Stadt nutzt Angebot: Aktiv sein gegen Fahrverbote

E-Mobil

Hamburg hat heute als erste deutsche Großstadt angekündigt, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge zu verhängen. Betroffen sein soll ein 580 Meter langer Straßenabschnitt der Max-Brauer-Allee und ein 1,7 Kilometer langer Abschnitt der Stresemannstraße.  In der dortigen Umweltzone werden die seit 2010 geltenden Stickoxid-Grenzwerte jedes Jahr überschritten - genauso wie in Mühlacker an  der B10 mit der Messstelle an der Stuttgarter Straße. Gestern Abend zeigte sich im Gemeinderat von Mühlacker, dass zumindest die große Mehrheit die finanziellen Hilfen von Bund und Land nutzen will, um hier Fahrverbote zu vermeiden.
2016 überschritten 90 Kommunen den zulässigen Jahresmittelwert der EU für Stickstoffdioxid (NO2). Bei der „Dieselaffäre“ war festzustellen, dass seitens der Wirtschaft eine nur unzureichende Bereitschaft vorhanden ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die der deutlichen Verbesserung der Luftreinhaltung dienen.

Um hier ein Zeichen zu setzen, legte die Bundesregierung Ende 2017 das „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 – 2020“ für die mehr als 90 Kommunen auf mit dem Ziel, durch eine massive, schnelle Förderung die Elektromobilität in den Städten voranzubringen und damit möglichst kurzfristig eine Verbesserung der Luftqualität zu erreichen, heißt es in der Sitzungsvorlage Programm_Saubere_Luft.pdf. Der OB sprach eher vom Ausbau der nachhaltigen Mobilität, weil auch Rad- und Fußwege ausgebaut weden sollen. Schwerpunkt ist die E-Mobilität.
Das sind freiwillige Aufgaben, die die Stadt zusätzlich erbringt. Geschäft, das sich nicht von allein erledigt und das dem vorhandenen Personal nicht noch aals neue Last draufgepackt werden kann. Ohne zusätzliche Leute bleiben die Aufgaben liegen, machte der OB klar - im zweiten Anlauf schwang er sich zu dieser Klarstellung auf. Zuerst hielt er sich deutlich zurück, was ich enttäuschend empfand und dies auch sagte. Er nahm wohl zu sehr auf FW und FDP Rücksicht.  Dabei erkannte auch die Bundesregierung, "dass es hier einer konzentrierten, themenbezogenen Sachbearbeitung bedarf, die ohne zusätzliches Personal nicht zielführend erledigt werden kann". Und bot an, die Kosten für zusätzliches Personal in Kommunen mit Grenzwertüberschreitungen zu 50 Prozent auf vier Jahre zu übernehmen. So erhält die Stadt Mühlacker zwei zusätzliche  Stellen für Öffentlichkeitsarbeit, Förderakquise und Radwegeplanung gesponsert. Konkret heißt das: Die Gesamtpersonalkosten belaufen sich auf 498.000 Euro, davon erhält die Stadt bei voller Ausschöpfung maximal 249.200 Euro. So günstig kommt man sonst nicht  zum Personal. FW und FDP taten sich schon schwer mit einer einzigen Stelle, stimmmten der aber dann doch zu. Dass auch die zweite Stelle (zweimal 0,5) in Anspruch genommen wird, setzten CDU, SPD, LMU und OB durch, gegen FW und FDP. Nur gegen drohende Fahrverbote zu wettern ist zuwenig. Schon gar, wenn sie kommen würden.

Unumstritten war, was sonst noch vorgesehen ist:
Beschaffung von Elektrofahrzeugen/-geräten für die städtischen Regiebetriebe (Bauhof und Gärtnerei). Antrag gestellt, Bewilligung liegt noch nicht vor; Gesamtkosten 348.000 Euro, dafür beantragt 313.000 Euro. Aufgestockt soll dies durch BW-e-Gutscheine für Elektrofahrzeuge vom Land.
In der kommunalen Förderung der Elektromobilität bzw. nachhaltigen Mobilität ergeben sich drei maßgebende Bausteine, wie die Stadtverwaltung zurecht schreibt:

  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Einsatz von Elektrofahrzeugen im Bereich der Verwaltung, der Regiebetriebe, des
  • ÖPNV und in weiteren Serviceangeboten
  • Schaffung der Ladeinfrastruktur.

Erfahrungen sammelte die Stadt gemeinsam mit den Stadtwerken Mühlacker bei der Gartenschau 2015. Mit der Herstellung der ersten Ladestationen sowie der Anschaffung von Fahrzeugen konnten weitere Erfahrungen gesammelt und der Öffentlichkeit die Alltagstauglichkeit der reinen Stromer demonstriert werden. Inzwischen besteht der E-Fuhrpark der Stadt aus drei Fahrzeugen. Ausgebaut werden konnte auch die Ladeinfrastruktur.

Steffen Bilger

Doch der Endpunkt ist noch nicht erreicht. Das E-Mobilitäts-Konzept muss kommen. Die Verwaltung kann nun die Leute suchen, die daran und an dem Ausbau der nachhaltigen Mobilität arbeiten. Auch wenn es abgedroschen klingt: eine Zukunftsaufgabe! Dies anzugehen, muss man wollen. Saubere Luft über Mühlacker nicht durch Fahrverbote.
Perfekt sind wir beileibe noch nicht. Ich beantragte, die Preisgestaltung für die Schnellladestation an der Bahnhofstraße in Mühlacker in der nächsten Sitzung  des Aufsichtsrates der Stadtwerke Mühlacker GmbH zu behandeln und im Vorfeld dazu die Konditionen anderer Anbieter – zum Beispiel der EnBW im Mühlacker Umland - zu erheben. Die derzeit erhobene Pauschale ist zu hoch. Wenn der Akku im E-Auto nicht fast ganz leer ist, wird man nicht an dieser Ladestation tanken. Wer bei 50 oder 70 Prozent Akku-Inhalt die Zeit des Einkaufens nutzen will, um zu laden, wird dies an dieser Station nicht tun, weil dies ein sehr teurer Strom wäre. Kein Wunder, wird die Station  nur minimalst genutzt. Zudem werden auch noch Parkgebühren verlangt, was höchst ungewöhnlich ist. Förderung der E-Mobilität sieht anders aus.
Übrigens: Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Steffen Bilger  (CDU), sagte mir einen Besuch in Mühlacker für 25. Juli zu. Schwerpunkt: Mit Strom fahren.

Update am Tag danach: Die EU-Kommission hat heute (Donnerstag) beim Gerichtshof der Europäischen Union Klage gegen Deutschland, Frankreich, Ungarn, Italien, Rumänien und das Vereinigte Königreich eingereicht, weil die vereinbarten Grenzwerte für die Luftqualität nicht eingehalten werden und in der Vergangenheit keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden. Die Kommission bietet zudem den Akteuren auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene praktische Hilfe zur Verbesserung der Luftqualität. - Kritik daran gibt es auch.

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