Doppel-Strategie


Zwei Tagesordnungspunkte bei der gestrigen Gemeinderatssitzung, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben: Die dritte Änderung des Bebauungsplanes "Belzäcker (Goethestraße Nord)" und die weitere Aussetzung der Mietzahlungen für den kulturellen Teil des Mühlehofs an die Berliner Firma Echo GmbH als Eigentümer. Aber igrendwie hängen sie doch zusammen.
Zunächst zum Mühlehof. Der Gemeinderat verweigerte bisher Monat für Monat die Mietzahlungen: Jedes Mal gab es einen Beschluss. Jetzt hat das Gremium entschieden, so lange die Miete nicht zu überweisen, bis eine rechtskräftige Entscheidung des von Echo angestrengten Gerichtsverfahrens gegen die Stadt vorliegt und von dieser dann das weitere Handeln abhängig zu machen. Die Stadtverwaltung muss damit nicht mehr monatlich antreten, um sich den Beschluss zu holen.
Echo zog inzwischen vor den Kadi, um zu erreichen, dass die Stadt den Mietzins wieder entrichten muss. Die Stadt legte daraufhin eine Gegenklage vor und will Schadensersatz von Echo, weil das Unternehmen die Sanierungsverpflichtung für Gebäude und Tiefgarage aus dem Mitte 2005 abgeschlossenen Kaufvertrag nicht erfüllt hat. Erinnern wir uns: Echo war angetreten, den gewerblichen Teil des Mühlehofs zu aktivieren und zu einem Einkaufszentrum aufzuwerten und so den Kulturteil zu ergänzen. Rundum Leben sollte in das Gebäude und damit auch in die Fußgängerzone einziehen. Nichts ist daraus geworden.


Gleichzeitig aber klopfen Investoren und Projektentwickler bei der Stadtverwaltung an, weil sie Mühlacker für einen interessanten Platz halten (aber nicht das Mühlehof-Gebäude). Ich habe darüber schon einmal gebloggt. Inzwischen hat Kaufland sein Interesse bestätigt. Richtig ist es, ein Einkaufszentrum in die Innenstadt zu nehmen und nicht auf die grüne Wiese vor den Toren der Stadt. Mühlacker hat Kaufkraftabfluss zu beklagen, wir vertragen also noch zusätzliche Verkaufsflächen (auch neben Schramml in Enzberg und Drehscheibe). Als interessanter Standort gilt der Bereich nördlich der Goethestraße. Da sind noch viele Fragen zu klären und Entscheidungen zu treffen, aber irgendwann muss damit begonnen werden: Der Gemeinderat gab gestern mit dem Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan das Startzeichen. Natürlich wird es noch manche Diskussion geben. Und es wird kritisch gefragt, was dann aus dem Mühlehof wird. Uns allen wäre es am liebsten, wenn der Standort Mühlehof genutzt werden würde. Aber das heißt: Abbruch eines Gebäudes, das der Stadt nicht gehört (deshalb war es falsch, dass die Mehrheit des Gemeinderats 2005 dem Antrag des damaligen OB Schütterle folgte und den Kulturteil an Echo verkaufte - Grundstücke in zentraler Lage darf eine Kommune nicht abstoßen).
Also: Die Entscheidung über einen Abbruch, in dem manche in der Bevölkerung den einzig richtigen Weg sehen, liegt in Berlin, nicht in Mühlacker. Bei einem Abriss bräuchte die Stadt eine neue Kulturhalle. Zumindest mit dieser Variante beschäftigen sich Gemeinderat und Stadtverwaltung in großer Übereinstimmung - unabhängig davon, welchen Kurs die Firma Echo einschlägt. Dieser Tage schaute sich der Gemeinderat die neue Halle in Weissach an, um auszuloten, was heute - auch technisch - möglich ist. Wir müssen wissen, was wir wollen.


Eine Doppel-Strategie ist notwendig: Goethestraße Nord planerisch entwickeln,  Optionen aber auch für den Kultursaal prüfen. Bis Jahresende sollten wir klar sehen. Dann müsste auch Echo Position in der Sache beziehen und nicht nur vertrösten - das Unternehmen sagt doch selbst immer, für den gewerblichen Teil seien keine Mieter zu finden. Schon gar nicht der ersehnte Ankermieter, auf den wir seit fünf Jahren warten.


