Gläserne Produktion: Vom Pensionspferd bis zur Braugerste



Gerd Philipp (auf dem Traktor-Rad) bei der Hofführung

Bilanz nach 20 Jahren Gläserne Produktion in Enzkreis und Stadt Pforzheim: Bei jährlich durchschnittlich 30.000 Besuchern haben wohl in zwei Jahrzehnten um die 600.000 Menschen hinter die Kulissen der Landwirtschaft geblickt. Heute zogen Vertreter von Landkreis und Landwirtschaftsverwaltung eine Bilanz auf dem Birkenhof der Familie Philipp in Neulingen, zu der auch die Vorsitzenden der Kreistagsfraktionen eingeladen waren. Jedes Jahr zwischen Mai und Oktober präsentieren sich 15 bis 20 Betriebe im Rahmen der Gläsernen Produktion, die inzwischen ein Markenzeichen für Transparenz in der Nahrungsmittelproduktion geworden ist, heißt es bei der Landesregierung.


Im Jahr 2010 beteiligen sich insgesamt 16 Betriebe: sechs landwirtschaftliche Unternehmen, eine Gärtnerei, ein Weingut und vier Weingärtnergenossenschaften, zwei Bäckereien, der Wildpark Pforzheim und das Forstamt des Enzkreises. Zwischen Mai und September gab es 37 Veranstaltungen (2009 waren es 32.000 Besucher bei 32 Veranstaltungen). Allein dies zeigt, dass die Gläserne Produktion inzwischen mehr ist als der Blick auf die herkömmliche Landwirtschaft. Eifrige Besucher erleben die viele Facetten und somit auch den Wandel, dem der Agrarbereich unterliegt. Auch heute zeigte sich die Breite. Betriebsinhaber Gerd Philipp, mein Kreistagskollege, stellte die zwei Schwerpunkte seines Betriebes vor: den Ackerbau mit eigenem Getreidelager sowie die Pensionspferdehaltung mit Reithalle, "Fitness-Studio" für Pferde sowie Longierhalle und das notwendige Freigelände.


Die Familie Philipp bewirtschaftet 313 Hektar, bestehend aus mehr als 1000 Einzelparzellen. 113 Hektar sind Grünland, 200 Hektar Ackerfläche. Die Produktion reicht von Raps, Winterweizen und Sommergerste über Winterroggen und Wintergerste bis zu Hafer und Mais. Derzeit läuft in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftamt ein Bodenbearbeitungsversuch - auch als Beitrag zum Klimaschutz.


Ein Beispiel stand beim Rundgang und den Hofführungen im Blickpunkt: der Anbau von Braugerste, die vor allem von der Pforzheimer Brauerei Ketterer abgenommen wird. Die Wertschöpfung durch die Veredelung bleibt also in der Region. Neben den etwa 70 Pensionspferden interessierten die Besucher aber auch andere Pferdestärken: zum Beispiel die der sechs Schlepper (58 bis 150 PS). Der Maschinenpark der Lohnunternehmen ergänzte die Fahrzeug-Palette, darunter ein Häckselmäher, der den Mais für die Biogasanlage in Huchenfeld zerkleinert. Landwirte werden immer häufiger auch zu Energiewirten.



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Nicht möglichst lang, sondern so kurz wie möglich




