Der große Schrumpfungsprozess

Unter den 24 Standorten sind auch welche bei Freudenstadt, die vor Ort schon ausgesondert worden waren - jetzt tauchen sie wieder auf, was Freudenstadts OB Julian Osswald (Foto) zurecht verärgerte.

Von einer Inflation von Windkraft-Standorten in der Region Nordschwarzwald schrieb am Wochenende ein Kritiker in einem Leserbrief, nur weil der Regionalverband im Entwurf für seinen Teilregionalplan 24 Areale zwischen Mühlacker und Baiersbronn vorschlägt als Ergebnis eines klar gegliederten und nachvollziehbaren Auswahlverfahrens, das jetzt auch im Internet offengelegt wurde. Überhaupt: Welch verkehrte Welt! Für manche ist Windenergie genauso ein Reizwort wie Atomkraft. Die bei ihnen ungeliebten Windmühlen lösen bei ihren Gegnern fast schon ideologisch geprägten Widerstand aus - meist ohne zu sagen, welche Alternativen gesehen werden. Schon heute haben die erneuerbaren Energieträger in Baden-Württemberg einen Anteil an der Stromerzeugung von über 23 Prozent. Bis 2020 soll dieser Anteil auf 38 Prozent steigen, bis 2050 sollen es 80 Prozent sein. Dabei hat die Windkraft mit der Photovoltaik das größte Ausbaupotential und verfügt über herausragende Möglichkeiten zur Treibhausgasminderung, heißt es im Umweltministerium.
Die Eckwerte für den jetzt auf den Weg gebrachten Teilregionalplan Windkraft - übrigens eine vom Land verordnete Pflichtaufgabe der Regionalverbände - lieferte eine Empfehlung des TÜV-Süd, bei der Suche nach geeigneten Vorranggebieten für die Nutzung der Windenergie eine Mindestwindhöffigkeit von 5,5 m/s in 140 m Höhe über Grund anzunehmen.  Also: mindestens Tempo 5,5 in der Sekunde. Und noch ein weiterer Eckpunkt: Um eine Bündelung von Anlagen in sogenannten Windparks zu fördern und somit das Landschaftsbild vor einer sogenannten Verspargelung zu schonen, muss ein Standort idealerweise Platz für mindestens drei Anlagen haben. Das heißt: Der Standort sollte 20 Hektar plus X groß sein.
Basis der Standortsuche ist der Windatlas Baden-Württemberg von 2011. Allein gemessen daran, wo der Wind mindestens fünfeinhalb Meter pro Sekunde in 140 Meter Höhe bläst, käme in unserer Region eine Fläche  von 21.124 Hektar in Frage. Das entspricht neun Prozent der gesamten Region (insgesamt 234.000 Hektar). Doch dann sorgen Artenschutz & Co, Mindestabstände, Gewässer, Landschaftsbild, FFH-Gebiete und andere Restriktionen für einen gewaltigen Schrumpfungsprozess. Was blieb? Nach Abzug der harten und weichen Kriterien 24 Standorte mit 2345 Hektar. Eine Inflation sieht anders aus. Selbst wenn man einrechnet, dass die Kommunen via Flächennutzungspläne auch noch andere Standorte ausweisen oder verhindern können.

 

Zu den zwei Dutzend Arealen gehört auch der mit der Nummer PF-01: Tiefenweg Mühlacker. Die Daten der zwischen Großglattbach und Lomersheim liegenden Fläche: cirka 22 Hektar, Windhöffigkeit 5,50 – 5,75 m/s (140 m Höhe),  320 bis 351 Meter über NN, derzeitige Nutzung 93 Prozent Wald, vier Prozent Grünland und drei Prozent Ackerland. Wenn mögliche Investoren Interesse an einem Standort hegen, verlassen sie sich nicht allein auf den Windatlas, sondern untersuchen die Windausbeute in einem gesonderten technischen Verfahren.
Taugt ein sieben Jahre alter Windatlas?  Aus den Unterlagen des Enzkreises zum Genehmigungsverfahren nach dem BundesImmissionsschutzgesetz für elf Windkraftanlagen in Straubenhardt geht hervor, dass eine mittlere Windgeschwindigkeit von mindestens 6,0 m/s in 140 Meter Höhe über Grund für alle elf Anlagen zugrunde gelegt werden kann. Damit bläst dort der Wind kräftiger als im Windatlas genannt.

Zwischen dem Einstieg in die Planung und dem jetzigen Entwurf liegen 14 Jahre. Ein steiniger Weg, nicht zuletzt, weil das Land zu lange brauchte, um zum Beispiel Konflikte mit Milan & Co., dem Auerhuhn und dem sonstigen Artenschutz zu lösen. Zudem brachte der Regierungswechsel 2011 eine Änderung des Rechtsrahmens. Jetzt steht der Entwurf auf dem Prüfstand der Öffentlichkeit. Und ob es am Ende des Verfahrens 24 Standorte sein werden, ist gänzlich offen. Der Weg bleibt steinig.
Gegenwind kam schon auf in Heimsheim und im Bereich Freudenstadt/Baiersbronn. Für die Regionalräte kein Spaziergang, genausowenig wie für jene Behörden, die die Stromtrassen von Nord- und Ostsee in den Süden bis nach Baden-Württemberg bauen lassen wollen. Leitungen, die sinnvoller seien, weil im Norden der Wind kräftiger blase als hierzulande, weshalb man auf diese Karte setzen solle und nicht auf Windmühlen zum Beispiel in der Region Nordschwarzwald, wie deren Kritiker sagen. Doch gegen die Nord-/Südtrassen machen auch Menschen Front, nur sind das andere. Bedenkenträger allenthalben.

 

 

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