Wie muss Integration aussehen? Ein lokaler Diskurs

Eigentlich war es nur eines von mehreren Argumenten, die ich in der letzten Gemeinderatssitzung vor Weihnachten zu diesem Tagesordnungspunkt vorgetragen hatte. Doch ausgerechnet in der Heiligabend-Ausgabe griff das Mühlacker Tagblatt eben diesen einen Punkt auf, spitzte ihn zu und schon war eine lustige Integrationsdebatte losgetreten. Der Autor war nicht in der Sitzung, suchte auch vorher nicht das Gespräch, um die Beweggründe zu hören. Hätte die schöne Geschichte vermutlich gestört. Alles nur, weil der Türkische Sportverein unter dem schlechten Zustand seines Platzes im Enztal, zudem im Wasserschutzgebiet liegend, leidet. 

Total unter ging in dem Artikel die eigentliche Sache: Dass sowohl Stadtverwaltung als auch Gemeinderat –von mir als Sprecher der CDU-Fraktion ausdrücklich unterstützt – Gespräche zwischen Stadt und Türkischem Sportverein planen, um nach einer Lösung zu suchen, wohl wissend, dass diese Suche nicht leicht fallen wird. Die Flächen für neue Fußballplätze liegen nicht gerade so in der Landschaft herum. Von all dem stand nichts in jenem Bericht des MT, der klar für den Türkischen SV Partei bezog und sich nur auf diesen einen Punkte stürzte: Ich hatte darauf hingewiesen, dass es mehrere Vereine in der Stadt gebe, in denen auch Türken erfolgreich spielen, nannte als Beispiele den FV Lienzingen und Victoria Enzberg. Dort werde Integration erfolgreich praktiziert. Nationalitäten-Vereine, so meine Position, seien kein Beitrag zur Integration. 
War dies der Ruf, den Anschluss des Türkischen SV an die „deutschen Vereine“ zu fordern, wie es der MT-Autor formulierte? Nein! Die Stadt kann dies gar nicht verlangen, das ist die freie Entscheidung des Einzelnen. Aber meine Meinung darf ich sagen. Das tat ich bei der Ratssitzung verbunden mit dem Hinweis, wenn jede Nationalität ihren eigenen Sportverein aufmachen würde, sei das das Gegenteil von Integration. Zu dieser Meinung stehe ich. Es kommen ganz praktische Gründe hinzu: Es ist schwer, einen neuen Fußballplatz im Enztal anzulegen, weil im Wasserschutzgebiet dies nur mit Auflagen möglich ist, die einschränkend für einen Verein wirken.  Da ist es besser, auf vorhandene Infrastruktur zurückzugreifen. 

Welcher Weg letztlich auch gefunden werden kann: Grundsätzlich kann eine Lösung für den Türkischen SV nur Hilfe zur Selbsthilfe sein, so wie bei den anderen Vereinen auch. Sowohl TSV Phönix Lomersheim (mit dem Kunstrasenplatz) als auch der FV Lienzingen (Ausweichsportplatz), Viktoria Enzberg (neues Sportzentrum) und TSV Großglattbach haben bei ihren Plätzen die Kosten zu großen Teilen selbst getragen. Der TSV Mühlhausen hat einen Platz gar allein auf eigene Rechnung hergestellt - ohne Beteiligung der Stadt. Es kann nicht sein, dass der Türkische SV alles von der Stadt erhält (zumindest erweckte die LMU-Ratsfraktion in ihrem Antrag, die die Diskussion im Gemeinderat ausgelöst hatte,  diesen Eindruck). Das wäre gegenüber den anderen Vereinen ungerecht.


Journalistisch beliebt ist das Zuspitzen, schon gar bei einem Reizthema. Das schafft Aufmerksamkeit, sorgt für Echo. Die Rechnung ging auf. Was bleibt ist das Glatteis, auf das man schnell geraten kann, wenn man von Integration im konkreten Fall spricht. Über Weihnachten hat sich auf Facebook eine Debatte entwickelt, die zeigt, wie weit die Spannbreite des Verständnisses von Integration und die Auslegung des Begriffs  sind. Schon in dem Artikel des MT wird die Tatsache, dass der Türkische SV einige deutsche Mitglieder hat, als Beitrag zur Integration dargestellt – wo bleibt da die Mehrheitsgesellschaft? Notwendig ist, sich auf eine sachliche Erklärung zu verständigen: Integration ist eine politisch-soziologische Bezeichnung für die gesellschaftliche und politische Eingliederung von Personen oder Bevölkerungsgruppen, die sich beispielsweise durch ihre ethnische Zugehörigkeit, Religion, Sprache etc. unterscheiden. Diese Integrationsarbeit leisten unter anderem unsere Vereine. Der Gegensatz zur Integration ist Ausgrenzung. Und die kann niemand wollen. Was wir brauchen, ist ein lokaler und öffentlicher Diskurs über Integration. 



PS I: Ziel des journalistischen Morgenstreichs war auch der Ratskollege Rolf Leo von den Freien Wählern, der eine ähnliche Position eingenommen hatte wie ich für die CDU-Fraktion. Dabei wies er darauf hin, dass sich mit Mesut Özil ein türkischstämmiger Fußballer sich bewusst für die deutsche Nationalmannschaft entschieden hat. Und Leo sagte auch, die Stadt werde sich an den Kosten eines Kunstrasenplatzes beteiligen nach dem Beispiel von Phönix Lomersheim, wenn der Türkische SV seinen eigenen Anteil finanzieren könne. Zur Erinnerung: Kunstrasenplatz Lomersheim, Gesamtkosten von deutlich mehr als 500.000 Euro, davon übernimmt die Stadt 180.000 Euro als Zuschuss und gibt ein Darlehen von 120.000 Euro. Vom Sportbund kommen 70.000 Euro Zuschuss. Der Verein muss das Darlehen der Stadt zurückbezahlen und den Rest auch noch finanzieren. Das ist ein Gewaltakt.


PS II: Dass der Disput bisher weitgehend über Facebook lief (bis jetzt 18 Kommentare), zeigt auch, wie sehr Lokalpolitik inzwischen mehr in den sozialen Netzwerke spielt. Es beteiligen sich weitaus mehr als in den Print-Produkten. Daraus muss auch die Stadt ihre Konsequenzen ziehen. 


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