Gläserner Bürger oder Im Galopp zum Überwachungsstaat?

Der Landesdatenschutzbeauftragte für Baden-Württemberg, Peter Zimmermann, hat seinen Bericht vorgelegt. "Beunruhigend - und dies nicht nur aus der Sicht eines von Berufs wegen mit Datenschutz befassten - ist es, wenn mit immer weiter gehenden und neuen Sicherheitsmaßnahmen die verfassungsrechtlich gebotene Balance zwischen möglicher Freiheit und notwendiger Sicherheit verloren zu gehen droht", sagte Zimmermann. Diese Tendenz sei für ihn im Berichtsjahr auf Europa-, Bundes- und Landesebene zu beobachten gewesen. Die Furcht vor Terrorismus und die Verheißung einer größtmöglichen Sicherheit stelle anscheinend für viele Bürger eine attraktive Perspektive dar und diene den Sicherheitspolitikern als Begründung für immer intensivere Dateneingriffe. Aber: "Wer die Freiheit einschränkt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." Diesem von Benjamin Franklin (1706-1790) stammenden Zitat könne er sich ohne weiteres anschließen, sagte Zimmermann.

Beleg dafür, dass die verfassungsrechtlich gebotene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zunehmend nicht mehr gewahrt zu sein scheint, sei für ihn, dass das Bundesverfassungsgericht immer mehr zum "Reparaturbetrieb" für die Legislative werde. Die Zeitabfolge der von Seiten der Richter vorgenommenen Reparaturarbeiten habe sich in den vergangenen Jahren immer mehr verkürzt. Zu nennen seien hier insbesondere die Entscheidungen zur akustischen Wohnraumüberwachung, zum Zollfahndungsgesetz, zur Rasterfahndung, zur präventiven Telekommunikationsüberwachung und zum Luftsicherheitsgesetz. Ohne Prophet sein zu wollen, sei für ihn absehbar, dass auch noch im Rahmen der anhängigen Prüfung des Landesverfassungsschutzgesetzes von Nordrhein-Westfalen zum Thema Online-Durchsuchungen von Karlsruhe erneut deutliche verfassungsrechtliche Korrekturen vorgenommen würden. "Ob das bereits in einigen Bundesländern stattfindende elektronische Stochern im Nebel durch die massenhafte Erfassung von Autokennzeichen durch die Polizei am Ende die uneingeschränkte Billigung der Verfassungsrichter finden wird, ist nach meiner Einschätzung ebenfalls fraglich", führte Zimmermann weiter aus.

Peter Zimmermann ist nicht gerade für aufgeregte Auftritte bekannt. Er ist ein kluger, abwägender Jurist. Mir jedenfalls spricht er aus dem Herzen. Mit Sorge verfolge ich, wie gerade auch Politiker meiner eigenen Partei sich in der Forderung nach Kontrollen überschlagen. Ich dachte bisher immer, dafür gibt es keine Mehrheiten, also muss man sich auch keine Sorgen machen. Doch inzwischen spielt immer häufiger die SPD in der Großen Koalition mit. Wir werden schrittweise zum gläsernen Bürger. Die Terrorismus-Angst der Menschen wird missbraucht, um eben den staatlicherseits geschützten Bereich des Bürgers immer mehr einzuschränken. Wir sollten auch in der Union diese Debatte kontroverser führen - schließlich geht es der CDU um die Freiheit des Bürgers. Doch dies verträgt sich mit den Schäuble-Kapriolen nicht mehr.