Hier die Sitzungsvorlagen zu Goethestraße Nord:


Text.show_pdf.pdf


Plan.show_anlagen.pdf



Nicht möglichst lang, sondern so kurz wie möglich




Die Enz als Energie-Lieferant

Zwischen 250 und 300 Besucher kamen heute zum Tag der offenen Tür im Wasserkraftwerk an der Enz im Stadtteil Lomersheim. Eine Aktion der Stadtwerke Mühlacker im Rahmen des Projekts "Tourismus trifft Technik und Natur" des Regionalverbandes Nordschwarzwald sowie der Energietage Baden-Württemberg. Vor allem das Innenleben des roten Backsteingebäudes machte auch zahlreiche Lomersheimer neugierig, denen sich erstmals die Gelegenheit bot, einen Blick auf die beiden Francis-Turbinenanlagen und in die lichte Betriebshalle zu werfen: eine Turbine aus dem Jahr 1905, die andere von 1924. Es ging nicht nur um die Enz als Erzeuger erneuerbarer Energie, sondern auch um einen Spaziergang durch die Lomersheimer Heimatgeschichte. Die Stadtwerke hatten in einem Flyer die Historie des Kraftwerkes aufgearbeitet, das Nachfolger der Lomersheimer Mühle ist.
Ende des 19. Jahrhunderts hatte Mühlenbesitzer Georg Bühler der Gemeinde angeboten, die Wasserkraft auch zur Herstellung elektrischer Energie zu nutzen. Rathaus und Straßen waren bald elektrisch beleuchtet. Doch die Mühle brannte im September 1901 nieder. 1905 ließ die Firma Georg Wild (Zürich) in unmittelbarer Nähe das jetzige kleine Flusskraftwerk bauen, verkaufte es wenige Jahre danach an die Lomersheimer Firma Gebrüder Wendler, von der es 1974 Georg Höchstetter übernahm, der aus dem Bayrischen nach Lomersheim gekommen war. Seit 2002 sind die Stadtwerke Mühlacker der Eigentümer. Das Kraftwerk, das auf den ersten Blick ein kleines bisschen den Charme eines Technikmuseums hat, liefert Strom für etwa 700 Haushalte. Die Stadtwerke haben Teile der Aggregate erneuert, weitere Sanierungsarbeiten stehen an, die auch zu einer höheren Leistungsfähigkeit und "Energie-Ernte" führen sollten.


Mitarbeiter von Stadtwerken und Stadtverwaltung gestalteten heute den Tag der offenen Tür, boten weitere Informationen über die Energieversorgung und auch über das Projekt des Regionalverbandes Nordschwarzwald. Gleichzeitig präsentierte das kommunale Versorgungsunternehmen "Unsere Grünen Seiten" - so der Titel einer 24-seitigen Farbbroschüre mit Informationen zu regenerativen Energien sowie mit Fotostrecken, die die Vielfalt der Lebensräume und Arten in Mühlacker dokumentieren. Dass die Stadtwerke seit Jahrzehnten auch auf erneuerbare Energie setzen, als diese noch nicht für Schlagzeilen sorgte, belegen die Beiträge: Vorgestellt wird das 1964/65 errichtete Flusskraftwerk an der Enz in der Nähe des Theodor-Heuss-Gymnasiums (Stromerzeugung für etwa 1200 Haushalte), ein Kapitel gilt den - meist privaten - Sonnenkraftwerken auf Mühlackers Dächern (Fotovoltaikanlagen mit derzeit mehr als 4000 kWp solarer Leistung), in weiteren Beiträgen werden die  Beteiligung die Stadtwerke an einer 400 Megawatt-Offshore-Windkraftanlage in der Nordsee und die 2007 in Betrieb genommene Biomethananlage in den Waldäckern beschrieben. Ach ja, Premiere hatte auch der SWM-Kalender für 2011 im weiterhin ungewöhnlichen Querformat mit den bekannt prächtigen Landschaftsaufnahmen von SWM-Mitarbeiter Thomas Wilhelm. Schwerpunkt diesmal ganz passend: die Enz.


