Umweltzone für Mühlacker oder Verteilen wir nur den Feinstaub?

Für 2009 ist eine Umweltzone für Mühlacker geplant. Für ganz Mühlacker? Nein, nur für einen Teil der Kernstadt, orientiert an der B-10-Ortsdurchfahrt. Denn an der Steigungsstrecke der Stuttgarter Straße (B 10) steht eine Mess-Station. Und diese belegt die Feinstaubbelastung. Eigentlich sollte die Umweltzone schon längst vorhanden sein, doch der Zeitpunkt ist verschoben worden. Einer der Gründe: Das Europäische Parlament versuchte die bisherige Richtlinie der EU-Kommission zu korrigieren. Inzwischen liegen die Ergebnisse vor:

Es geht um den Feinstaub PM10-Wert. Nach derzeitiger Rechtslage sind an 35 Tagen Überschreitungen zulässig – und nach künftiger. Doch wird das Limit von 35 Tagen überschritten, muss gehandelt werden. Dann legt das Regierungspräsidium einen Aktionsplan vor, Teil dessen sind die Umweltzonen.

Da der PM 10-Wert überwiegend in Europa nicht eingehalten werden kann, waren im Rahmen der Novellierung der europäischen Luftqualitätsrichtlinie mehrere Alternativen bezüglich des PM10-Wertes in der Diskussion. Eine davon war die Erhöhung der zulässigen Überschreitungen auf 55 Tage. Anfang Dezember 2007 wurde zwischen dem Europäischen Rat und dem zuständigen Umweltausschuss des Europäischen Parlaments ein Kompromiss zur Luftqualitätsrichtlinie erzielt. Rat und Parlament haben dem Kompromiss inzwischen zugestimmt. Die geltenden Grenzwerte sollen mit der neuen Richtlinie nicht berührt werden. D.h. auch die Grenzwerte für PM10 und NO2 bleiben unverändert. Ergänzend werden Möglichkeiten der Fristverlängerung bei Nichteinhaltung der Grenzwerte unter vorgegebenen Voraussetzungen eingeführt. Neu ist die Einführung von Regelungen für PM2,5. Nachfolgend wird auf zwei wesentliche Änderungen gegenüber den bisherigen Regelungen eingegangen:
Bei PM10 werden Fristverlängerungen von drei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie eingeführt werden, wenn die Grenzwerte aufgrund der lokalen Gegebenheiten, ungünstiger Witterungsbedingungen und Beiträgen aus dem Ferntransport überschritten werden. Allerdings müssen die Mitgliedsstaaten der EU nachweisen, dass alle angemessenen Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene ergriffen wurden, um die Grenzwerte fristgerecht einzuhalten (meine Quelle: Umweltministerium Baden-Württemberg).

Also: Es bleibt bei den 35 Überschreitungstagen.

Ganz klar: Die Anwohner der stark belasteten Straßen haben ein Anrecht auf Verbesserungen. Gesundheit geht über alles. Deshalb ist nichts gegen Umweltzonen zu sagen - wenn der Dreck nicht nur verteilt wird. Ich befürchte: Wenn nur ein Teil der Kernstadt zur Zone erklärt wird, dann fahren die Stinker über andere Straßen, zum Beispiel über die Ötisheimer Straße, die Ziegeleistraße und die Lienzinger Straße oder über den Herrenwaag in Dürrmenz. Deshalb: Die Umweltzone muss so groß sein, dass nicht nur der Feinstaub neu verteilt wird.
Das haben wir gestern Abend im Gemeinderat gefordert. Die Stadtverwaltung hat die Botschaft verstanden. Ob sie auch vom Regierungspräsidium Karlsruhe aufgenommen wird, muss sich zeigen. Jedenfalls sind schon zahlreiche Ausnahmen vorgesehen.

Wie ist es eigentlich an der B 35? Ich fordere, auch dort die Schadstoffbelastung zu messen.

Weniger Jobs oder Wirtschaftsförderung muss Chefsache sein

Was taugt Wirtschaftsförderung? Was kann Wirtschaftsförderung bewirken? Eine Frage, die sich nicht nur speziell in Mühlacker stellt. Die aber auch gerade uns beschäftigen muss. Wir haben seit Frühjahr 2000 eine Stabsstelle beim Oberbürgermeister, damals eingerichtet für Wirtschaftsförderung (70 Prozent) sowie Stadtmarketing und Tourismus (30 Prozent) – aber mit der Maßgabe, dass Wirtschaftsförderung Chefsache von OB und Erstem Bürgermeister bleibt und die Stabsstelle ihnen zuarbeitet.
Zahlreiche Kommunen unserer Größenordnung – wie Bretten und Vaihingen – beschäftigen Wirtschaftsförderer, Bietigheim-Bissingen hat keinen. Trotzdem leidet Bietigheim-Bissingen nicht Not. Laut Landesinformationssystem des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg nahm von 1999 bis 2006 die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse in Mühlacker um 7,35 Prozent auf 8800 ab, in Vaihingen um nur 2,1 Prozent auf 6821, aber in Bretten stieg sie um 18,7 Prozent auf 10.891 und in Bietigheim-Bissingen um 6,34 Prozent auf 20.140. Meine Nachfrage, wie der OB und die Stabsstelle Wirtschaftsförderung gestern Abend diese Negativ-Entwicklung Mühlackers bewerten und welche Gegenstrategien sie vorschlagen, verhallte – am liebsten wäre der OB einfach zur Tagesordnung übergegangen.
Sein Pech: Annette Leitner als Inhaberin der Stabsstelle nannte in ihrem Bericht zwar die 8800 Arbeitsverhältnisse (die ohne Selbstständige und Freiberufler sind), vermied aber Aussagen zur Entwicklung in den vergangenen Jahren und brachte auch keine Vergleiche mit anderen Gemeinden, mit denen sich Mühlacker durchaus vergleichen lassen muss. Ist doch klar: Unsere Stadt verliert nicht nur Einwohner, sondern Arbeitsplätze – nicht gerade eine Entwicklung, die uns ruhig schlafen lassen sollte, auch wenn die Kommune nicht alles selbst steuern kann. Statt darüber hinwegzusehen müsste ein OB alles tun, um die Zahlen ins Positive zu wenden.
Mir war in dem Bericht der Stabsstelle zuviel Unnützes – wir haben doch diese Stelle nicht für einen Herzogsritt geschaffen! –, aber auch zu viele fremde Federn, mit denen man sich schmückt, aber keine Momentaufnahme des Wirtschaftsstandorts Mühlacker. Deshalb sollten Verwaltung und Gemeinderat prüfen, ob wir nicht eine andere Struktur wählen müssen – die Einbindung der Wirtschaftsförderung zum Beispiel in das Planungsamt, das durch Flächennutzungsplan und Bebauungspläne auch aktiv Wirtschaftsförderung betreibt: durch die Ausweisung gewerblich nutzbarer Flächen. Im Team arbeitet es sich allemal besser als in einer Ein-Frau-Stelle ohne eigene Schreibkraft.
Zur eingangs gestellten Frage: Wirtschaftsförderung ist nicht alles, um eine gedeihliche Entwicklung zu erreichen. Aber ohne Wirtschaftsförderung geht es auch nicht. Sie ist aber vor allem Chefsache und kann nicht auf eine Stabsstelle abgeschoben werden. Der OB ist gefordert. Sonst zunächst niemand.