Jobcenter: Die Kreise können es nicht besser


Wir können's besser, riefen Land- und Kreisräte unisono, als es 2010/11 um die Entscheidung ging, die gesamte Zuständigkeit für die Bezieher von Arbeitslosengeld II voll auf den Enzkreis zu übernehmen. Besser als wer? Natürlich besser als die Agentur für Arbeit. Und so gibt es in Baden-Württemberg elf so genannte Optionskreise - weil sie die Option des Bundes, das selbst zu machen, zogen. Deshalb betreiben Enzkreis und Stadt Pforzheim seit 2012 jeweils ein eigenes und damit voll kommunales Jobcenter, das sich um die Langzeitarbeitslosen kümmert. In allen anderen Stadt- und Landkreisen bestehen gemeinsame Jobcenter von Arbeitsagentur und Kreisen. 
Was stand in der Sitzungsvorlage 94/2010 für den Kreistag unter dem Titel "Neuorganisation der Aufgabenerledigung nach SGB II":  "Bei einer Option können die hierfür erforderlichen politischen und Einzelfallentscheidungen deutlich besser koordiniert werden als in einer gemeinsamen Einrichtung. Für die politischen Weichenstellungen sind die bereits bestehenden Verbindungen zwischen Kreisverwaltung, Kreistag, Bürgermeistern und Gemeindeverwaltungen ideale Voraussetzungen für pragmatische und zielgerichtete Lösungen. In der Einzelfallhilfe kann das eingespielte Netzwerk zwischen Mitarbeitern in Sozial-, Jugend-, Gesundheitsamt, Schulträger, Schulverwaltung und verschiedensten sozialen und Beratungseinrichtungen freier Träger für bestmögliche individuelle Lösungen genutzt werden."

Und kann der Landkreis Arbeitsmarkt? Besser schlechter oder gerade so gut wie die Agentur für Arbeit beziehungsweise deren gemeinsame Einrichtungen? Schauen wir doch nach. Ein Vergleich mit dem Jobcenter im Kreis Calw bietet sich an, weil Calw auch auf die Option setzte,  ihr Antrag aber in Stuttgart und Berlin auf Ablehnung stieß, wogegen sich der Landkreis wehrte. Zog er die schlechtere, der Enzkreis die bessere Karte?

Schauen wir in die Landtagsdrucksache 15/6900, Antwort des baden-württembergischen Arbeitsministeriums auf einen Antrag der Grünen. Maßstab ist zum Beispiel die Nachhaltigkeitsquote der Integrationsbemühungen. Als nachhaltig wird eine Integration bezeichnet, wenn die betreffenden Menschen auch nach zwölf Monaten nach Aufnahme einer Arbeit noch sozialversicherungspflichtig in Lohn und Brot sind. 2012 erreichte der Enzkreis die Quote von 64,3 Prozent und Calw von 62,7 Prozent, steigerte sich der Enzkreis im folgenden Jahr auf 60,7 Prozent und Calw fiel auf 56,8 Prozent zurück. Voriges Jahr drehte sich alles: Calw 61,0 Prozent, Enzkreis 58,8 Prozent. Nebenbei: Für die Stadt Pforzheim werden angeführt 59,9 Prozent (2012), 61,9 (2013) und 57,9 Prozent (2014). In Freudenstadt mit einem gemeinsamen Jobcenter entwickelte sich die Quote ab 2012 so: 57,9 >  57,1 > 63,1 Prozent. 

Also ein uneinheitliches Bild. Nun zur Integrationsquote, die misst, wie viele Hartz-IV-Empfänger sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen aufgenommen haben. Der Enzkreis erreichte 2012 genau 28,8 Prozent, Calw 26,0, Freudenstadt 29,3 und Pforzheim 21,6 Prozent. Im Jahr 2013 war Freudenstadt mit 29,7 Prozent die Nummer eins, gefolgt von  Calw mit 28,7 - also zwei gemeinsame Jobcenter. Enzkreis und Pforzheim mit rein kommunalen Jobcenter lagen mit 27,1 beziehungsweise 21,0 Prozent dahinter. Im vorigen Jahr änderte sich die Reihenfolge teilweise: Enzkreis 30,1 Prozent, Calw 27,3, dann Freudenstadt mit 26,9 und Pforzheim mit 24,3 Prozent. Allerdings schreibt das Ministerium zum Enzkreis-Wert für 2014: "eingeschränkte Aussagekraft wegen unvollständiger, unplausibler bzw. imputierter Grunddaten oder wegen niedriger Fallzahlen".
Mit Stand Januar 2015 gab es im Enzkreis 2969 erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger, nicht erwerbsfähige 1251. In ungeförderte Beschäftigungen auf dem ersten Arbeitsmarkt (inklusive geringfügig Beschäftigte) konnten vermittelt werden 16,1 Prozent im Jahr 2014. Diese  Vermittlungsquote 2013 betrug 15,6 und im Jahr zuvor 26,2 Prozent. Die Werte lagen, als noch die Arbeitsagentur zuständig war, zwischen 25,1 (2008) und 13,7 Prozent (2007). Die Vermittlungsquote 2014 im Kreis Calw 15,3 Prozent, Freudenstadt 16,4 Pforzheim 6,6 Prozent.


Fazit: Die Kreise wollten ihre kommunalen Jobcenter schneller, gezielter und effizienter machen als die gemeinsamen. Die nackten Zahlen geben das nicht her (auch nicht zum Beispiel in der Region Stuttgart). Die Kreise können es nicht besser. Wenn man freundlich ist: Sie können's so gut wie die Arbeitsagentur. Es wäre auch nicht falsch, zum Ergebnis zu kommen: Die Arbeitsagentur kann Arbeitsmarkt besser.





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