Erneuerbarer Energie gilt die Zukunft. Damit kein Irrtum entsteht: Auch die Stadtwerke beziehen noch kräftig Strom aus Atom- und Kohlekraft. Aber der Anteil  besonders der Kernenergie soll immer weiter reduziert werden. Noch ist auf Atomenergie nicht zu verzichten, aber die Anstrengungen zum Ausbau der regenerativen Energien müssen verstärkt werden, um die Zeit der Atomkraft-Nutzung zu verkürzen. Nicht möglichst lang, sondern so kurz wie möglich - das muss die Devise für die Laufzeit der Kernkraftwerke sein. Mappus möge verzeihen! Als Schwarzer im Aufsichtsrat der Stadtwerke und damit als einer der Vertreter des Gemeinderats in diesem Gremium will ich, dass unser kommunaler Versorgung noch stärker seine grünen Seiten betont. Dabei sind mir dezentrale Lösungen, die die Wertschöpfung in der Region halten, lieber. Deshalb sollten sich die SWM, im Verbund mit anderen Stadtwerken, auch beim Ausbau der Windkraft in der Region Nordschwarzwald engagieren, um nur ein Beispiel zu nennen.



Millionen-Projekt der Stadt für den Umweltschutz




Die Spaten stehen bereit


Die seit einigen Jahren größte Baumaßnahme der Stadt Mühlacker begann heute mit dem ersten Spatenstich: Die fast 6,6 Millionen Euro teure Erweiterung der Kläranlage Lomersheim, in der auch Abwässer der Nachbargemeinden Ölbronn-Dürrn und Ötisheim fließen. Ganz unaufgeregt verliefen die Diskussionen im Gemeinderat, keine Debatte um die Notwendigkeit, keine langen Dispute über Details. Bei dieser Summe für Kommunalparlamente eigentlich ungewöhnlich. Was die Sache leicht macht: Die Investition refinanziert sich über die Abwassergebühren. Das Projekt war notwendig, weil manche Nährstoffe - inbesondere Stickstoff - in der jetzigen Anlage nicht so stark abgebaut werden können, wie es im Gesetz gefordert wird. „Der Grund für die umfangreichen Arbeiten ist, dass die Kläranlage in ihrer jetzigen Funktionsweise die gesetzlichen Anforderungen nur noch bedingt einhalten konnte. Für die beiden Nährstoffe Nitrat und Phosphor sind Grenzwerte eingeführt worden, für deren Einhaltung die Anlage ursprünglich nicht ausgelegt war“, sagte Oberbürgermeister Frank Schneider heute zur Begründung.


Im Jahr 2006 legten drei Fachbüros Variantenstudien vor, letztlich entschied sich der Gemeinderat für den Plan der Weber-Ingenieure GmbH in Pforzheim.

Kläranlagen eigenen sich nicht für Bürgermeister-Denkmäler. Eine Schule oder ein anderes öffentliches Gebäude sehen die Bürger. Solche Immobilien eignen sich eher für Leistungsnachweise von Bürgermeistern und Gemeinderäten. Weniger schlagzeilenträchtig ist, wenn Geld buchstäblich vergraben wird. Trotzdem ist die Erweiterung der Kläranlage eine wichtige kommunalpolitische Entscheidung, weil sie ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz ist. Vereinfacht gesagt: Das Abwasser, das nach der Kläranlage in die Enz - die Fachleute sprechen vom Vorfluter - fließt, ist noch sauberer als jetzt. Zudem wird es auf der Kläranlage noch weniger riechen als bisher schon.
Mehr als eine Million Kilowattstunden Strom pro Jahr werden eingespart, dank eines Automatisierungskonzepts. Dadurch sinkt die CO²-Belastung - ein Beitrag zum Klimaschutz. Allein mit dieser Einsparung erfülle die gesamte Stadt Mühlacker seine Verpflichtung zur Reduzierung der Klimabelastung nach dem Kyoto-Protokoll, rechnete der OB vor.


Genau 6,55 Millionen Euro kostet die Erweiterung. Das Land Baden-Württemberg schießt 1,21 Millionen Euro zu, weshalb auch die Landtagsabgeordneten Winfried Scheuermann (CDU) und Thomas Knapp (SPD) heute neben Landrat Karl Röckinger, OB, Stadträten den Spaten schwingen durften. Weil die Stadt bisher schon wegen mangelnder Reinigungsleistung eine Abwasserabgabe ans Land bezahlen muss, wird davon eine Million Euro mit den Baukosten verrechnet, so dass Mühlacker, Ölbronn-Dürrn und Ötisheim noch 4,4 Millionen Euro aufbringen müssen.


