Sachliche Debatte, klare Mehrheit




Das neue Einkaufszentrum, architektonisch dem Rathaus (links) angepasst.

Oder wird diese Geschichte vielleicht nie enden? Die Frage auf der Facebookseite des Mühlacker Tagblatt zum Mühlehof war durchaus angebracht. Doch dann fiel die Entscheidung diese Woche im Gemeinderat für H&M, New Yorker, Rossmann & Co als Nachfolgenutzung mit 19 gegen 13 Stimmen doch deutlicher aus als erwartet. Kontroverser hätte die Entscheidung  - Ja oder Nein zu Mühlehof-Abriss und Nach-Nutzung durch Handel und Gewerbe - nicht sein können. Trotzdem war es eine sachliche Debatte mit gegenseitigem Respekt, eine Sternstunde in Demokratie. Die Sprecher von SPD und FW hatten einen leichten Stand, weil sie auf der gleichen Wellenlänge wie die überwiegende Mehrheit der knapp 250 Zuhörer lagen, nämlich Kultur am jetzigen Standort erhalten. 

Keine Lorbeeren konnten die Verfechter von Handel und Gewerbe (Arbeitstitel: Erlenbach Center - da muss ein anderer Name her!)als Nachfolgenutzung beim Publikum ernten, trotzdem vertraten OB sowie die Fraktionsvorsitzenden von CDU, LMU und FDP unerschrocken ihre Meinung und zeigten Standfestigkeit. Es war eine Sternstunde der Demokratie. Ich gebe allerdings zu, es ist Stress pur, seine Meinung zu vertreten, wohl wissend, nicht den Publikumsgeschmack zu vertreten. Mit meinem Beitrag erntete ich  denn auch vereinzelt Pfiffe und Buhrufe, jedenfalls wenig Applaus. Das musste ich als CDU-Sprecher akzeptieren. Aber trotz zweier Studien einfach nicht zu glauben, dass die Sanierung des Mühlehofs 30 Millionen Euro kosten würde, ist mir als Finanzierungsnachweis zu dürftig. 

Im Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 13. Juni 2005 steht eine wichtige  Aussage des FW-Sprechers Rolf Leo: "Denn die Stadt hätte erst recht keine weiteren finanziellen Ressourcen für eine Sanierung oder Modernisierung. Vom gewerblichen Teil solle auch eine Initialzündung für die Fußgängerzone ausgehen." Damals unterstützte er mit einer Mehrheit des Rats den Verkauf an die Berliner Tochterfirma (Echo GmbH) eines österreichischen Konzerns. Dass die FW aber in den vergangenen Jahren dem Mühlehof-Erhalt das Wort redete und so tat, als sei der Komplex zu sanieren, aber ohne dafür Finanzierungsanträge zu stellen, ist ein Indiz dafür, dass es nur eine Position fürs Schaufenster war. Der gesamte Komplex wurde 2005 an die Firma Echo verkauft, die den Mühlehof im Bestand sanieren wollte (Kultur und Gewerbe). Trotz Einschaltung der Immoabteilung der Sparkasse scheiterte das Projekt. Echo gab das Gebäude 2011 entnervt an die Stadt für einen Euro zurück. Das sind immer so flotte Sprüche, man solle Profis ran lassen. Und von Nutzern, für die die Stadt sogar noch Strom- und Heizungskosten übernimmt, lässt sich keine Sanierung bezahlen. 

Irgendwie blendeten manche die Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren, die quälende Suche nach Lösungen, bewusst aus. Und jetzt haben wir eine Lösung, die gut ist und nun wird diese wieder von manchen madig geredet. So wie es schon vor 38 Jahren beim Mühlehof der Fall war. Ich wünsche mir mehr Optimismus. Die Gartenschau hatten wir auch gut hinbekommen. Lästermäuler gab es zuvor ebenfalls genügend: "Die bringen das doch nicht hin." Und dann?! Wie  viele, die jetzt Kultur auf dem Mühlehofareal fordern, besuchten regelmäßig die Kulturveranstaltungen im Mühlehof? Manche entdeckten reichlich spät ihr Herz für den Mühlehof.  




Mühlehof: quälende Diskussionen

Das Gebäude war schon vor dem Baubeginn umstritten. Ob es je gebaut worden wäre, wenn es damals einen Bürgerentscheid gegeben hätte? Am 21. Juni 1977 hatte der Gemeinderat einstimmig beschlossen, in dem Mehrzweckgebäude, das der Berliner Architekt Friedrich Schröder auf dem Rapp'schen Parkplatz erstellen wollte (dem späteren Mühlehof), einen Kultursaal mit ca. 1000 Sitzplätzen, einen kleineren Saal mit ca. 200 Sitzplätzen und eine dem Saal zugeordnete Gaststätte "einzubauen". Endgültig entschieden werden solle erst nach Vorliegen von Bauplänen und Kostenberechnungen. Die folgten in der Gemeinderatssitzung vom 13. Juni 1978. Von mindestens 15 Millionen Mark für den städtischen Anteil am Kombibau Gewerbe/Kultur war nun die Rede. OB Knapp sagte, die letzte Verantwortung liege beim Gemeinderat. Manche Argumente der Befürworter ("ein Projekt mit Pfiff", Heinz Seemann, CDU) und der Gegner ("Das geplante Einkaufszentrum bedrohe das Gewerbe von Mühlacker ... Die Verschuldung der Stadt sei über Jahre hinaus nicht abzusehen", Heinz-Peter Hennig, CDU) erinnern an die jetzige Kontroverse ums Erlenbach Center. Die Entscheidung fiel im Juni 1978 mit 23 Ja- bei 5 Nein-Stimmen und einer Enthaltung nicht mehr einmütig aus. Die CDU-Fraktion war gespalten...

Die Pforzheimer Zeitung schrieb dieser Tage von der Geschichte eines Missverständnisses. Der Gemeinderat war sich jedenfalls diese Woche einig, das Mühlacker eine neue Kultur- und Stadthalle braucht. Ein entsprechender CDU-Antrag fand einmütige Zustimmung. Uhlandbau und dann das Ausweichen auf Hallen in Nachbargemeinden sind auf die Dauer zu wenig - dieses Manko beklagte OB Knapp am 13. Juni 1978 vor dem Gemeinderat. Auch hier eine Neuauflage des Themas 2016. 

Richten wir nun den Blick in die Zukunft. 15 Jahre Debatte um das Schicksal des Mühlehofs ging manchen Leuten seit längerem auf die Nerven. Sie wollten endlich Lösungen. Die gibt es nun. Ärgerlich war, dass am Dienstagabend von den vor allem mit älteren Besuchern besetzten Zuschauerplätzen vereinzelt Gelächter erklang, als der Name "New Yorker" als einer der drei Ankermieter fiel. Offenbar ist jenen egal, ob wir auch ein spezielles Angebot für die jungen Menschen in der Stadt schaffen. "NY" wendet sich speziell an die 12- bis 39-Jährigen als Kunden. Daran fehlt es bisher. Ich meine, die Mischung macht's. Diese ist gut in dem Einkaufscenter und belebt das Stadtzentrum. Gehen wir die Umsetzung mit Optimismus an, vor allem mit Selbstbewusstsein! 

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