Sonnenkönig? Kreis-Fürst? Chef!

Angenehmer Termin am Kunstpfad in Maulbronn: Landrat Karl Röckinger neben Regierungspräsidentin Nicolette Kressl (vorne)
Auf dem "Weg zum Sonnenkönig" sei Karl Röckinger nun, sagte die um einen flotten Spruch nie verlegene damalige Karlsruher Regierungspräsidentin Gerlinde Hämmerle, noch bevor sie ihn als den neuen (und dritten) Landrat des Enzkreises verpflichtete. Das war Anfang 2003. Acht Jahre später sprach ihr Nachfolger Rudolf Kühner nach Röckingers Wiederwahl durch den Kreistag von Karl, dem Großen. Jetzt tritt der fast 68-jährige Jurist nicht mehr an. Landrat, das ist ein Amt mit Prestige. Nicht zu nah am Bürger (dass der ihn für jeden vermeintlichen Fehler direkt angehen könnte), aber auch nicht so fern wie ein Bundespolitiker aauf seiner Berliner Wolke. Ein Spitzenjob, vergeben auf acht Jahre, im Enzkreis dotiert nach B8 (Grundgehalt aktuell 10.320 Euro und 61 Cent monatlich), versüßt mit dem Vorsitz im Verwaltungsrat der Sparkasse und anderen hübschen Nebenfunktionen (der 1996 zum Pensionär gewordene Ludwigsburger Landrat Ulrich Hartmann brachte es bei seinem Abschied auf zwei Dutzend Nebenämter).

Manche Landräte wie der Ludwigsburger dürfen öfters nach Brüssel, weil sie in EU-Gremen sitzen, um dort die Fahne der kommunalen Selbstverwaltung hoch zu halten. Der inzwischen dienstälteste nordbadische Kreis-Chef Röckinger begnügte sich mit der nationalen Ebene: Vorsitzender des Kommunalverbandes Jugend und Soziales Baden-Württemberg (als ehemaliger Sozialdezernent passend), Vizepräsident des Landkreistages Baden-Württemberg, Präsidiumsmitglied des Deutschen Landkreistages, im Vorstand des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg. Und so weiter und so fort. Es ist nicht nur das Amt, das einen Reiz ausübt, sondern auch das Drumherum, wobei die Neben-Funktionen einem im Laufe der Amtszeit zuwachsen. Beileibe nicht alle warten quasi schon beim Start.

Zuvörderst leitet der Landrat (oder die Landrätin) die Verwaltung und sitzt (wenn auch ohne Stimmrecht) dem Kreistag vor, ist Rechtsaufseher über die Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern (27), Chef(in) von im Enzkreis etwa 770 Personen (ohne die Mitarbeiter der Kliniken) - sie verschaffen ein Jahresbudget von derzeit 212 Millionen Euro (auch ohne die Krankenhäuser). Also ein größerer mittelständischer Betrieb. Und der sucht nun einen neuen Leiter oder eine Leiterin. Noch ist die Stelle nicht ausgeschrieben, das muss ein spezieller Kreistagsausschuss am 14. September beschließen. Die Wahl durch den 55köpfigen Kreistag ist auf den 14. Dezember terminiert. Doch wie auf einen Paukenschlag waren allein heute die Lokalzeitungen voll mit möglichen Kandidatennamen, mal mit weniger, mal mit mehr: Erster Landesbeamter Kleih will Landrat im Enzkreis werden - Ambitionen auf den Job des Landrates - Zwei mögliche Kandidaten - Wachsende Lust am Landratsposten, gleich drei Personalien im Gespräch

Doch vorher spricht das Landesinnenministerium ein Wörtchen mit, denn der Landrat leitet nicht nur den kommunalen Teil der Verwaltung als Verbund der 28 Städte und Gemeinden, sondern auch den staatlichen Teil sozusagen als verlängerte Werkbank der Landesregierung, die auch nicht der Kontrolle durch den Kreistag untersteht, sondern der des Regierungspräsidiums im fernen Karlsruhe. Entsschieden wird im Landratsamt. Hämmerles Sonnenkönig lässt grüßen.

Den Draht nach Stuttgart hat ein extra gebildetes Spezial-Gremium des Kreistages mit der sperrigen Bezeichnung Besonderer beschließendenr Ausschusses zur Vorbereitung der Landratswahl. Der Ausschuss legt dem Innenministerium die eingegangenen Bewerbungen mit den dazugehörigen Unterlagen unverzüglich vor. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist führt der besondere beschließende Ausschuss die Verhandlungen über die Benennung von mindestens drei geeigneten Bewerbern mit dem Innenministerium. Können das Innenministerium und der Ausschuss keine drei Bewerber nennen, so ist die Stelle erneut auszuschreiben – es sei denn, der Ausschuss verzichtet auf die Benennung weiterer Bewerber. (zitiert aus dem Arbeitspapier der Kreisverwaltung)

Wie wäre es eigentlich mit der Volkswahl der Landräte auch in unserem Land so wie in den meisten Bundesländern? Die grün-rote Landesregierung (2011/16) hatte sich das aufs Panier geschrieben. Doch sie gab den Plan auf. Die Gründe: Angst vor extrem niedrigen Wahlbeteiligungen, aber doch vor allem, weil das Land in der Personalsache nicht mehr mitreden könnte.

Sonnenkönig gesucht? Das würde  ein zutiefst patriarchalisches Verständnis von Politik verraten, das heute weder vorstellbar noch wünschenswert ist. Genauso wie Kreis-Fürst - auch wenn mancher Landrat sich schon als solcher wähnt(e). Karl, der Große gehört nicht dazu.

Trackbacks

Trackback-URL für diesen Eintrag

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Kommentare werden erst nach redaktioneller Prüfung freigeschaltet!


Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.