Der Terminplan: Der erste Bauabschnitt wird bis Herbst 2011 realisiert. Die gesamten Arbeiten werden bis Frühjahr 2014 abgeschlossen sein. Dann wird die Bilanz so aussehen:



Stickstoff- und Phosphat-Anteile sinken um 20 Prozent
82 Prozent weniger Fällmittel und Essigsäure werden eingesetzt
Der Strombedarf für die gesamte Anlage reduziert sich um 55 Prozent
Der Betrieb wird um 200.000 Euro günstiger, was sich positiv auf die Abwassergebühren auswirkt. 


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Brauchen wir nun eine Deutsche Fachwerkdorfstraße?




Fachwerk-Parade an der Knittlinger Straße in Lienzingen

Was ist sie nun, die Deutsche Fachwerkstraße oder die Deutsche Fachwerkstädtestraße? Offenbar nur letzteres. Denn weil Mühlackers Innenstadt keinen Kern aus reichlich Fachwerkgebäuden ziert, kann die Stadt nicht Mitglied des Verbundes werden. Fachwerk in den Stadtteilen wie in Lienzingen, Mühlhausen und Großglattbach reicht genauso wenig aus wie das Pracht-Fachwerk an der Enz in Dürrmenz - auch nicht in der Addition. So das Fazit der Rückfragen der Stadtverwaltung Mühlacker in der Fuldaer Zentrale der Arbeitsgemeinschaft historische Fachwerkstädte. Ausgelöst hat diese Aktivitäten ein Antrag der CDU-Gemeinderatsfraktion.


Denn die Fachwerkstraße führt quasi an der Haustür von Mühlacker vorbei. Vaihingen, Bietigheim-Bissingen und Markgröningen liegen an ihr. Mühlacker passt in seiner Gesamtheit nicht? Geht es denn um Fachwerk oder um Städtebau? Dann wäre es wohl an der Zeit, eine Alternativroute Deutsche Fachwerkdorfstraße ins Leben zu rufen, kommentierte ein Experte diese Reaktion der Konzeptkünstler in Fulda. Lienzingen könnte sein ganzes Potenzial einbringen. Immerhin verweisen schon jetzt Schilder an der B 35 auf den wertvollen historischen Ortskern.


Die Deutsche Fachwerkstraße ist eine Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft Historische Fachwerkstädte e. V. und basiert - eigenem Bekunden zur Folge - auf der Idee, Einheimische und Gäste auf den einzigartigen und schützenswerten Fachwerkbestand Deutschlands aufmerksam zu machen, ihn zu pflegen und zu bewahren. Die Mitgliedsstädte verfolgen dabei im Wesentlichen die Intention, sanften Tourismus, ökologische Bauweise, Tradition und lebendige Moderne miteinander zu verknüpfen. Da müsste doch Mühlacker gut passen.



Also: Am Ball bleiben! Denn Fachwerk ist Fachwerk, egal, wo es steht.

Telekom, Herr über die Kabelverzweiger auch in Lienzingen

Eine zähe Geschichte: Der dringend notwendige Ausbau der Breitbandversorgung in Mühlacker, vor allem in Stadtteilen wie Lienzingen, Enzberg und Lomersheim entwickelt sich zum Dauerbrenner. Jetzt hat der Gemeinderat auf Antrag der CDU-Fraktion beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die die Stadtverwaltung im Bestreben unterstützt, das DSL-Netz dichter zu knüpfen, um die Übertragungskapazitäten entscheidend auszubauen. Dieser Arbeitskreis soll auch allen Bürgern offen stehen, die durch ihren Sachverstand und ihre Kenntnisse einen persönlichen Beitrag leisten können, um rasch das Ziel zu erreichen. Die Devise muss heißen: alle Kräfte bündeln! Bei der Beratung des Jahresabschlusses der Stadtwerke Mühlacker habe ich im Gemeinderat gefordert, den Ausbau der Breitbandversorgung zu einem neuen Geschäftszweig zu machen. Vorbilder dafür gibt es (Danke meinem Gemeinderatskollegen Thomas Hauck für den Hinweis).