Die Enz als Energie-Lieferant

Zwischen 250 und 300 Besucher kamen heute zum Tag der offenen Tür im Wasserkraftwerk an der Enz im Stadtteil Lomersheim. Eine Aktion der Stadtwerke Mühlacker im Rahmen des Projekts "Tourismus trifft Technik und Natur" des Regionalverbandes Nordschwarzwald sowie der Energietage Baden-Württemberg. Vor allem das Innenleben des roten Backsteingebäudes machte auch zahlreiche Lomersheimer neugierig, denen sich erstmals die Gelegenheit bot, einen Blick auf die beiden Francis-Turbinenanlagen und in die lichte Betriebshalle zu werfen: eine Turbine aus dem Jahr 1905, die andere von 1924. Es ging nicht nur um die Enz als Erzeuger erneuerbarer Energie, sondern auch um einen Spaziergang durch die Lomersheimer Heimatgeschichte. Die Stadtwerke hatten in einem Flyer die Historie des Kraftwerkes aufgearbeitet, das Nachfolger der Lomersheimer Mühle ist.
Ende des 19. Jahrhunderts hatte Mühlenbesitzer Georg Bühler der Gemeinde angeboten, die Wasserkraft auch zur Herstellung elektrischer Energie zu nutzen. Rathaus und Straßen waren bald elektrisch beleuchtet. Doch die Mühle brannte im September 1901 nieder. 1905 ließ die Firma Georg Wild (Zürich) in unmittelbarer Nähe das jetzige kleine Flusskraftwerk bauen, verkaufte es wenige Jahre danach an die Lomersheimer Firma Gebrüder Wendler, von der es 1974 Georg Höchstetter übernahm, der aus dem Bayrischen nach Lomersheim gekommen war. Seit 2002 sind die Stadtwerke Mühlacker der Eigentümer. Das Kraftwerk, das auf den ersten Blick ein kleines bisschen den Charme eines Technikmuseums hat, liefert Strom für etwa 700 Haushalte. Die Stadtwerke haben Teile der Aggregate erneuert, weitere Sanierungsarbeiten stehen an, die auch zu einer höheren Leistungsfähigkeit und "Energie-Ernte" führen sollten.


Mitarbeiter von Stadtwerken und Stadtverwaltung gestalteten heute den Tag der offenen Tür, boten weitere Informationen über die Energieversorgung und auch über das Projekt des Regionalverbandes Nordschwarzwald. Gleichzeitig präsentierte das kommunale Versorgungsunternehmen "Unsere Grünen Seiten" - so der Titel einer 24-seitigen Farbbroschüre mit Informationen zu regenerativen Energien sowie mit Fotostrecken, die die Vielfalt der Lebensräume und Arten in Mühlacker dokumentieren. Dass die Stadtwerke seit Jahrzehnten auch auf erneuerbare Energie setzen, als diese noch nicht für Schlagzeilen sorgte, belegen die Beiträge: Vorgestellt wird das 1964/65 errichtete Flusskraftwerk an der Enz in der Nähe des Theodor-Heuss-Gymnasiums (Stromerzeugung für etwa 1200 Haushalte), ein Kapitel gilt den - meist privaten - Sonnenkraftwerken auf Mühlackers Dächern (Fotovoltaikanlagen mit derzeit mehr als 4000 kWp solarer Leistung), in weiteren Beiträgen werden die  Beteiligung die Stadtwerke an einer 400 Megawatt-Offshore-Windkraftanlage in der Nordsee und die 2007 in Betrieb genommene Biomethananlage in den Waldäckern beschrieben. Ach ja, Premiere hatte auch der SWM-Kalender für 2011 im weiterhin ungewöhnlichen Querformat mit den bekannt prächtigen Landschaftsaufnahmen von SWM-Mitarbeiter Thomas Wilhelm. Schwerpunkt diesmal ganz passend: die Enz.


Erneuerbarer Energie gilt die Zukunft. Damit kein Irrtum entsteht: Auch die Stadtwerke beziehen noch kräftig Strom aus Atom- und Kohlekraft. Aber der Anteil  besonders der Kernenergie soll immer weiter reduziert werden. Noch ist auf Atomenergie nicht zu verzichten, aber die Anstrengungen zum Ausbau der regenerativen Energien müssen verstärkt werden, um die Zeit der Atomkraft-Nutzung zu verkürzen. Nicht möglichst lang, sondern so kurz wie möglich - das muss die Devise für die Laufzeit der Kernkraftwerke sein. Mappus möge verzeihen! Als Schwarzer im Aufsichtsrat der Stadtwerke und damit als einer der Vertreter des Gemeinderats in diesem Gremium will ich, dass unser kommunaler Versorgung noch stärker seine grünen Seiten betont. Dabei sind mir dezentrale Lösungen, die die Wertschöpfung in der Region halten, lieber. Deshalb sollten sich die SWM, im Verbund mit anderen Stadtwerken, auch beim Ausbau der Windkraft in der Region Nordschwarzwald engagieren, um nur ein Beispiel zu nennen.