entscheiden haben. Aber die Stimmung der Menschen aufzunehmen und weiterzugeben, da sehe ich schon eine Aufgabe auch der Kommunalpolitik.


Heute spiegelt sich das Echo des Wasserwerfer-Einsatzes von gestern wider in den Pressekommentaren, die jedoch nicht einheitlich sind und das gesamte Spektrum der Meinungen zeigen (Quelle: Deutschland Radio Presseschau)


"Man mag zum verkehrspolitischen und ökologischen Sinn des Bahnprojekts Stuttgart 21 stehen, wie man will. Fest steht: Es ist demokratisch zustande gekommen. Alle rechtsstaatlich notwendigen Entscheidungen sind zugunsten der Befürworter gefallen. Dass Gegner des unterirdischen Bahnhofs gegen dessen Bau demonstrieren, ist ihr gutes Recht. Das Recht, den Bau nachträglich zu verhindern, haben sie nicht. Dagegen muss die Polizei vorgehen, notfalls mit Gewalt. Geschieht dies nicht, herrscht nicht Demokratie, sondern Anarchie." So weit die KIELER NACHRICHTEN.

"Die Gewalt in Stuttgart befremdet", findet dagegen das WESTFALEN-BLATT aus Bielefeld. "War das nötig? Welchen Anlass gab es für solch eine Demonstration der Staatsmacht? Es müssten schon erhebliche Gesetzesverstöße gewesen sein, die auch nur den Gedanken an solch ein Durchgreifen rechtfertigten. Die Zweifel daran überwiegen."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU erinnert daran, dass das Selbstbewusstsein der Projektbefürworter eben erst wieder erstarkt war:
"Nun aber sieht es wieder so aus, als knüpple die Nomenklatura aus Bahn, CDU und Stadt ein ungeliebtes Projekt gegen den Willen der Bürger durch. Wer hat sich bloß die Taktik ausgedacht, Wasserwerfer für die Räumung eines lächerlich kleinen Areals einzusetzen? Der Vorwurf, die Projektgegner hätten Schüler wegen der Macht der Bilder instrumentalisiert, ist möglicherweise nicht ganz von der Hand zu weisen. Und doch muss sich die Polizei fragen lassen, warum sie die Schüler überhaupt in eine solche Lage brachte und die Zugänge nicht längst absperrte. Der heiße Herbst in Stuttgart hat begonnen"

Der Einsatz der Wasserwerfer beschäftigt die Menschen auch bei uns. Die zentrale Frage heißt: War das notwendig? Er hat jedenfalls der öffentlichen Diskussion über Stuttgart 21 geschadet und erschwert den Befürwortern die Argumentation. Hierzu gibt es Film-Rohmaterial - die Vorgänge im Original und unkommentiert:

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Notwendig ist es, sich offensiv mit dem zu beschäftigen, was die Gegner vorbringen. Daran mangelt es immer noch - oder die Antworten gehen unter in der Berichterstattung über die Eskalation am Bauzaun. Die Einwände Punkt für Punkt abzuarbeiten, das öffentlich zu tun und jenen, die zweifeln an Sinn und Finanzierbarkeit überzeugende Argumente für S 21 zu vermitteln, ist das Gebot der Stunde. Natürlich sind die Punkte im Verlauf des rechtsstaatlich einwandfreien und von Gerichten bestätigten Verfahrens schon behandelt worden, aber viele Menschen entdecken erst jetzt das Thema, aufmerksam geworden durch den Protest. Das mag bedauert oder als lästig empfunden werden, besser wäre es, damit offensiv umzugehen. Weshalb bietet die Bahn AG kein offenes Forum mit Fragen und Antworten auf ihrer Internetseite? Statt dessen werden nur die zehn wichtigsten Fragen aufgelistet und beantwortet. Weiß die Bahn, was den Menschen am wichtigsten ist?


Der Verband Region Stuttgart hat sich diese Woche mit den Stimmen von CDU, SPD, Freien Wählern und FDP zu dem Projekt Stuttgart 21 bekannt. Er ist mit 100 Millionen Euro an den Kosten beteiligt. Weil das Vorhaben auch Auswirkungen auf den Enzkreis hat, legte die CDU-Kreistagsfraktion einen Antrag dazu vor. Das gibt sicherlich eine kontroverse Debatte im Kreistag.


Zum Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten äußerte sich Ministerpräsident Stefan Mappus. Das dürfe sich nicht wiederholen: Er fordert Dialog ein.

"Die Grünen tun so, als ob wir in einer Diktatur leben"