Leider kneift die Telekom, obwohl sie zum Beispiel ein Glasfaserkabel nach Lienzingen verlegt hat, von dem aber nur der UMTS-Mast an der Schelmenwaldstraße profitiert, aber nicht die (Netz-)Kunden des Unternehmens. Obwohl der Bund als Miteigentümer der Telekom den Ausbau der Breitbandversorgung beschleunigen könnte, tut sich wenig. Auch unsere Bundestagsabgeordneten zeichnen sich in dieser Sache nicht gerade durch Dynamik aus.
Die Telekom ist mit ihrem Netz ein Monopolist. Sie ist Herr über die Kabelverzweiger zum Beispiel in Lienzingen. Versuche von Konkurrenten, diese zu nutzen, um den Endverbraucher zu erreichen, blockt sie ab. Grund für mich, den Europaabgeordneten Daniel Caspary zu bitten, sich der Sache anzunehmen. Missbraucht die Telekom ihr Monopol? Ist in dieser Verweigerung, die Verteilerpunkte zu öffnen, eine Verletzung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften der Europäischen Union (EU) zu sehen? Caspary richtete eine Anfrage an die EU-Kommission. Inzwischen liegt die Antwort von EU-Kommissar Joaquin Almunia vor:


Nach Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) dürfen marktbeherrschende Unternehmen ihre Marktmacht nicht missbräuchlich ausnutzen.
Auf dem relevanten Markt für den Zugang zu den Teilnehmeranschlussleitungen (TAL) in Deutschland verfügt nach den Feststellungen der Bundesnetzagentur (BNetzA) derzeit lediglich die Deutsche Telekom über beträchtliche Marktmacht. Die Bundesnetzagentur hat deshalb die Deutsche Telekom verpflichtet, anderen Anbietern von Telekommunikations­dienstleistungen an den Hauptverteilern und Kabel- bzw. Endverzweigern die Zusammenschaltung zu ermöglichen. Die von der Bundesnetzagentur festgelegten Zusammenschaltungspunkte tragen einerseits der Netzstruktur, andererseits den technischen Möglichkeiten einer effizienten Zusammen­schaltung Rechnung.
Grundsätzlich haben marktbeherrschende Telekommunikations-Unternehmen neben den Vorgaben nach nationalem Regulierungsrecht auch Artikel 102 AEUV zu beachten. Verweigert ein marktbeherrschendes Telekommunikations-Unternehmen die Zusammenschaltung, so kann dieses Verhalten gegen Artikel 102 AEUV verstoßen.
Aus dem in der Anfrage geschilderten Sachverhalt ergibt sich nicht eindeutig, ob die Zusammenschaltung mit dem Netz der Deutschen Telekom erfolgen soll und an welcher Stelle des Netzes der alternative Netzbetreiber seine DSLAMs installieren möchte. Sollte es um die Zusammenschaltung mit einem anderen Netz als dem der Deutschen Telekom gehen, so dürfte die Verweigerung der Zusammenschaltung nicht gegen Artikel 102 AEUV verstoßen, da dieser andere Betreiber vermutlich nicht marktbeherrschend ist. Dies dürfte auch für den Fall gelten, dass die Zusammenschaltung mit dem Netz der Deutschen Telekom an anderen als den im Beschluss der BNetzA vorgesehenen Zusammenschaltungsstellen verlangt wird, da dies möglicherweise nicht technisch und wirtschaftlich vertretbar wäre.
Sollte hingehen die Zusammenschaltung an den von der BNetzA festgelegten Zusammenschaltungsstellen des Netzes der Deutschen Telekom verweigert werden, so könnte dies missbräuchlich sein und gegen Artikel 102 AEUV verstoßen.


Inwieweit diese Antwort uns Munition gegen die Telekom liefert, muss nun im Einzelfall geprüft werden.

Störenfried Sarrazin und die Politiker

Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" sorgt für Zoff im Land. Weil ich den Band noch nicht gelesen habe, erspare ich mir einen Kommentar zum Inhalt. Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate sind mir als Basis eigener Meinungsbildung zu dünn. 


Aber die öffentlichen Reaktionen zeigen, dass Sarrazin den Finger in die Wunde unzureichender Integration gelegt hat. Statt sich mit den Aussagen des Autors zu beschäftigen, wird nur geholzt: Kanzlerin, Bundespräsident und alle diese hochlöblichen Politiker, die sich gerne in Sonntagsreden ergehen, wollen Sarrazin abstrafen. Es gibt offenbar Themen in diesem Land, die dem Mainstream nicht passen. Und dann brechen sie den Stab über jemanden, der die ausgetretenen Pfade verlassen und so gegen das verstoßen hat, was nicht in den allgemeinen Geschmack passt. Bei Sarrazin heißt es: Abberufung als Bundesbanker. Strafe muss schließlich sein für den, der sich dem allgemeinen Anpassungskurs verweigert.


Die Linienrichter der "Political Correctness", wie Henryk M. Broder es postuliert hat, strafen unnachsichtig ab. Statt sich mit dem Inhalt zu beschäftigen und den Streit um die Sache zu suchen, wird gezündelt. Brandopfer kann das Recht auf freie Meinungsäußerung sein, wenn dieses Recht bezahlt wird mit dem Verlust der beruflichen Position.


Dass der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Mühlacker, Hazan Özer, davon abrät, das Buch zu verbieten, dokumentiert eine bestimmte Geisteshaltung: Allein die Tatsache, dass jemand überlegt, ob man Sarrazins Schrift verbieten soll, verrät einen Konflikt mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Dass es auch in Mühlacker Integrationsprobleme gibt, muss angesprochen werden dürfen. Die Bildung von parallelgesellschaftlichen Strukturen ließe sich jedoch nicht effektiv verhindern, äußert sich Oberbürgermeister Frank Schneider im selben Beitrag zu meiner Überraschung und auch Enttäuschung. Diese Parallelgesellschaften sind doch das Problem, das zum Beispiel dazu verleitet, ausreichend Deutsch zu lernen. Es gibt ja keine Verständigungsprobleme . . . 


Was hat eigentlich der Integrationsbeirat der Stadt Mühlacker bisher bewirkt? Zunächst wichtigstes Thema war wohl die frage, ob der Beirat ein eigenes Büro braucht oder nicht, obwohl die organisatorische Arbeit von der Stadtverwaltung geleistet wird.


Nach der Runde mit dem Motto "Nieder mit Sarrazin!" folgt nun eine zweite nach der Devise: "Lasst uns mehr für die Integration tun" - und geben damit dem Störenfried Sarrazin wenigstens ein bisschen recht. Plötzlich entdeckt die Kanzlerin rechtsfreie Räume in Ausländer-Vierteln - eine ganz neue Erkenntnis für sie? Und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU) kündigte heute einen Aktionsplan Integration an. Ganz hurtig hat sie auf Sarrazins reagiert. Und ihre Diagnose ist richtig: Sie macht eine Kluft zwischen der Bevölkerung und der Politik in dieser Frage aus. 


Die Staatsministerin im Kanzleramt, Böhmer, kündigte in einem Gespräch mit "Focus" einen neuen Vorstoß der Regierung an. „Wir werden künftig Integrationsvereinbarungen mit Neuzuwanderern schließen. Noch in diesem Jahr beginnen wir in den ersten Kommunen mit dem Testlauf“, sagte die CDU-Politikerin. In diesen Verträgen will Böhmer „verbindlich festschreiben, was der Staat den Menschen zu bieten hat, aber auch was sie im Gegenzug zu leisten haben – mit Sprachkursen oder Fortbildungen zum Beispiel“.


Politik braucht Provokation. Politiker brauchen Sarrazin, damit sie die Probleme der Menschen erkennen und endlich handeln. Lieber der Streit über ein Buch als Wähler die ihr Kreuzchen bei den Radikalen machen, weil sie glauben, ihrem Unmut über ungelöste Probleme der Integration nur so Luft machen zu können.


Und was den Testlauf mit Integrationsvereinbarungen betrifft - da sollten wir uns als Stadt bewerben. Nichts geht über Integration, aber Integration ist keine Einbahnstraße. Diese unumstrittene Erkenntnis muss aber auch umgesetzt werden.